Mit Humor und Musik gegen das Vergessen
Anlässlich eines Aktionstages und der sogenannten Demenz-Woche wollen Experten über die Krankheit aufklären und informieren. Wie soll man reagieren, wenn Oma plötzlich Blödsinn macht
Heute ist Welt-Alzheimertag. Experten aus dem Kreis erklären, was man im Umgang mit Erkrankten beachten sollte.
Landkreis „Kein Satz eine Lüge, aber, nicht jedes Wort wahr“, so beschreibt Hendrik Groen sein Buch „Eierlikörtage: Das geheime Tagebuch des Hendrik Groen 83 1/4“. Anlässlich der Woche der Demenz liest der Schauspieler Philipp von Mirbach in der Lauinger Elisabethenstiftung aus diesem Buch vor. Der Rentner Hendrik Groen beschreibt darin ein Jahr seines Lebens im Altenheim. Da sind die Ausflüge der Gruppe „Alt, aber nicht tot“, aber auch die Demenzerkrankung von Gretchen, einem Mitglied der Gruppe. Bei Gretchen wird die Krankheit sehr früh entdeckt.
Der 21. September, innerhalb der Woche der Demenz, ist gleichzeitig der Welt-Alzheimertag. Die beiden Begriffe sollten unterschieden werden. Alzheimer ist eine Krankheit, zu deren Symptomen eine zunehmende Demenz gehört. „Etwa 1,6 Millionen Menschen sind in Deutschland an Demenz erkrankt“, erklärt der Geschäftsführer der Elisabethenstiftung, Jörg Fröhlich, vor Philipp von Mirbachs Auftritt. In seinem Vortrag erklärt er die verschiedenen Formen der Demenz: „Nur bei 60 Prozent sprechen wir von der Alzheimer-Demenz.“Bis heute ist die Krankheit nicht heilbar. Doch es gibt Medikamente wie Antidementiva, die die Symptome abmindern. Außerdem gibt es Therapien. Helfen kann Musik. „Wir erleben es oft, dass unsere Patienten sich an alte Lieder fehlerfrei erinnern“, erzählt Fröhlich.
Der Alzheimertag und die Demenzwoche sollen auf die Krankheiten aufmerksam machen. Informationen dazu bekommt man vielerorts. In der Stadtbücherei Lauingen etwa gibt es eine Medienbox mit Büchern und Filmen zu diesem Thema. Da geht es auch um die Musiktherapie. „In einem Buch sind etwa drei Lieder mit Text enthalten, die zudem vorgesungen werden“, erklärt die Bibliotheksleiterin Heidi Hüll. Sie hat die Box größtenteils selbst zusammengestellt. „Vor allem Auszubildende, die ein Referat oder Ähnliches vorbereiten, fragen nach ihr“, berichtet sie und ergänzt: „Ich habe gemerkt, dass das Thema viele betrifft und eine große Empfänglichkeit herrscht.“Deshalb stehen in den Regalen weitere Literatur und Filme über Demenz. Hülls Medienbox enthält zudem Puzzlespiele und Bilderbücher, die Erfolgserlebnisse schaffen und das Gedächtnis trainieren.
Demenz kann jeden betreffen. Herausfordernd ist die Situation auch für die Familienmitglieder. Auch darauf geht Jörg Fröhlich in seinem Vortrag ein. Er vergleicht die eintretende Vergesslichkeit, besonders bei neuen Ereignissen, mit Schubladen. „Unser Gehirn kann neue Erinnerungen als alt einordnen und immer wieder hervorholen. Demenzerkrankte können diese nicht mehr abspeichern.“Bei dem Umgang mit ihnen gelte deshalb immer ein Satz: „Sie werden die Diskussion nicht ge- winnen.“Stattdessen sollten die Angehöriges manches überhören und es mit Humor nehmen.
Wie Angehörige mit der Erkrankung umgehen sollten, damit beschäftigt sich auch Markus Proske. „Jeder Mensch, der mit Humor in Berührung kommt, zeigt, dass er mehr als Trauer und Altsein ist“, bestätigt der Demenzberater und Humortherapeut aus Binswangen. Er hat das Buch „Demenz-Knigge“geschrieben. Humor ist für ihn mehr als Heiterkeit. „Die Menschen haben dadurch trotz Alter und Demenz Anteil am Leben.“Generell gebe es keine Tabus. „Es kommt aber immer auf die Biografie des einzelnen Menschen an.“Vielen Außenstehenden sei nicht klar, dass Senioren humorvoll sein können, und wie viel in Seniorenheimen gelacht wird.
Und wie soll man nun damit umgehen, wenn Oma Nudeln statt Tomaten aus dem Keller holt? Jörg Fröhlich, der dieses Beispiel erdacht hat, erklärt: „Dann sagen Sie etwa, diese hätten sie ebenfalls benötigt und holen die Tomaten selbst.“Eine Konfrontation sei nicht sinnvoll. Die Erkrankten seien bei vollem Bewusstsein, sie merkten, wenn etwas nicht mehr geht. Und sie reagierten oft aggressiv, wenn sie auf Fehler hingewiesen werden. Man müsse auch bedenken, dass viele Angehörigen ihre Verwandten zuhause pflegen. Dadurch werde oft die Lebensplanung durcheinandergebracht. „Stellen Sie sich eine Frau vor, die vier Jahre für ihre Kinder zu Hause geblieben ist und nun eigentlich wieder arbeiten will“, erklärt der Geschäftsführer der Elisabethenstiftung. Generell sei die Pflege immer noch ein Frauenthema – wie auch das überwiegend aus Frauen bestehende Publikum zeigt. Für die Pflege sei es wichtig, Ruhe und Sicherheit zu geben, die Patienten ernst zu nehmen und ihnen mit Respekt zu begegnen. Und: „Es sollte einen festen Tagesplan geben“, rät Fröhlich.
Mit diesem Tipp schließt sich der Kreis zum Buch „Eierlikörtage“. Wie Philipp von Mierbach vorträgt, erstellt auch die Gruppe „Alt, aber nicht tot“einen Tagesplan für Gretchen. Außerdem besuchen die Mitglieder sie täglich und informieren sich über die Krankheit. „Demenz soll kein Tabu-Thema mehr sein“, lautet die Botschaft des Abends.