Donau Zeitung

Der Handball Jogi

Christian Prokop und den Fußball-Bundestrai­ner verbindet einiges. Beide schieden mit ihrem Team viel zu früh aus. Beide durften ihren Job behalten. Der Handball-Coach steht vor einer schwierige­n Aufgabe – und seiner letzten Chance

- VON OLAF KUPFER

Köln Der Tag im Kölner Sportmuseu­m, an dem vier Monate vor der Handball-WM in Deutschlan­d und Dänemark (10. bis 27. Januar 2019) am Spielort Köln der Startschus­s für Handball-Euphorie fallen soll, fängt nicht gut an. Am Eingang liegt in einer gläsernen Vitrine der Taktikzett­el des ehemaligen deutschen Handball-Nationaltr­ainers Dagur Sigurdsson, es ist gleichsam die Anleitung zum deutschen Handball-Europameis­tertitel von 2016. Christian Prokop wirft einen nachdenkli­chen Blick darauf, und als ihn ein Journalist später auf seinen erfolgreic­hen Vorgänger und dessen Zettelwirt­schaft anspricht, sagt der aktuelle Bundestrai­ner bestimmt, dass jeder „seinen Weg gehen sollte“, und es ja schön sei, „wie im Erfolgsfal­l alles positiv gesehen“würde. Aber „jetzt zählt es, ein neues Kapitel aufzuschla­gen“.

Kurz danach sitzt Prokop neben dem ehemaligen Handball-Bundestrai­ner Heiner Brand, als Spieler Weltmeiste­r, als Trainer auch noch. Brand, übergroße deutsche Handball-Ikone, wird freudestra­hlend von NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet begrüßt. Prokop stellt sich selbst vor: „Christian Prokop, ich bin der Bundestrai­ner.“Laschet lächelt freundlich. So geht das den ganzen Morgen: Brand erzählt im Interview mit Moderator Wolf-Dieter Poschmann vom sagenhafte­n WM-Triumph 2007, Laschet schwärmt von Köln als „HandballHa­uptstadt“und redet von möglichen Olympische­n Spielen 2032, dann übernimmt Prokop: Ja, na klar, die Vorfreude nehme zu, aber „natürlich müssen wir den Zeigefinge­r heben und warnen, weil die letzten beiden Turniere einfach enttäusche­nd waren“.

So ist das mit den Trainern: Wenn Glanz, Gloria und Vergangenh­eit dominieren, muss einer alle wieder auf den Teppich holen. Prokop, dessen persönlich­es Desaster 2017 mit dem neunten Platz bei der EM in Kroatien samt einer schlecht gelaunten Mannschaft begann, kämpft seither immer und überall um das richtige Maß: Allzeit reumütig wie zuletzt Jogi Löw muss er sein, aber eben doch noch sicher im Auftritt. Ratschläge hören, aber doch den eigenen Weg finden. Für viele war der ehemalige Bundesliga­Erfolgstra­iner aus Leipzig schon entlassen, dann durfte der zweifache Familienva­ter doch weitermach­en. Und jetzt muss der 39-Jährige ein kleines Wunder schaffen: Bei der WM ganz weit nach vorne kommen, obwohl noch nicht ganz klar ist, ob das Team, in dem er „die entscheide­nden Puzzleteil­e besser setzen“möchte, wieder eine Einheit werden kann.

Am besten, sagt Poschmann, soll er den Titel holen. Wie Brand. Na, danke schön. In den hinteren Stuhl- sitzt Ulrich Strombach. Der DHB-Präsident zwischen 1998 und 2013 ist ein Anhänger Prokops, er hat ihn protegiert, er sagt auch jetzt nichts Schlechtes. Die Nationalma­nnschaft sei besser besetzt, sagt Strombach, als zu seinen Zeiten. Aber: Es sei ein Problem, dass so viele gute Spieler in der Breite zur Verfügung stünden. Das biete Konfliktst­off. Prokop muss auswählen. Und droht, wieder ein Problem wie 2017 zu bekommen, als es zu schlechter Stimmung führte, dass Spieler auf den letzten Metern getrennt wurden, die lieber zusammen gespielt hätten. Prokop hat seither viel geredet, „er war extrem selbstkrit­isch“, sagt er selbst. Das hat ihm den Job erhalten.

Auch in Köln appelliert er an den „Charakter der Spieler“, er weiß, auf wen er zählen kann, und noch besser weiß er, auf wen nicht. 28 Spieler hat er im Kopf, das ist sein Kader, sagt er, aber am Ende muss er 14 auswählen. Und noch einmal darf er sich nicht vergreifen. Köln, findet Prokop, ist als Endspielor­t 2007 ein gureihen tes Pflaster für ein neues Bündnis zwischen Trainer, Team und Fans. Er sagt: „Man hat 2007 gesehen, was geht, wenn sich ein Team in einen Rausch spielt. Wir sind nicht Topfavorit, dazu ist die Weltspitze zu breit. Aber mit den Fans ist einiges möglich. Das haben wir uns auf die Fahnen geschriebe­n.“In den vergangene­n drei Wochen besuchte er alle zwölf Vereine, die Spieler für die Nationalma­nnschaft abstellen. „Dort gab es einen engen Austausch, bei dem Wege der verbessert­en Zusammenar­beit aufgezeigt wurden“, sagt er. Dazu gehören regionale Trainingst­age im Norden, Süden und Osten des Landes. Alle wissen, dass sie alles tun müssen, um die Chance der Heim-WM für den deutschen Handball zu ergreifen, die den nächsten Schub geben soll, den man besser nutzen will als 2007, als alle Kinder plötzlich Handball spielen wollten, dann aber Übungsleit­er und Hallen fehlten.

Nur wissen sie noch nicht, ob das mit Prokop und diesem Kader funktionie­ren wird. Heiner Brand hält das für möglich. Er hat nie ein böses Wort über Prokop verloren, obwohl der Bundestrai­ner auch heute noch in der Liga nicht nur Freunde hat. An diesem Morgen in Köln werden sich Brand und Prokop später zusammen in ein Café am Zollhafen setzen. Einfach mal einiges durchsprec­hen. „Er hat sicher viele, viele Ratschläge gehört, aber am Ende ist es wichtig auch für sein Ansehen im Team“, sagt Brand, „dass er sein eigenes Ding durchzieht.“

Wie Brand das selbst immer gemacht hat. „Aber ich bin ja auch so ein bergischer, sturer Hund“, sagt der Mann mit dem imposanten Schnauzbar­t, der auch heute noch jedes Heimspiel des VfL Gummersbac­h verfolgt. Gleich neben ihm sitzt dann stets Strombach, zusammen sind sie Weltmeiste­r geworden, das verbindet. So ein Bündnis könnte Prokop gut gebrauchen: Der amtierende DHB-Präsident Andreas Michelmann war nach der missglückt­en EM vor allem von seinem Vize Bob Hanning überzeugt worden, an Prokop festzuhalt­en. Und ob ein Zettel von Prokop dereinst im Kölner Sportmuseu­m in einer Vitrine landen wird, das steht noch in den Sternen.

Die Mannschaft ist besser be setzt als zu früheren Zeiten

 ?? Foto: Horst Galuschka, Imago ?? Mal reumütig, mal nachdenkli­ch, aber immer sicher im Auftritt: Das wird von Christian Prokop erwartet. Außerdem soll der Hand ball Bundestrai­ner doch bitte bei der Heim WM den Titel holen.
Foto: Horst Galuschka, Imago Mal reumütig, mal nachdenkli­ch, aber immer sicher im Auftritt: Das wird von Christian Prokop erwartet. Außerdem soll der Hand ball Bundestrai­ner doch bitte bei der Heim WM den Titel holen.

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