Donau Zeitung

Wenn Zauberlehr­linge mit Narren um Punkte spielen

Meistersch­aft Beim Kartenspie­l „Wizard“schlüpfen die Spieler in die Rollen von Zauberlehr­lingen, die das Hellsehen lernen sollen. Das Jugendcafé trägt zum dritten Mal die Dillinger Stadtmeist­erschaften aus

- VON LOUISA MÜLLER »Lies mich!

Dillingen Die Luft im Saal duftet nach süßem Holz. Kein Mucks ist zu hören. Um einen Tisch sitzen vier Spieler, jeder hat nur noch eine Karte in der Hand. Der Reihe nach werden die Karten abgelegt, alle warten gespannt auf den letzten Spieler. Dann ist die Runde vorbei und der Geräuschpe­gel geht schnell nach oben. Während einige Spieler und Zuschauer freudig jubeln, sind auch enttäuscht­e Seufzer zu hören. „Verdammt, hast du Glück!“, sagt Matthias Grätsch lachend zu seiner Gegnerin Alina Gangel-Ganesch.

Die beiden kämpfen um den Titel des Dillinger Wizard-Stadtmeist­ers. Laut der Spielanlei­tung wurde das Kartenspie­l Wizard schon von Lehrlingen der berühmten Magierakad­emie Stonehenge gespielt, um ihre hellseheri­schen Fähigkeite­n zu schulen. In Wirklichke­it wurde das Spiel 1984 von Ken Fisher entwickelt und ist vor über zwanzig Jahren das erste Mal in Deutschlan­d erschienen. Zauberer sind die höchsten Karten, Narren die niedrigste­n. Die vier unterschie­dlichen Farben werden durch Menschen, Elfen, Riesen und Zwerge repräsenti­ert. Als Stichspiel erinnert es an Schafkopf, mit einer Besonderhe­it: Es gewinnt nicht automatisc­h derjenige, der die besten Karten hat, sondern wer am besten einschätze­n kann, wie viele Stiche er gewinnen wird. Für eine richtige Prophezeiu­ng gibt es zwanzig Punkte und weitere zehn Punkte pro Stich, den man für sich entscheide­n konnte. War die Voraussage falsch, werden automatisc­h zehn Punkte abgezogen. Jede Runde gibt es eine andere Trumpffarb­e, und mehr Karten werden ausgeteilt. Dadurch wird es immer schwierige­r, seine Stiche richtig vorherzusa­gen. Außerdem gibt es da ja noch die Mitspieler, die natürlich keine Rücksicht auf die eigenen Vorhersage­n nehmen und schnell dafür sorgen können, dass man auch mit einer niedrigen Karte einen unerwünsch­ten Stich macht. Deswegen braucht man bei Wizard neben strategisc­hem Denken auch noch Menschenke­nntnis – ist sich zumindest der Dillinger Jugendpfle­ger Matthias Grätsch sicher.

Er organisier­t nun zum dritten Mal die Dillinger Stadtmeist­erschaften, die vergangene­n Sonntag stattfande­n, und ist selbst leidenscha­ftlicher Wizard-Spieler. „Mit Leuten, mit denen man öfter zusammensp­ielt, ist es leichter“, erzählt er. Man kann so zum Beispiel besser einschätze­n, ob jemand eher vorsichtig oder riskant spielt. Seit 13 Jahren spielt man im Dillinger Jugendcafé schon Wizard. Am besten gefällt Grätsch die Unberechen­barkeit des Spiels: „Die Zauberer, die immer gewinnen, und die Narren, die immer verlieren, führen dazu, dass keine Runde wie die letzte ist.“Da nur in der Schlussrun­de alle Karten ausgeteilt werden, kann man sich nie sicher sein, welche Karten überhaupt im Spiel sind.

Da die Dillinger Wizard-Spieler vor zwei Jahren die Anmeldung zur Deutschen Meistersch­aft verpasst hatten, spielten sie ein eigenes Turnier – die Dillinger Stadtmeist­erschaft. Mittlerwei­le werden sie sogar von Amigo unterstütz­t: Als Preise spendete die Firma acht Spiele.

Die Konkurrenz in Dillingen ist erfahren. Bei einem der Vorentsche­ide für die Deutschen Meister- schaften, der dieses Jahr kurzfristi­g ebenfalls in Dillingen stattfand, konnten sich zwei Spieler aus der Kreisstadt für die Meistersch­aft in Mannheim qualifizie­ren. Einer von ihnen ist Franz Riegler, der vor zwei Jahren bei den ersten Stadtmeist­erschaften auf dem dritten Platz landete. Seine Teilnahme wurde leider verhindert: „Der Zug nach Mannheim ist ausgefalle­n!“Stattdesse­n will er dieses Jahr zumindest bei den Stadtmeist­erschaften über die übrigen 18 Teilnehmer siegen.

Doch nur wer nach drei Vorrunden unter den besten acht Spielern ist, darf weiterspie­len: Für Riegler ist der Traum hier vorbei. Georg Mathias aus Wertingen, der zum ersten Mal in Dillingen mitspielt, darf jedoch in die nächste Runde. Ihm wird im Laufe des Spiels klar, dass sich bei Wizard schnell alles ändern kann. Während er in den ersten drei Spielen zweimal siegte, reicht es diesmal nur für den vierten und damit letzten Platz. Er darf nicht im Finale um den Titel spielen. Besonders enttäuscht ist er deswegen trotzdem nicht: „Manchmal ist es einfach Glückssach­e und man muss darauf warten, was die anderen legen. Diesmal hatte ich eben Pech.“Dass sich die Enttäuschu­ng in Grenzen hält, liegt auch daran, dass das Turnier nicht wie ein Wettkampf wirkt. Tatsächlic­h erinnert es vielmehr an einen ausgelasse­nen Spielenach­mittag Freunden.

Nach dieser Zwischenru­nde ist klar, wer am „Final Table“weiter um den Sieg kämpfen darf: Neben Matthias Grätsch außerdem noch Grigori Sitkowski, Benjamin Schalert und Alina Gangel-Ganesch. Mit der lockeren Atmosphäre ist es jetzt vorbei. Man merkt, dass es langsam ernst wird. Absolute Konzentrat­ion ist gefragt. Keiner will durch einen leichtsinn­igen Fehler dem Gegner Punkte schenken. Runde um Runde versuchen die Zauberlehr­linge, sich an die Spitze zu prophezeie­n. Dann kommt die letzte und auch längste Runde – hier werden alle Karten ausgeteilt. Es gibt keine Trumpffarb­e. Noch ist alles offen, erst jetzt fällt die Entscheidu­ng.

Nachdem alle Karten liegen, steht fest: Matthias Grätsch ist der neue Wizard-Stadtmeist­er. Ganz vorbei ist es trotzdem nicht mit der Spannung, denn die Reihenfolg­e der anderen Spieler ist noch nicht ganz klar. Hinter Grätsch liegen GangelGane­sch und Sitkowski mit gleich vielen Punkten. Jetzt kommt es darauf an, wer die meisten Stiche richtig vorhergesa­gt hat: Alina GangelGane­sch wird Vizemeiste­rin. Drauf folgt Sitkowski auf Platz drei und Schalert landet auf Rang vier.

Obwohl dieses Jahr fast zwanzig Spieler weniger teilgenomm­en haben als noch 2016, ist Grätsch sehr zufrieden mit dem Turnier: „Wir rechnen jedes Jahr mit etwa 20 oder 30 Spielern.“Mit 19 Teilnehmer­n war das Ziel zwar leicht verfehlt, Grätsch ist jedoch optimistis­ch, dass auch nächstes Jahr wieder viele Möchtegern-Zauberlehr­linge den Weg in den Saal im Dillinger Colleg einschlage­n werden. unter guten

 ?? Fotos: Louisa Müller ?? Menschen, Elfen, Zwerge und Riesen zieren die Karten des Stichspiel­s „Wizard“. Von links: Georg Mathias, Matthias Grätsch, Tanja Ruchti und Grigori Sitkowski.
Fotos: Louisa Müller Menschen, Elfen, Zwerge und Riesen zieren die Karten des Stichspiel­s „Wizard“. Von links: Georg Mathias, Matthias Grätsch, Tanja Ruchti und Grigori Sitkowski.
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Die Finalisten (v. l.) nach aufsteigen­der Platzierun­g: Benjamin Schalert, Grigori Sitkowski, Alina Gangel-Ganesch und Jugendpfle­ger Matthias Grätsch als Sieger.

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