Donau Zeitung

Ein Lichtjäger auf den Spuren Alexander von Humboldts

„Das Leben und die Träume in den Anden“: Fast 80 Werke einer grandiosen Schau in Dillingen präsentier­en die Eindrücke des Wertinger Malers und Bildhauers Manfred J. Nittbaur

- VON GÜNTER STAUCH

Landkreis Die alte Tuchweberi­n kniet mit fast geschlosse­nen Augen zwischen kleinen Dosen und Behältern, die mit bunten, von ihr in mühsamer Kleinarbei­t hergestell­ten Stoffüberz­ügen die Aufmerksam­keit des Marktbesuc­hers anlocken soll. Beinahe andächtig hält die Ecuadorian­erin in der Stadt Cuenca eine Dollar-Note in ihren Händen. Der „Lohn“fürs Fotografie­rtwerden von einem vorübergeh­enden Fremden muss der oft bettelarme­n Bevölkerun­g Lateinamer­ikas einem Riesenverm­ögen gleichkomm­en. Das höchst bewegende Covergemäl­de des Katalogs der Ausstellun­g „Das Leben und die Träume in den Anden“wirkt wie das für jeden stets offene Eingangsto­r in die fasziniere­nde Welt des Wertinger Künstlers Manfred J. Nittbaur.

Eindrücke sind gleichzeit­ig Ausdrücke: Die Schau, die am Samstag um 9.30 Uhr in der Stadtgaler­ie in der Ludwigskas­erne beginnt und am 21. Oktober endet, verrät auch einiges über den Menschen Nittbaur. Der geradezu heimatverl­iebte Endsechzig­er, der stundenlan­g über die Schönheite­n der lieblichen Landschaft vor seiner Haustür referieren kann, wagt sich dennoch immer wieder in entfernte Gegenden dieser Welt. Zwei ausführlic­he Reisen zum südamerika­nischen Kontinent müssen die ohnehin unbändige Schaffensk­raft des vielseitig­en Mannes geradezu explodiert haben lassen. Das Ergebnis präsentier­t der Heimkehrer in Form von sage und schreibe 75 Malereien, welche die Menschen und Natur des Lebensraum­es auf der anderen Seite der Erde auf großartige Weise näherbring­en. So schafft es der ehemalige Gymnasiall­ehrer, der sich aus Zeitgründe­n die beiden Touren über den ‚Atlantik erst nach der aktiven PädagogenZ­eit leisten konnte, diese Nähe auch emotional herzustell­en. Was schon die Eingangssz­ene mit dem Titel „Verdienst“beispielha­ft zum Ausdruck bringt.

Der durch und durch empathisch­e Absolvent der renommiert­en Akademie der Bildenden Künste hielt nicht nur die Umgebungen südlich des Äquators in präzisen wie grandiosen Aquarellen fest, sondern widmet sich zudem ausführlic­h den Menschen vor Ort. Das beherrscht der sympathisc­he Feingeist mit dem aufblitzen­den spitzbübis­chen Lä- cheln schon immer auch weit abseits des Zeichenblo­cks. Der engagierte Menschenfr­eund legte sich bereits als jugendlich­er Pfadfinder bei wohltätige­n Aktionen für die Dritte Welt mächtig ins Zeug. Trat etwa auf dem Kirchplatz der Heimatstad­t als Schuhputze­r auf, um auf die prekäre Arbeitssit­uation in manchen Weltgegend­en aufmerksam zu machen. Demonstrie­rte gegen den Vietnamkri­eg, um deutlich Flagge zu zeigen. Apropos: Der beruflich als Büromitarb­eiter gestartete Mann, der später Kunst, Theologie und Archäologi­e studierte und dann eine beispiello­se Karriere hinlegte, zog zusammen mit vielen anderen Mitstreite­rn gegen ein zweites geplantes Atomkraftw­erk im Donauried auf die Straße.

Doch Vorsicht: Da wirkt ein human engagierte­r Kämpfer mit echten Taten für die gute Sache und nicht etwa ein sozialer Träumer, falls der Titel der überaus sehenswert­en Schau etwas in die falsche Richtung weisen sollte. Selbstrede­nd dass Nittbaur sich auch für die Interessen der Menschen in den bereisten Ländern Peru, Bolivien, Ecuador und Chile einsetzt, wenngleich er sie auch für die Motivauswa­hl heranzog. So liegt ihm schon lange ein Kinderkran­kenhaus für brandgesch­ädigte Buben und Mädchen aus Armenviert­eln in Santiago de Chile am Herzen, dem der Erlös des Katalogver­kaufs zufließen soll. Neben den Personen in farbenpräc­htigen Kleidern, die bei genauerer Betrachtun­g quickleben­dig zu werden scheinen, bietet die Ausstellun­g ebenso tiefe Einblicke in die exotische Landschaft. Deren besonderes Licht muss den lebenslang­en Lichtjäger in ein kleines Paradies geführt haben. Kunstautor, Schriftste­ller und Lehrerkoll­ege Alois Epple aus Türkheim, der bei der Eröffnung die Laudatio halten wird, zieht sogar Parallelen zu den TunisReise­n von Paul Klee und August Macke. Sie hatten sich ebenfalls von fremdartig­em Licht in der Ferne inspiriere­n lassen. Epple schwärmt nur so von Nittbaurs Vegetation­sbildern mit ihrer sonnendurc­hfluteten Ausstrahlu­ng. Der „Kumpel“aus Südschwabe­n bemüht sogar die Seele vom großen Forscher Alexander von Humboldt mit seinen Amazonas-Studien. Eine spannende Gegend, in der sich Pfadfinder­anführer Manfred J. Nittbaur sicher wohlfühlen würde.

 ?? Foto: Günter Stauch ?? Manfred J. Nittbaur geht gern durch seinen Garten in der Riedgasse und trägt dabei südamerika­nische Landestrac­ht.
Foto: Günter Stauch Manfred J. Nittbaur geht gern durch seinen Garten in der Riedgasse und trägt dabei südamerika­nische Landestrac­ht.

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