Kontrollierte Liebesglut
In Politik und Wirtschaft mag es ja manchmal konfus zugehen. Aber bei der Eheplanung zeigen deutsche Paare größte Besonnenheit. Demoskopen des Marktforschungsinstituts Innofact haben sich unter heiratsfähigen Mitmenschen umgehört und sind zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen.
Zwar entschließen sich frisch Verknallte blitzschnell zur ersten Liebeserklärung, zum ersten Kuss und zum ersten gemeinsamen Urlaub. Sehr viel mehr Zeit benötigt das Pärchen bis zur Einrichtung eines gemeinsamen Kontos. Drei bis sechs Jahre nach dem ersten feurigen Blickkontakt erhält die Verbindung im Standesamt den staatlichen Segen.
Antiquiert wirken plötzlich die literarischen Geschichten, die den Eindruck erweckten, als zerstöre die Liebe alle Vernunft. Ganz im Gegenteil! Modernen Verliebten liegt es fern, das Objekt der Begierde in Raserei zu zerfleischen wie Kleists Penthesilea oder im Liebeswahnsinn zu enden wie Goethes Gretchen. Mit der langen Vorlaufzeit bis zur Eheschließung ersetzen moderne Paare die wilde Leidenschaft durch kühle Vernunft. Sie bevorzugen jene Art von Liebe, wie sie der berühmte Freiherr von Knigge in „Nordmanns Geschichte“angekündigt hat: „Menschen, die sich täglich sehen und mit allen ihren Unvollkommenheiten kennenlernen, werden nie lüstern nacheinander werden; und wenn sie dennoch Liebe zueinander fassen, so wird das eine vernünftige Liebe sein, bei welcher die Sinne nur die Nebenrolle spielen ...“