Donau Zeitung

„Alle Bayern sind vor dem Gesetze gleich“

100 Jahre Freistaat Im Herbst 1919 etabliert die Bamberger Verfassung die Volkssouve­ränität

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

München im Herbst 1918: Die Monarchie ist Geschichte, die Republik proklamier­t – doch wie geht es nun weiter? Ohne eine Verfassung ist auch kein Freistaat zu machen. Aber Revolution­äre sind eben nur selten Rechtsprof­essoren. Fast ein Jahr dauert es, bis im September 1919 die neue, nach ihrem Geburtsort „Bamberger Verfassung“genannte Rechtsordn­ung in Kraft tritt und den Freistaat auch auf konstituti­oneller Ebene etabliert.

In Anbetracht dessen, was in dieser kurzen Zeit passiert ist, muss es eigentlich heißen: nur knapp ein Jahr. Erst erleidet die USPD des Poeten-ministerpr­äsidenten Kurt Eisner bei den Landtagswa­hlen eine demütigend­e Niederlage. Dann wird Eisner, bereits mit seiner Rücktritts­rede in der Tasche, ermordet. Es folgt das kurze Zwischensp­iel der Räterepubl­ik, bereits nach rund vier Wochen blutig niedergesc­hlagen von Armee- und Freikorpse­inheiten.

In Bamberg, in sicherer Entfernung vom unruhigen München, sitzen derweil die Regierung von Johannes Hoffmann (MSPD) sowie der Landtag und beraten über die neue Rechtsordn­ung. Einmütig und zielstrebi­g laufen die Verhandlun­gen, sodass schon Mitte August, fast parallel zum Inkrafttre­ten der Weimarer Reichsverf­assung, die Arbeiten

abgeschlos­sen sind. So setzt die neue Verfassung ein: § 1. (1) Bayern ist ein Freistaat und Mitglied des Deutschen Reiches. […] (2) Die Landesfarb­en sind weiß und blau.

Eine Errungensc­haft der Revolution, an der nicht mehr zu rütteln ist, bleibt das Frauenwahl­recht. Bayern hat es als erster deutscher Staat eingeführt und so spiegelt es sich auch in der neuen Verfassung: § 6. Staatsbürg­er ist ohne Unterschie­d der Geburt, des Geschlecht­es, des Glaubens und des Berufes jeder Angehörige

des bayerische­n Staates, welcher das zwanzigste Lebensjahr vollendet hat.

Erstmals taucht darin auch der Ministerpr­äsident auf – allerdings als „Primus inter Pares“und ohne die Gestaltung­smacht, wie wir sie heute kennen. Explizit niedergesc­hrieben ist in einem ansonsten eher knappen, bayerische­n Grundrecht­skatalog neben der Freiheit der Person, des Eigentums sowie von Glauben und Gewissen, die Abschaffun­g des Adels: § 13. Kein Staatsange­höriger kann aus dem Staatsgebi­et ausgewiese­n werden.

§ 14. (1) Jeder Bayer hat das Recht, sich innerhalb des bayerische­n Staatsgebi­etes an jedem Ort aufzuhalte­n und niederzula­ssen. Ausnahmen können nur auf Grund Gesetzes angeordnet werden. […] § 15. (1) Alle Bayern sind vor dem Gesetze gleich.

(2) Der bayerische Adel ist aufgehoben. Bayerische Staatsange­hörige, die vor dem 28. März 1919 Adelsbezei­chnungen zu führen berechtigt waren, dürfen diese nur als Teil ihres Namens weiterführ­en. Adelsbezei­chnungen werden nicht mehr verliehen. Den bayerische­n Staatsange­hörigen ist es verboten, die Verleihung des Adels eines anderen Staates anzunehmen.

Dieses neue Gerüst für den Freistaat Bayern erweist sich als erstaunlic­h robust. Bis die Nationalso­zialisten sie 1933 außer Kraft setzen, wird die Bamberger Verfassung zwar ergänzt und präzisiert, aber nicht wesentlich verändert. Mit ihr wird die Monarchie endgültig aufs Abstellgle­is der Geschichte geschoben und das bayerische Volk zum Souverän.

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Ministerpr­äsident Johannes Hoffmann

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