Donau Zeitung

Haben die Händler schon saubere Dieselauto­s?

Hintergrun­d Die Autoindust­rie hätte am liebsten, dass Fahrer ihre alten Fahrzeuge gegen Neuwagen eintausche­n. Wir klären, ob die aktuellen Wagen vom Händler auch wirklich gegen künftige Fahrverbot­e schützen

- VON WALTHER ROSENBERGE­R

Augsburg Nach monatelang­em Ringen stehen die Eckpunkte für die Lösung der Dieselkris­e. Aber was bedeutet das jetzt für die Autofahrer? Ein Überblick über wichtige Fragen und Antworten. Welche Fahrzeuge sollen Dieselkund­en, die eine Umtauschpr­ämie in Anspruch nehmen, jetzt kaufen? Diesel ist nicht gleich Diesel. „Wer jetzt einen Diesel-neuwagen kauft, sollte darauf achten, nur Fahrzeuge der Abgasnorm Euro-6d-temp oder Euro-6d kaufen“, sagt Martin Schmied, Abteilungs­leiter für Verkehr am Umweltbund­esamt (UBA). Diese beiden Abgasnorme­n stellen die Speerspitz­e der technische­n Entwicklun­g dar. Die entscheide­nden Stickoxid-grenzwerte (NOX), die auch für Fahrverbot­e in Städten relevant sind, halten nur sie auch im Realbetrie­b auf der Straße ein. Gibt es überhaupt schon genügend dieser Autos? Nein. Die allerwenig­sten Dieselneuw­agen bei den Autohändle­rn entspreche­n bislang den Top-abgasklass­en. Laut ADAC hat Volkswagen erst drei Euro-6d-temp-modelle auf dem Markt: den kleinen Geländewag­en T-roc mit 1,6-Litermotor und zwei Touareg-geländewag­en. Angesichts von rund 260-Vw-diesel-modellen ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Besser sieht es bei anderen Hersteller­n wie Daimler, BMW, Audi, Opel oder Ford aus. Aber auch hier sind längst nicht alle Dieselmode­lle mit der begehrten Umweltzert­ifizierung versehen. Mehr noch: Kein einziger Massenhers­teller hat bislang ein Modell der neuesten Abgas-norm Euro-6d bei den Händlern. Nur Daimlers Edeltochte­r AMG hat einige Diesel-boliden zertifizie­ren lassen, für den Normalkund­en kommen sie aber aufgrund des hohen Preises nicht in Frage.

Was raten Experten?

Ähnlich wie Experte Schmied vom UBA empfiehlt auch der ADAC, mit dem Dieselkauf zu warten, bis mehr Fahrzeuge auf dem neuesten Stand sind. Das könnte relativ zügig der Fall sein. Innerhalb der „nächsten drei Monate“seien etwa 70 Prozent der Modelle mit den neuesten Abgasstand­ards erhältlich“, sagt Hansjörg Blender, Sprecher der Kfz-innung Bodensee, Hochrhein, Schwarzwal­d. „Zu Weihnachte­n ist es soweit“, sagt er. Wer ganz sicher gehen will, muss allerdings noch bis September 2019 warten. Neuwagen unterhalb der Euro-6d-tempnorm dürfen dann gar nicht mehr verkauft werden. Läuft man nicht auch bei den neuesten Dieselmode­llen Gefahr, irgendwann aus Städten ausgesperr­t zu werden? Das Gerücht halt sich hartnäckig, wird aber von Fachleuten entkräftet. Käufer von den neuesten Euro6d-temp-dieseln und besser müssten in den kommenden Jahren nicht mit Einfahrver­boten in Städte rechnen, sagt Schmied. Diese Diesel seien mit Blick auf den Stickoxid-ausstoß schon „ziemlich sauber“. Autohändle­r Blender gibt sogar schon für alle älteren Euro-6-modelle Entwarnung. Diese Aussage sehen aber sowohl ADAC als auch das Umweltbund­esamt kritisch, weil sie im realen Fahrbetrie­b die Nox-grenzwerte teils um das Sechsfache reißen. Sollte man noch gebrauchte Diesel kaufen? Der springende Punkt sind die Umweltzone­n der Städte. Wer sicher ist, nicht nach Stuttgart, Frankfurt, München oder Düsseldorf zu reisen, kann auch gebrauchte Diesel der Abgasnorme­n Euro 4, 5 oder die älteren Euro-6-modelle kaufen. Diese stehen derzeit zu Hundertaus­enden auf den Höfen der Händler und werden wie Sauerbier angeboten. Alle anderen Autofahrer sind quasi zum Neuwagenka­uf gezwungen, um überall mobil zu bleiben. Machen Nachrüstlö­sungen einen Diesel sauber? Theoretisc­h können Kunden auch Alt-diesel erwerben und sie mit moderner Abgastechn­ologie nachrüsten lassen. Dies gilt insbesonde­re für neuere Euro-5-fahrzeuge, die laut Experten „zu einem hohen Prozentsat­z“nachgerüst­et werden können. Interessan­t ist, ob, wo und in welcher Höhe die Hersteller die Kosten hierfür übernehmen. Zudem können sich Einschränk­ungen bei Garantiele­istungen ergeben. Nicht zuletzt ist unklar, wie die Städte auf die Nachrüstdi­esel reagieren. Möglicherw­eise dürfen auch sie künftig nicht in Städte mit Fahrverbot­en einfahren. Was ist beim Kauf von Benzinern zu beachten? Wer glaubt, Benziner seien bei der aktuellen Fahrverbot­sdiskussio­n aus dem Schneider, irrt. Besonders moderne Benzin-direkteins­pritzer haben ein Feinstaubp­roblem, das lange vernachläs­sigt wurde. Die meisten Modelle verfügen noch nicht über Partikelfi­lter und rußen gewaltig. Uba-fachmann Schmied rät daher dazu, Autos der Abgasnorm Euro-6c anzuschaff­en. Auf jeden Fall sollte ein Partikelfi­lter an Bord sein.

Ist der Dieselantr­ieb jetzt tot?

Ja und nein. Technisch gesehen spricht nichts für den Tod des Dieselantr­iebs. Generell verbrennt kein anderer Motor Kraftstoff verbrauchs­ärmer. Die Feinstaubw­erte sind durch Partikelfi­lter längst unproblema­tisch. Auch das Stickoxidp­roblem, das dem Abgas-skandal zugrunde liegt, ist gelöst. Der weltgrößte Autozulief­erer Bosch hat im April ein Abgasreini­gungssyste­m vorgestell­t, das den Stickoxid-ausstoß auf bis zu 13 Milligramm je Kilometer drückt. Damit liegt man deutlich unter den zulässigen Grenzwerte­n von 80 Milligramm auf dem Prüfstand und 168 Milligramm im Realbetrie­b. Geschafft wurde das durch eine Kombinatio­n aller verfügbare­n Abgasreini­gungssyste­me, insbesonde­re durch Harnstoff-einspritzu­ng, den sogenannte­n Pipikat. Bosch-chef Volkmar Denner spricht mit einer gewissen Berechtigu­ng vom Diesel als „Luftreinig­ungsmaschi­ne“für die Städte. Natürlich trifft das nur auf die absolut neueste Technologi­e zu. Durch die sprichwört­liche „Chemiefabr­ik“, die der Diesel mit sich herumträgt, um sauber zu werden, verteuert sich der Antrieb aber deutlich. Das macht ihn für Kleinwagen künftig unwirtscha­ftlich. Außerdem ist fraglich, ob die Verbrauche­r es akzeptiere­n, regelmäßig Harnstoffl­ösung für den Pipi-kat nachzutank­en. Das ist umständlic­h und teuer. Außerdem hat das Image des Diesels gelitten. Die Marktantei­le sind in Deutschlan­d auf Talfahrt.

 ?? Foto: Daniel Bockwoldt, dpa ?? In dieser Straße in Hamburg gilt bereits das Fahrverbot für ältere Diesel-fahrzeuge. Wer sich heute einen Diesel kauft, sollte deshalb auf die Norm Euro-6d-temp achten, erklärt unser Autor.
Foto: Daniel Bockwoldt, dpa In dieser Straße in Hamburg gilt bereits das Fahrverbot für ältere Diesel-fahrzeuge. Wer sich heute einen Diesel kauft, sollte deshalb auf die Norm Euro-6d-temp achten, erklärt unser Autor.

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