EU will Grenzen besser schützen
Das Verteilen der Flüchtlinge nach festgelegten Quoten in Europa scheitert am hartnäckigen Widerstand mehrerer Länder. Jetzt liegt ein Kooperationsangebot aus Nordafrika vor
Salzburg Die EU strebt nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel Flüchtlingsabkommen mit mehreren nordafrikanischen Staaten an – ähnlich wie mit der Türkei. Man sei sich innerhalb der Union einig, den Dialog mit Ägypten, aber auch mit Tunesien, Marokko sowie Libyen zu intensivieren, sagte Merkel zum Abschluss des EU-Gipfels in Salzburg. Auch eine Aufstockung und eine mögliche Ausweitung des Mandats der Grenzschutzagentur Frontex sei positiv diskutiert worden.
Im Streit um den Brexit will die britische Regierung einen neuen Vorschlag für die Lösung der IrlandFrage vorlegen. Den Vorschlag, Nordirland solle im Notfall Teil der Zollunion bleiben, lehnt London aber ab.
Salzburg Jahrelang bemühte sich die EU um eine faire Verteilung der Lasten in der Flüchtlingskrise auf alle Mitgliedstaaten. Beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Salzburg deutete sich am Donnerstag erstmals eine Wende an – Ägypten scheint bereit zu helfen.
Der österreichische Bundeskanzler nahm sich am Morgen besonders viel Zeit für die versammelten Medienvertreter. „Ich sage schon seit Jahren“, begann Sebastian Kurz, der beim Gipfel in Salzburg nicht nur Gastgeber, sondern auch EUVorsitzender ist, „dass mit einer Verteilquote für Flüchtlinge die Probleme nicht gelöst werden“. Die Beratungen der Staatenlenker hätten dies wieder gezeigt: „Die Chance, dass eine Quote für jeden Mitgliedstaat in den nächsten Jahren eine Lösung ergibt, halte ich für überschaubar.“Es gebe allerdings Regierungschefs, die das Thema weiter auf der Agenda halten wollten, „deshalb werden wir auch immer wieder darüber reden“.
sieht die Mehrheit der EU-Länder den Schlüssel zur Beilegung dieses Streits an anderer Stelle: Möglicherweise schon bis zum Ende des Jahres soll der Ausbau von Frontex zu einer 10000 Mann starken Küsten- und GrenzschutzTruppe beschlossen werden. Das auf Wunsch Italiens eingefrorene Mandat der EU-Marinemission „Sophia“könnte dann über die reine Seenotrettung hinaus auch auf das Aufbringen von Schlepperbooten ausgeweitet werden. Die geborgenen Flüchtlinge bringen die Einheiten nicht mehr in europäische Häfen, sondern nach Nordafrika.
Darauf hatten sich die Staatenlenker bereits im Juni verständigt. Neu ist: Am vergangenen Wochenende hat der ägyptische Staatschef Abdel Fattah al-Sisi zugesagt, mit der EU zusammenzuarbeiten. Sollte man sich bei einem EU-Ägypten-Gipfel im Februar einig werden, würde Kairo die Migranten aufnehmen, sodass diese fortan nicht mehr europäischen Boden erreichen. „Ausschiffungszentren“heißen die geplanten Einrichtungen. Gedacht ist an eine Kopie des Modells, das die Union mit Ankara praktiziert und das zum Erliegen des Zustroms über türkisches Territorium geführt hat.
Die positiven Signale aus Kairo, die al-Sisi offensichtlich am vergangenen Wochenende bei einem Besuch von Ratspräsident Tusk und dem österreichischen Kanzler Kurz gegeben hatte, wären im Falle einer belastbaren Zusage ein Durchbruch. Denn seit Monaten bemüht sich die EU um kooperationswillige Ansprechpartner im nordafrikanischen Raum. Aber bisher winkten die meisten Regierungen ab – ebenso übrigens wie die EU-Hauptstädte. Schließlich hätten Aufnahmezentren auch an den Küsten der Gemeinschaft entstehen können. Aber innerhalb der Union hob keiner den Finger.
„Ich habe das so noch nicht erlebt“, sagte am Donnerstag ein erfahrener EU-Diplomat. Auf der eiTatsächlich nen Seite gebe es bei dem Thema Migration immer wieder Reibereien – auch wenn die Atmosphäre dieses Mal von allen Seiten als „erkennbar besser“gelobt wurde. Auf der anderen Seite aber stehe die EU der 27 in „einzigartiger Weise geschlossen“, sobald es um den Brexit geht. In Salzburg vereinbarte man wie erwartet, den Gesprächen noch etwas mehr Zeit zu geben, um einen Kompromiss zu finden. Nun soll ein endgültiger Text bis November vorliegen und dann bei einem Sondergipfel gebilligt werden.
Londons Premierministerin Theresa May wurde aufgefordert, neue Vorschläge für die zukünftige Gestaltung der Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und Nordirland auszuarbeiten. Denn das, was bisher vorliegt (eine Art Binnenmarkt für Industriegüter, sodass Kontrollen entfallen könnten), reicht der Union nicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Man kann nicht zum Binnenmarkt gehören, wenn man nicht Teil des Binnenmarktes ist.“May will im Oktober der Aufforderung folgen und neue Pläne vorlegen.
Für den Brexit wartet Brüssel auf Vorschlag aus London