„Mein Vater hätte die AFD bekämpft“
Interview Vor 30 Jahren starb Franz Josef Strauß. Seine Tochter Monika Hohlmeier erzählt, dass er für sie schon mal Helmut Kohl stehen ließ, warum es Politikertypen wie ihn nicht mehr gibt und wie er die heutige Situation der CSU einschätzen würde
Über Ostern waren wir im Trainingslager in Italien. Mein Vater hat aber gesagt: Ostern ohne Moni geht nicht. Er packte meine Mutter und meinen Bruder Franz ins Auto und fuhr nach Viareggio. Mit 20 meiner Sportkameradinnen und -kameraden gingen wir Pizzaessen. Mein Vater saß mittendrin – und war selig.
Franz Josef Strauß, der Familienmensch. So kennt man ihn gar nicht...
Hohlmeier: Als wir älter wurden, hat unser Vater die Familie einfach mitgenommen auf seine Reisen. Einmal, da war ich vielleicht 16, musste er über Neujahr nach Marokko. Das war Papi-zeit – also durften wir mit. Da haben wir teilweise auch urkomische Sachen erlebt. Wir waren an Silvester beim Bruder des Königs eingeladen. Es gab ein prachtvolles Buffet, aber der Gastgeber kam nicht. Also durfte niemand das Buffet antasten. Wir hatten unglaublichen Hunger – und entdeckten zwischen all den Leckereien eine Dose Kaviar. Die war am unauffälligsten zu mopsen. Wir verschwanden zu dritt unterm Tisch – und mit uns ein Beamter der Staatskanzlei. Völlig respektlos mampfte jeder schnell einen Toast mit Kaviar und die restliche Dose haben wir dann still und leise wieder auf das Buffet gestellt. Und keiner hat’s gemerkt.
Hohlmeier: Es waren für uns aufregende Zeiten. Wir hatten keine normale Kindheit: kein regelmäßiges Familienabendessen mit beiden Eltern.
„Schon als wir Kleinkinder waren, gab es bei uns die sogenannten Papi-tage.“
Aber wir hatten einen Vater, der sich für uns interessiert hat – auch wenn er nicht viel Zeit hatte. Für mich hat er einmal Helmut Kohl stehen lassen, als ich Scharlach bekam und Rotz und Wasser heulte, weil ich nicht zur bayerischen Meisterschaft im Schwimmen durfte.
Es gab auch die Schattenseiten. Die Zeiten des Raf-terrors, mit ständiger Angst, Morddrohungen, Hetze.
Hohlmeier: Das waren turbulente und schwierige Zeiten für uns Kinder. Wir wurden teilweise auf der Straße beschimpft und bespuckt von Leuten, die von Linksextremen aufgehetzt waren. Mein Vater stand an der ersten Stelle der Mordliste der RAF. 1976 entdeckte unsere Mutter im gegenüberliegenden Hochhaus eine konspirative Raf-wohnung. Sie stand unbändige Angst um ihre Familie aus.
Wie hat sich das auf Sie ausgewirkt?
Hohlmeier: Ich habe als Kind Depressionen bekommen, was meine Mutter zum Glück erkannt hat. Ich wurde behandelt und habe gelernt, wie ich Depressionen und Angstzustände aktiv bewältigen kann.
Warum sind Sie trotzdem selbst Politikerin geworden?
Hohlmeier: Anfangs habe ich gesagt: Ein Politiker in der Familie reicht und habe mich der Sozialarbeit gewidmet. Nach dem Tod meines Vaters wurde ich erst Gemeinderätin in Vaterstetten und dann stellte mich die Junge Union als ihre Kandidatin für die Landesliste auf. So nahm alles seinen Lauf. Mich fasziniert das politische Gestalten nach wie vor, deshalb bin ich in der Politik geblieben.
OMonika Hohlmeier, 56, begleitete nach dem Tod ihrer Mutter Marianne 1984 ihren Vater bei offiziellen Anlässen und übernahm bis zu seinem Tod die Aufgaben der First Lady. Wie ihr Vater begann Hohlmeier ihre politische Karriere in der CSU schon in jungen Jahren. Von 1998 bis 2005 war sie bayerische Kultusministerin, heute ist Abgeordnete im Europaparlament.
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