Erst Stoiber, dann Söder
Wie Wolfgang Krebs bei seiner Watschenbaum-gala das Publikum erschreckt, die bayerische Politprominenz derbleckt – und eine politische Botschaft aussendet
Dillingen Es war ein Schock. Statt bayerischer Polit-prominenz stand da plötzlich ein glatzköpfiger Unbekannter auf der Bühne des Dillinger Stadtsaals. Er sei Kabarettist und heiße Wolfgang Krebs behauptete er. Doch niemand kannte diesen Kopf ohne Haare. Ist man doch als Frankenfastnacht-anhänger, Schwaben weißblau-fan und „Asül für alle“-dauergast auf eine andere Physiognomie konditioniert.
Zum Glück war das erst kurz vor der Pause. Und so hatte man ihn zuvor in jenen Rollen mit Zweithaar und Outfit kennengelernt, die seine Anhänger besonders lieben: Stoiber, Stoiber, Stoiber und dann noch Söder, Seehofer, Herrmann, Beckstein, Merkel, Gauck, Gemeinderat Schorsch, Schnulzensänger Meggy Montana und, und, und sogar Inge Meysel. In Stoiber-smoking, Seehofer-gebirgsschützenuniform oder Söder-frack hatte er sich in den Staatsaal eingeschlichen und dann als Thermomix-vertreter entpuppt. Problemlos konnte er in atemberaubendem Tempo wiegen, mixen, vermischen, zerkleinern, mahlen, kneten, schlagen, rühren, kochen, erhitzen. Seine Zutaten waren allerdings Silben und Floskeln, Worthülsen, Sätze und insbesondere die hohlen Phrasen und politischen Fettnäpfchen der Polit-prominenz, vorwiegend der bayerischen. Und so stoiberte, söderte oder seehoferte er witzig, und pfiffig, geistreich und vulgär, amüsant und albern über fast zwei Stunden entlang eines imaginären Watschenbaums. Diesen erhielt am Schluss unter großem Applaus eine andere Irrlichtgestalt von jenseits des Atlantiks. Auch bei dem weiß man nicht, ob es eine Perücke ist.
Ganz am Schluss, nachdem das Publikum Zugabe gefordert hatte, packte der Parodist Wolfgang Krebs in Gestalt von Markus Söder den Thermomix weg und die Zentrifuge aus. Denn eine Woche vor der Bayernwahl ist Schluss mit lustig, selbst wenn „große Schatten ihre Ereignisse vorauswerfen“. Doch wenn in der Polit-zentrifuge Teile aufgrund ihrer höheren Trägheit nach außen wandern, sogar nach ganz rechts außen, ist Gefahr im Verzug. Und dann wird aus dem Silben-rastelli Wolfgang-edmund Krebs-stoiber der politische Kabarettist Wolfgang Krebs, der eine politische Botschaft an den „mündigen Bürger“und gegen die „gefühlte Angst“im Lande aussendet. Ein politischer Kabarettist, der alle Parteien verulkt, aber gegen die Scharfmacher, Vereinfacher und Populisten zu Felde zieht. Ein politischer Kabarettist, für den nicht „die Flüchtlinge“, sondern zum Beispiel Pflegenotstand und Altersarmut die großen Themen sind. „Kennt jemand die Rentenpläne der AFD?“, fragt er und rät potenziellen Protestwählern, doch das Afd-parteiprogramm zu lesen. Der Watschenbaum fiel deshalb auch auf Beatrix von Storch und deren Partei. Und so endete dieser höchst vergnügliche Abend nicht nur in harmlosem Klamauk und Slapstick, sondern – eine Woche vor der Wahl in Bayern – in einem ernsten, urdemokratischen Appell von Wolfgangmarkus Krebs-söder: „Gehen Sie wählen“.
Floskeln und hohle Phrasen der Politiker