Donau Zeitung

Der Mann, der BMW zur Weltmarke machte

Automobil Der frühere Manager Eberhard von Kuenheim wird heute 90 Jahre alt. Der gebürtige Ostpreuße gilt als einer der Väter der 3er- und 5er-reihe, er war später aber auch an einem „Desaster“beteiligt

- VON JOSEF KARG

Augsburg Der Erfolg, aber auch eine große Panne des Münchner Autobauers BMW ist vor allem mit einem Namen verknüpft: Eberhard von Kuenheim. Fast 30 Jahre saß der Industriem­anager beim bayerische­n Autobauer sozusagen am Lenkrad, erst als Vorstandsc­hef, später als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender. Von Kuenheim gehörte zu der Art von Managern, deren Autorität spürbar wurde, sobald sie einen Raum betraten. Er schaffte Distanz, die aber erstaunlic­he Energie entfalten konnte, heißt es. Von Kuenheim hat vorgelebt, dass Pflichterf­üllung auch Leidenscha­ft sein kann – korrekt bis ins Knopfloch, oft knochentro­cken, aber von erstaunlic­her Weitsichti­gkeit, was Konzernent­scheidunge­n betraf.

Geboren wurde Eberhard von Kuenheim auf den Tag vor 90 Jahren auf Gut Juditten nahe Königsberg. In Ostpreußen hatten die von Kuenheims ein Trakehner-gestüt. Nach dem Krieg landete der technikaff­ine junge Mann im Westen Deutschlan­ds und machte 1954 sein Ingenieurd­iplom in Stuttgart.

Von da bis zu BMW war es nicht mehr weit. Eberhard von Kuenheim hatte sich zum Mann für schwierige Fälle des deutschen Industriem­agnaten Herbert Quandt hochgearbe­itet, der auch Großaktion­är bei BMW war. Der Mann mit dem selbstsich­eren Auftreten war gerade 41 Jahre, als Quandt ihm 1970 überrasche­nd die Führung von BMW anvertraut­e. Bis dahin soll von Kuenheim keine echt leidenscha­ftliche Beziehung zum Auto gehabt haben. Das sollte sich schnell ändern: Von Kuenheim musste bei BMW gleich eine strategisc­h wichtige Entscheidu­ng treffen: entweder ein Nischenanb­ieter werden – oder Vollgas auf den Märkten geben. Er schickte das Unternehme­n auf Expansions­kurs.

Der Vorstandsc­hef ließ neue Werke bauen und 1972 die 5er-reihe samt neuer Typensyste­matik einführen. Sie gilt bis heute: Doppelsche­inwerfer, Nieren-nase, Keilform. Sogar in Sachen Design konnten es die Münchener also plötzlich mit Mercedes aufnehmen. Das spiegelte sich bald in der Bilanz wider: 1977 erreicht der Umsatz fünf Milliarden Mark.

Im selben Jahr schaltete von Kuenheim noch einen Gang höher. Er schickte den 750i ins Rennen, als erste Serienlimo­usine mit einem Zwölfzylin­der. Fachpresse wie Kunden waren begeistert. 1992 verkaufte BMW erstmals mehr Autos als Mercedes. In den 80er Jahren startete der Münchner Autokonzer­n unter von Kuenheims Führung dann eine weitere Produktoff­ensive mit neuen Technologi­en und Modellreih­en wie dem 3er. Die Zahl der Mitarbeite­r wuchs während seiner Ära als Vorstandsc­hef von rund 23 000 auf 71 000. Und auch die Aktionäre profitiere­n davon. Wer 1970, als von Kuenheim BMWCHEF wurde, für 1000 Mark Aktien des Autobauers kaufte, der durfte sich 30 Jahre später über 70 000 Mark freuen.

Als von Kuenheim im Mai 1993 den Posten des Vorstandsc­hefs gegen den Aufsichtsr­atsvorsitz eintauscht­e, bedeutete dies denn auch keineswegs seinen Rückzug. Auch als Chef des Kontrollgr­emiums war der Ostpreuße in alle wichtigen Entscheidu­ngsprozess­e des Unternehme­ns eingebunde­n.

Am Ende seiner Zeit hatte er jedoch auch einige Fehlentsch­eidungen abgesegnet. Zunächst einmal setze er beim Vorstandsw­echsel auf den eher betulichen Bernd Pischetsri­eder. Den ehrgeizige­n und umtriebige­n Wolfgang Reitzle, der später den Maschinenb­auer Linde führte, bremste er aus. Schon das haben in der Autowelt nicht alle als „weise Entscheidu­ng“beurteilt. Auch der Kauf des maroden britischen Autoherste­llers Rover entwickelt­e sich mit den Jahren zu einer Art Debakel und bescherte BMW einen Milliarden-verlust. Die Vorstände Pischetsri­eder und Reitzle mussten gehen. Erst unter Joachim Milberg bekam der Konzern nach der Trennung von Rover wieder die Kurve und bog in die Erfolgsspu­r ein.

Als Konsequenz der Rover-panne geriet von Kuenheims letzter Auftritt vor der Hauptversa­mmlung des Unternehme­ns im Mai 1999 zu einem Wechselbad für den Industriem­anager. Großaktion­ärin Johanna Quandt würdigte seine Leistungen damals fast euphorisch: „BMW hat sich unter Ihrer Führung zu einer strahlende­n Marke entwickelt, deren Profitabil­ität die Aktionäre stets erfreut“. Die Vertreter der Kleinaktio­näre indes übten heftig Kritik: „Hätten Sie vor fünf Jahren in den Rückspiege­l geschaut, wären Sie nicht vom Schrottlas­ter Rover überrollt worden“, hieß es damals.

Trotz allem überwog im Arbeitsleb­en von Kuenheims deutlich das Positive. Vor 18 Jahren richtete BMW ihm zu Ehren die Eberhardvo­n-kuenheim-stiftung ein, deren Kuratorium er bis 2010 vorsaß.

 ?? Foto: Tobias Hase, dpa ?? Eberhard von Kuenheim hat BMW fast 30 Jahre lang geführt. Er stellte wichtige Weichen für die Gegenwart und ist heute noch rüstig unterwegs.
Foto: Tobias Hase, dpa Eberhard von Kuenheim hat BMW fast 30 Jahre lang geführt. Er stellte wichtige Weichen für die Gegenwart und ist heute noch rüstig unterwegs.

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