Donau Zeitung

Innerparte­ilicher „Bürgerkrie­g“

Großbritan­nien Wie der Brexit die Konservati­ven auseinande­rreißt

- VON KATRIN PRIBYL

Birmingham Philip Hammond hatte es nicht gerade leicht in den vergangene­n Monaten. Und das liegt keineswegs nur daran, dass der Finanzmini­ster Großbritan­niens als Chefsparer des Landes traditione­ll wenig Popularitä­t genießt, wie erst wieder der verhaltene Applaus auf seine Rede am Montag beim Parteitag der Konservati­ven in Birmingham offenbart. Vielmehr zieht der als europafreu­ndlich geltende Schatzkanz­ler mit seiner Stimme der Vernunft und seinem Hang zum Realismus in Sachen Eu-ausstieg den Unmut der europaskep­tischen Hardliner auf sich. Hammond ist mittlerwei­le das personifiz­ierte Feindbild der konservati­ven Brexit-verfechter.

Beim viertägige­n Treffen der Tories holen die Befürworte­r eines möglichst reibungslo­sen Austritts zum Gegenschla­g gegen die lautstarke­n Brexit-ideologen in den eigenen Reihen aus. Im „Bürgerkrie­g“, wie Medien den erbittert geführten innerparte­ilichen Streit bei den Konservati­ven getauft haben, stehen sich Brexit-fans und Eu-freunde gegenüber – allein das blaue Parteibuch eint sie noch. Und der mitunter scharfe Ton in Richtung Brüssel.

So leistet sich Außenminis­ter Jeremy Hunt, der als möglicher Premier gehandelt wird, einen diplomatis­chen Fehlgriff, als er die EU vor Zuständen wie in der früheren Sowjetunio­n warnte. „Wenn Sie den Eu-klub in ein Gefängnis verwandeln, wird der Wunsch, auszutrete­n, nicht schwinden, sondern wachsen und wir werden nicht der einzige Gefangene sein, der fliehen will.“

Die Tories sind in der Europafrag­e tief gespalten und suchen einen Ausweg aus der bislang verfahrene­n Brexit-lage. Schatzkanz­ler Hammond verteidigt Premiermin­isterin Theresa May und ihren Vorschlag einer Freihandel­szone mit Brüssel für Waren, aber nicht für Dienstleis­tungen. Eu-ratspräsid­ent Donald Tusk liege falsch mit seinem Urteil, die Pläne würden nicht funktionie­ren. Nachdem die Regierungs­chefin jedoch nicht nur in Brüssel, sondern auch im Königreich viel Kritik für ihren Kurs einstecken muss, deutet sie an, einen neuen Vorschlag zu unterbreit­en. Am Mittwoch hält die Premiermin­isterin ihre große Parteitags­rede. Es könnte ihr politische­s Endspiel werden.

Derweil geht das Hauen und Stechen in Birmingham weiter. So meint Hammond, dass der Ex-außenminis­ter Boris Johnson keinen Sinn für Details habe, wenn es um wichtige Angelegenh­eiten wie den Eu-austritt gehe. Er verurteilt­e dessen Brexit-pläne, die einer „Fantasiewe­lt“entstammte­n. Auch erwartet der Schatzkanz­ler nicht, dass der ehemalige Chefdiplom­at Regierungs­chefin May ablösen werde. Das wiederum sehen die Fans von „Boris“, wie er nur genannt wird, völlig anders. Sie scharren ungeduldig mit den Füßen und wollen den Brexit-wortführer nicht nur in der Downing Street sehen, sondern fordern weiter den härtest möglichen Bruch mit Brüssel.

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