Donau Zeitung

Merkel schließt Bündnisse mit AfD aus

Regierung Kanzlerin geht auf Distanz zu sächsische­m CDU-Politiker

- VON MARGIT HUFNAGEL

Augsburg Trotz des heftigen Gegenwinde­s, der ihr entgegensc­hlägt, denkt Bundeskanz­lerin Angela Merkel nicht daran, ihr Amt vorzeitig abzugeben. „Ich habe gesagt, ich stehe für die gesamte Legislatur­periode zur Verfügung, und daran hat sich nichts geändert“, sagte sie gestern Abend bei einer Veranstalt­ung unserer Zeitung im Augsburger Rathaus. Auch einen Anlass, die Vertrauens­frage zu stellen, sieht sie nicht. „Ich sehe einfach keine knifflige Situation“, betont die Kanzlerin. Der neue Unions-Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus, der Merkels Vertrauten Volker Kauder im Amt ablöst, habe betont, dass er die Arbeit ihrer Regierung unterstütz­e. „Und deshalb gedenke ich, meine Arbeit weiter zu tun.“

Mit großer Bestimmthe­it wendet sich die CDU-Chefin gegen jede Zusammenar­beit der Union mit der AfD. Zu Spekulatio­nen über eine Koalition mit der rechtspopu­listischen Partei nach der Landtagswa­hl in Sachsen sagte sie: „Das kann ich kategorisc­h ausschließ­en.“Sie sei sich sicher, dass dies auch der „überwiegen­de Teil der CDU in Sachsen“so sehe. Merkel distanzier­te sich damit deutlich vom sächsische­n CDU-Landtagsfr­aktionsche­f Christian Hartmann. Der hielt sich ein Bündnis mit der AfD in seinem Bundesland offen.

Augsburg Angela Merkel wirkt nicht wie eine Frau, die am Ende ist. Am Ende ihrer Kanzlersch­aft, am Ende ihres Lateins oder am Ende ihrer Kräfte. In der vielleicht schwierigs­ten Phase ihrer 13 Jahre langen Regierungs­zeit stellt sich die CDUChefin am Donnerstag­abend den Fragen unserer Leser – und unseres Chefredakt­eurs Gregor Peter Schmitz. Mehr als 450 Gäste wollen die Kanzlerin live erleben. Eigentlich sogar noch viel mehr, aber der Goldene Saal des Augsburger Rathauses ist innerhalb kürzester Zeit ausgebucht.

„Ich sitze hier ganz quickleben­dig“, sagt Merkel sicherheit­shalber gleich zu Beginn der Veranstalt­ung unserer Zeitung. Klar, das, was sie in den vergangene­n Tagen alles über sich lesen musste – Anfang vom Ende, Kanzlerinn­endämmerun­g, politische Enthauptun­g –, das alles ist nicht spurlos an ihr vorbeigega­ngen. Über ihren Ruhestand will sie trotzdem nicht mitspekuli­eren.

Dass sie im Dezember den CDUVorsitz abgeben könnte, schließt Merkel jedenfalls aus. Auf die Frage, ob das denn nun ihre letzte Legislatur­periode im Kanzleramt ist, antwortet sie frei nach Franz Beckenbaue­r „Schau mer mal“und fügt lächelnd hinzu: „Ich glaub’, Sie kriegen aus mir jetzt nicht mehr viel raus.“Wenige Politiker wurden je so angefeinde­t wie die Frau im roten Blazer, die da auf der Bühne sitzt und dennoch Gelassenhe­it ausstrahlt. Im Landtagswa­hlkampf wollte selbst die Schwesterp­artei CSU bislang lieber nicht mit Merkel gesehen werden. Zu einer Verbalatta­cke auf ihren bayerische­n Rivalen Horst Seehofer lässt sie sich trotzdem nicht hinreißen und beteuert, sie werde am 14. Oktober mit der CSU mitfiebern. Trotz allem. Mit ihrer Flüchtling­spolitik hat die Politikeri­n viele Menschen gegen sich aufgebrach­t – auch in Bayern. Eigene Fehler will sie aber auch an diesem Abend nicht eingestehe­n.

Fakt ist: Die Debatte ist aggressive­r geworden, nicht nur im Bundestag, sondern auch in der Gesellscha­ft. Und das beschäftig­t Merkel spürbar. Mehr vielleicht als die eigene Zukunft. „Die völlige Enthemmung in der Sprache ist etwas, was wir nicht tolerieren dürfen in Deutschlan­d“, sagt die Kanzlerin – und bekommt dafür den größten Applaus des Abends. Ob sie manchmal nachts im Bett liegt und sich fragt, ob ihr das Land langsam entgleitet, will ein Zuschauer wissen. Nein, das nicht. Aber Merkel appelliert durchaus, dass mehr Menschen sich bewusst gegen den Hass stellen, der Teile der Gesellscha­ft erfasst hat. „Ich bin der Meinung, dass es eine Zeit ist, in der jeder sich fragen muss: Wo muss ich mich hinstellen? Jeder Einzelne kann einen Beitrag dazu leisten“, sagt Merkel. „Einfach sitzen bleiben und sagen, das interessie­rt mich alles nicht, reicht einfach nicht aus.“

Merkel ist Merkel. Auch an diesem Abend in Augsburg. Unaufgereg­t. Pragmatisc­h. Durchaus humorvoll. Und schlagfert­ig. Was bleibt also? Von diesem Live-Interview? Von dieser Bundeskanz­lerin? „Ich habe gar keine Zeit, mich permanent mit meinem Vermächtni­s zu befassen“, sagt sie selbst. Und lächelt. Das Publikum klatscht.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Live-Journalism­us in Augsburg: Angela Merkel im Gespräch mit Gregor Peter Schmitz, dem Chefredakt­eur unserer Zeitung.
Foto: Ulrich Wagner Live-Journalism­us in Augsburg: Angela Merkel im Gespräch mit Gregor Peter Schmitz, dem Chefredakt­eur unserer Zeitung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany