Überraschung bei Ausgrabungsarbeiten
Archäologie Bevor das Baugebiet Kirchenäcker II erschlossen werden kann, laufen Ausgrabungsarbeiten. Die sind gesetzlich vorgeschrieben, die Kosten dafür müssen die Menschen vor Ort tragen. Das gefällt der Stadt Höchstädt nicht
Deisenhofen Da staunte das Ausgrabungsteam, das seit Mitte Juli am Rand von Deisenhofen die Spuren unserer Vorfahren sichert. „Schaut mal, was ich da gefunden habe“, hat einer der Mitarbeiter gerade gerufen. Vorsichtig säubert er das kleine helle kugelförmige Teil, das allem Anschein nach Menschen bearbeitet haben. Schnell sind sich die Experten einig, dass sie eine Perle gefunden haben, die 4000 bis 5000 Jahre oder noch älter ist. Denn: „Sie wurde mit datierbaren Scherben mitten in der dunklen Verfärbung gefunden“, erklärt Anja Seidel vom Archäologiezentrum Günzburg.
In der Mitte des sechsten Jahrtausends vor Christus, in der Jungsteinzeit, bauten Menschen die ersten festen Gebäude. Schon beim ersten Abschnitt des Baugebiets Kirchenäcker stellte ein Ausgrabungsteam fest, dass im Höchstädter Ortsteil schon im Neolithikum, wie diese Zeit in der Fachsprache heißt, eine Siedlung stand. Zurzeit wird der benachbarte Bereich untersucht, bevor die Stadt Höchstädt 16 weitere Bauplätze erschließen und Kanäle, Leitungen für Wasser, Strom etc. legen kann. Damit die Bauherren hinterher keine bösen Überraschungen erleben, müssen laut Dr. Johann Friedrich Tolksdorf, Referent des Landesamts für Denkmalpflege in Thierhaupten, rund 70 Prozent der Befunde genauer untersucht werden. Das sind die Bereiche, in denen nach dem Abtragen der obersten Humusschicht die veränderte Farbe des Bodens auf einen Eingriff durch Menschen hinweist.
Deisenhofen sind das Pfosten, die Grundrisse ehemaliger Häuser anzeigen. Tolksdorf erläutert: „Bei der Erschließung der Nachbargrundstücke wurde kein Brunnen gefunden, wir wussten, die Siedlung ist unvollständig.“Der Referent betont, dass die Denkmalpfleger etwas unglücklich über die Notwendigkeit solcher Ausgrabungen sind. Wenn die „Zerstörung“aber unumgänglich ist, weil sich Orte weiterentwickeln, sollte sie zumindest kontrolliert erfolgen und möglichst exakt dokumentiert werden.
Anja Seidel berichtet von den bisherigen Ergebnissen: „Wir haben Hausstrukturen aus zwei verschiedenen Epochen gefunden, aus dem Neolithikum und der frühen Eisen- zeit, etwa 800 vor Christus.“Darunter Langhäuser, für die sechs Pfosten typisch sind. Die Häuser waren in Richtung Süd-südost und Nord-nordwest ausgerichtet.
Die Zeit genau einzuordnen ist schwer, weil nur wenige datierbare Funde wie Scherben oder Werkzeuge herauskommen. Neben der Perle und verschiedenen Keramiken auch ein Hammerrohling sowie Feuersteine, die benutzt wurden, um Werkzeuge herzustellen.
Der wissenschaftliche Vorbericht mit der Dokumentation geht etwa sechs Wochen nach Grabungsende an die Stadt Höchstädt und das Denkmalamt, das auch die Funde erhält. „Wir können anschließend mehr über die Ausdehnung, die Anin zahl der Menschen und die Dauer der Siedlung sagen“, bestätigt Seidel.
Der harte Boden und die vielen Steine erschweren die Grabungen, die länger dauern als erwartet. Eigentlich sollten die Arbeiten schon abgeschlossen sein. Doch den größten Teil des Bereichs haben die Spezialisten inzwischen untersucht, die Grabungen werden schätzungsweise noch zwei bis drei Wochen dauern.
Das mit der Verzögerung hörten Bürgermeister Maneth und Stadtbaumeister Thomas Wanner gar nicht gern, denn es verschob die Erschließung weiter. Dazu kommen die höheren Kosten. Erst wenn die feststehen, kann der Grundstückspreis berechnet werden.
Dass der Freistaat Bayern das einzige Bundesland ist, das nicht einmal einen Teil der Kosten übernimmt, gefällt dem Höchstädter Stadtrat überhaupt nicht. Maneth übergibt Dr. Tolksdorf die Kopie einer Resolution, welche die Ratsmitglieder auf Antrag der Fraktion Freie Wähler/junges Höchstädt verabschiedet haben. Das Original ging an Kultusminister Bernd Sibler. Die Höchstädter halten die Ausgrabungen durchaus für wichtig, schreiben sie darin: „Archäologische Ausgrabungen dienen der geschichtlichen Aufarbeitung und dem Erhalt von frühzeitlichen Ereignissen, Bauweisen, Lebensformen und dergleichen. Damit sind sie grundsätzlich von allgemeinem Interesse und sollten somit auch von staatlicher Seite aus jeweils beauftragt und finanziert werden.“
Dass die Menschen vor Ort die Kosten in vollem Umfang tragen müssen, widerspricht nach Ansicht des Ratsgremiums „eindeutig dem permanenten politischen Credo, dass der Freistaat Bayern stets auf das Wohl seiner Bürgerinnen und Bürger bedacht ist“. In Badenwürttemberg erfolge eine Verteilung auf Land und Kommunen, während die übrigen Bundesländer die Kosten generell selbst übernehmen würden.
Dr. Tolksdorf verweist darauf, dass sich immer mehr Bundesländer an der Bayerischen Regelung orientieren, die besagt: „Wer den Zustand verändern will, muss die Kosten tragen.“Bürgermeister Maneth stellt klar: „Unser Wunsch ist, dass sich die Regierung mit dem Thema beschäftigt.“