Das Ende der Kreidezeit
Unterricht soll digitaler werden
München Jeder bayerische Lehrer in jeder noch so kleinen Schule soll bald souverän mit einem Tablet umgehen können. Jeder Lehrer soll künftig auch mit digitalen Inhalten arbeiten – und zwar mit mehr als nur einem Beamer, um Arbeitsblätter an die Wand zu werfen.
Deshalb startet das Kultusministerium jetzt die nach eigenen Angaben „größte Fortbildungsoffensive, die es in Bayern je gab“: Jeder Lehrer ist verpflichtet, technisches Grundverständnis zu üben, sich interaktive Inhalte anzueignen und Fragen zum Datenschutz zu beantworten. Mehr noch: Am Institut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) gibt es ab sofort eine Art permanente Task Force für Digitalisierung. Über 20 Lehrer, Systembetreuer und Informatiker helfen in der neuen Medienabteilung bayerischen Lehrkräften in eine für sie manchmal noch fremde Welt.
Bisher erfolgte digitaler Unterricht in Bayern meist nach der Devise: „Macht mal!“Die Folge: In einer Studie der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft gibt zwar die große Mehrheit der Lehrer an, digitale Medien einzusetzen. Bei genauem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass damit oft vor allem der Beamer gemeint ist, den vier von fünf Pädagogen regelmäßig nutzen. Wenn es darum geht, Schüler interaktiv einzubeziehen,
Spaltung und Mobbing im Netz verhindern
winkt mehr als die Hälfte ab. Die neuen Digital-experten am ISB sollen das ändern und entwickeln ständig neue Tipps für digitalen Unterricht. Denn 80 Prozent der Schüler sagen in einer weiteren Umfrage, dass mehr Stoff hängen bleibt, wenn man zwischendurch ein Lernvideo schaut, im Internet recherchiert oder Inhalte interaktiv aufbereitet werden.
Karin Oechslein, die das ISB leitet und mit ihrem Team die bayerischen Lehrpläne mitentwickelt, sieht noch eine zweite, mindestens genauso wichtige Aufgabe der neuen Abteilung: Organisationen und Parteien etwas entgegenzusetzen, die im Internet die Gesellschaft spalten wollen. Die jüngste Kampagne der Alternative für Deutschland bestätigt sie darin. In Hamburg hat die AFD eine Online-plattform freigeschaltet, auf der Schüler aus dem Unterricht heraus melden können, wenn ein Lehrer vermeintlich abfällig über die Partei spricht. In den ersten Tagen seien über 1000 Hinweise eingegangen, berichtet das rechte Compact-magazin. „Neutrale Schulen“, hat die AFD ihre Plattform genannt. „Stasi-methoden“sagen Oppositionspolitiker dazu. Schulen dürften im Internet nicht von solchen Entwicklungen überholt werden, sagt die Isb-chefin.
Das neue Referat soll noch eine weitere virtuelle Gefahr eindämmen: Cybermobbing. Jeder fünfte Jugendliche wurde schon online gemobbt, wie eine Studie der Bundeszentrale für politische Bildung zeigt. „Da müssen wir etwas tun“, sagt Oechslein. Ihr Haus arbeitet an einem Messenger, über den Schüler beleidigende Nachrichten direkt an die Lehrkraft weiterleiten können. Wie viele das tatsächlich tun werden, ist eine andere Frage: Scham und Dunkelziffer sind bei Mobbing groß. „Da müssen Profis Aufklärungsarbeit leisten.“