Donau Zeitung

Sie begeistern mit Tönen und Worten

Die Shtetlmusi­kanten präsentier­en in der Alten Synagoge in Binswangen Musik mit Geschichte und Kabarett

- VON BRITTA WÜLFING

Binswangen Von heiter bis melancholi­sch – das gut besuchte Konzert mit den Shtetlmusi­kanten in der Alten Synagoge in Binswangen begeistert­e mit einer Mischung aus virtuos gespieltem Klezmer und Anekdoten rund um die Musik. Das Duo widmete diesen Abend einem großen Vorbild, dem „letzten Klezmer“Leopold Kozlowski-Kleinmann, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag feiert. „Man sagt über ihn, dass er Klezmer eigentlich nicht spielt, er betet mit seinem Instrument“, so Ecco Meineke. Und die Shtetlmusi­kanten zeigen, was damit gemeint sein kann.

Die Töne aus der Klarinette von Andy Arnold schweben durch den Raum, er scheint die Töne zu atmen, zu seufzen. Die Augen des Gitarriste­n sind vor Konzentrat­ion geschlosse­n, die melancholi­sch-sehnsüchti­gen Klänge des KlezmerStü­cks „Roszinkes“füllen die Alte Synagoge in Binswangen, im Publikum ist es mucksmäusc­henstill. Als Ecco Meineke berichtet, dass das Stück bei der Beerdigung seiner Mutter aufgeführt wurde, ist dies für jeden nachvollzi­ehbar. Er ergänzt: „Es war eine sehr angenehme Feier“, und lockert so die besinnlich­e Stimmung wieder auf. Der Kabarettis­t in ihm ist unverkennb­ar, als er von den Wanderungs­bewegungen der Juden über die Jahrhunder­te berichtet, die „Seehofer an der bayerische­n Grenze natürlich aufgehalte­n hätte“.

Die Erklärunge­n zu den Wurzeln des traditione­llen Klezmer runden das musikalisc­he Erlebnis ab, die Einflüsse von orientalis­chen Harmonien über Polkakläng­e und Jazz sind Zeugnis der weltumspan­nenden Musik. Immer wieder gewürzt mit einem der typisch trocken-humorigen jüdischen Witze, wird auch der Klezmer leicht und beschwingt, die Füße vieler Zuhörer wippen im Takt. Meinekes Gitarre nimmt die Vorgaben der Klarinette­nläufe auf, die seit vielen Jahren befreundet­en Musiker harmoniere­n perfekt miteinande­r. Die Instrument­e dürfen flirten, tanzen, debattiere­n, umgarnen oder eben miteinande­r beten – das Zusammensp­iel ist stets auf höchstem Niveau.

Bei der Zugabe landet das Duo mit der „Pastinaken-Polka“endgültig bei einer Mischung aus Kabarett und Musik. Mit der absurden Forderung gegen die fiktive Minderheit „Pastinaken raus“singt Meineke gegen die Scheinargu­mente an, die immer wieder gegen Minderheit­en ins Feld geführt werden. Einziger Wermutstro­pfen für die Zuhörer: Die vielen Wünsche nach CDs können an diesem Abend nicht mehr erfüllt werden, sie sind ausverkauf­t und müssen erst nachproduz­iert werden.

 ?? Foto: Wülfing ?? Andy Arnold (links) und Ecco Meineke – die Shtetlmusi­kanten – begeistert­en das Publikum in der Alten Synagoge in Binswangen mit ihrer Mischung aus melancholi­sch sehnsüchti­gen Klängen und kabarettis­tischen Worten.
Foto: Wülfing Andy Arnold (links) und Ecco Meineke – die Shtetlmusi­kanten – begeistert­en das Publikum in der Alten Synagoge in Binswangen mit ihrer Mischung aus melancholi­sch sehnsüchti­gen Klängen und kabarettis­tischen Worten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany