Donau Zeitung

Die Angst nach der Flut

Indonesien Niemand weiß bislang, wie verheerend die Auswirkung­en des Tsunamis auf der Insel Sulawesi sind. In manche betroffene Gebiete haben es die Helfer noch gar nicht geschafft

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Palu Zu normalen Zeiten lockt das Prince-john-tauchresor­t Urlauber mit deutschem Management, mit Ferien „weit weg vom Massentour­ismus“und mit Wasser, das türkisfarb­ener kaum sein könnte. Jetzt sind sie dort froh, wenigstens mit dem Leben davon gekommen zu sein. Die 15 Bungalows liegen an der Westküste von Indonesien­s viertgrößt­er Insel Sulawesi, an der Spitze der Bucht von Palu.

Das ist die Gegend, wo die Erde am Freitagabe­nd besonders stark gebebt hat und der Tsunami als erstes auf die Küste traf. Die zwei Dutzend Touristen, die dort gerade Urlaub machen, größtentei­ls Deutsche, haben die Katastroph­e alle überlebt. „Mit einem Mal kam mit gewaltiger Wucht eine riesige Menge Wasser auf uns zu“, erinnert sich Tauchlehre­rin Anna Kirstein. „Aber wir hatten großes Glück. Keiner unserer Gäste ist verletzt.“

Andernorts liegen am Montag unter den Palmen immer noch Leichen. Man sieht Helfer, die mit den Händen graben. Bagger, die Massengräb­er ausheben. Leichensäc­ke in Gelb und Orange. Immer noch hat niemand eine Ahnung, wie groß das Ausmaß dieser Katastroph­e ist. Die Behörden beziffern die Zahl der Todesopfer inzwischen auf mindes- tens 844. In manche Gebiete haben es die Helfer aber noch gar nicht geschafft.

Die indonesisc­he Hilfsorgan­isation Aksi Cepat Tanggap geht von mindestens 1200 Toten aus. Die Not der Überlebend­en ist groß. Viele beschweren sich darüber, dass sie von den Behörden allein gelassen werden. „Hier hilft uns niemand, nicht einmal mit einem Glas Wasser“, sagt Mahmud, ein älterer Mann in Palu. Er hat seine Frau verloren. Die Leiche musste er selber aus den Trümmern graben. Ein Nachbar, Amir Sidiq, erzählt: „Hier ist nicht einmal jemand, um Beisetzung­en zu organisier­en. In ein oder zwei Tagen wird es nach Leichen riechen.“Dass es an einigen der wichtigste­n Dinge fehlt, geben auch die Behörden zu.

Der Leiter der staatliche­n Suchtrupps in Palu, Nugroho Budi Wiryanto, sagt: „Es gibt kaum schweres Gerät und praktisch keinen Treibstoff. Das macht uns die Rettung von Opfern sehr schwer.“Weil der Strom ausgefalle­n ist, fliegt das indonesisc­he Militär Generatore­n ein. Wenigstens der Flughafen von Palu ist wieder geöffnet, trotz der Schäden auf der Landebahn. Hinaus aus dem Gebiet kommt trotzdem kaum jemand, obwohl Tausende darauf warten und hoffen.

Angesichts all der Not bat Indonesien­s Präsident Joko Widodo um internatio­nale Hilfe – keine einfache Entscheidu­ng für den Staatschef eines 260-Millionen-einwohner-landes, der 2019 wiedergewä­hlt werden will. Das Ausmaß der Schäden ließ ihm aber keine andere Wahl. Hilfsangeb­ote gibt es: Deutschlan­d stellte in einem ersten Schritt 1,5 Millionen Euro zur Verfügung.

Weil bei dem Erdbeben zwei Gefängniss­e beschädigt wurden, konnten 769 Häftlinge fliehen. Die Regierung hat ihnen ein Ultimatum von einer Woche gesetzt, in die Haftanstal­ten zurückzuke­hren.

Langsam werden im Katastroph­engebiet die Lebensmitt­el knapp. In Palu gab es schon Plünderung­en. Und die Gäste des Prince-john-resorts werden wohl weiterhin festsitzen. „Wir haben Angst, weil wir überhaupt nicht wissen, wie wir die Leute von hier wegbekomme­n“, sagt Tauchlehre­rin Anna Kirstein.

„In ein oder zwei

Tagen wird es hier nach Leichen riechen.“

Amir Sidiq, Überlebend­er

 ?? Foto: Carl Court, Getty Images ?? Die Auswirkung­en des Tsunamis auf der indonesisc­hen Insel Sulawesi sind katastroph­al. 844 Tote sind offiziell bestätigt, aber Experten befürchten, dass es noch viel mehr Opfer gibt.
Foto: Carl Court, Getty Images Die Auswirkung­en des Tsunamis auf der indonesisc­hen Insel Sulawesi sind katastroph­al. 844 Tote sind offiziell bestätigt, aber Experten befürchten, dass es noch viel mehr Opfer gibt.

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