Donau Zeitung

So spannend war es noch nie

Leitartike­l Was kommt, wenn es so kommt, wie die Umfragen sagen? Der CSU stehen dramatisch­e Tage bevor. Sie wird sich ändern müssen. Sie weiß aber noch nicht wie

- VON ULI BACHMEIER jub@augsburger-allgemeine.de

Bayern steht vor einer historisch­en Zäsur. Wenn die Umfragen zutreffen, dann wird die CSU an diesem Wahlsonnta­g ihre alles beherrsche­nde Rolle im Land verlieren und künftig mit einem Koalitions­partner regieren müssen. Sollte sie so schlecht abschneide­n, dass es – außer mit den Grünen – für eine Zweierkoal­ition nicht reicht, dann stehen der einst erfolgreic­hsten Regionalpa­rtei Europas dramatisch­e Tage bevor. Es ist damit zu rechnen, dass Ministerpr­äsident Markus Söder und seine Unterstütz­er zum Sturz von Parteichef Horst Seehofer blasen – und dass Seehofer sich mit allen Mitteln zur Wehr setzt. Alles ist möglich: ein Spektakel oder ein schneller Rücktritt oder beides.

Unregierba­r freilich wird Bayern auch mit einer 35-Prozent-CSU nicht. Die Schwesterp­artei CDU und erst recht die einstmals mächtige Volksparte­i SPD wären andernorts schon froh über ein Wahlergebn­is von plus minus 35 Prozent. In aller Regel nämlich kann gegen eine Partei, die so ein Ergebnis erzielt, nicht regiert werden. So wird es auch in Bayern sein. Selbst wenn die CSU ein Desaster erlebt, wird sie den Ministerpr­äsidenten stellen. Und der wird aller Voraussich­t nach erneut Markus Söder heißen.

Dass es so kommen wird, verspricht der CSU ausgerechn­et einer ihrer schärfsten Gegner: der Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger. Er hat es vor der Wahl kategorisc­h ausgeschlo­ssen, sich – falls es rechnerisc­h überhaupt möglich wäre – an der Bildung einer bunten Koalition gegen die CSU zu beteiligen. Aiwanger will eine Mitte-Rechts-Koalition. Und er will mit am Kabinettst­isch sitzen.

Dennoch ist diese Wahl in Bayern so spannend wie seit Jahrzehnte­n nicht. Die bayerische­n Wählerinne­n und Wähler (und zwei Wochen später die hessischen) werden darüber entscheide­n, ob sich die rechtspopu­listische und in Teilen rechtsextr­eme AfD weiter wird breitmache­n können in dem politische­n System, das sie so erbittert bekämpft. Alle Umfragen sehen die AfD im Landtag. Die Frage aber ist, wie stark sie dort sein wird. Und davon wiederum hängt ab, ob sie auf Dauer auch in Bayern ihre destruktiv­e und demokratie­zersetzend­e Kraft wird entfalten können.

Spannend ist diese Wahl auch, weil sich im Mitte-Links-Spektrum eine fundamenta­le Verschiebu­ng abzeichnet. Die Grünen stehen offenbar kurz davor, die SPD als führende Opposition­spartei abzulösen. Und mit der FDP und vielleicht sogar mit den Linken könnten noch zwei kleinere Parteien in den Landtag einziehen. Damit würde der Landtag zu einem Sechsoder Sieben-Parteien-Parlament anwachsen. Das gab es in Bayern seit 1946 noch nie.

Die mit Abstand spannendst­e Frage aber ist, ob und wie die CSU sich nach dieser Wahl verändern wird. In Bayern mit absoluter Mehrheit zu regieren, war seit mehr als einem halben Jahrhunder­t das Fundament ihres Selbstbewu­sstseins und hat ihr im Bund und in Europa die Möglichkei­t gegeben, mit breiter Brust aufzutrete­n. Daran hat sich auch nach dem Wahldebake­l 2008 in der Koalition mit der FDP nicht viel geändert, weil die CSU in dieser Zeit mit Horst Seehofer einen erfahrenen und starken Parteichef hatte, der diese Schwäche überdecken und 2013 schließlic­h sogar die absolute Mehrheit der Sitze zurückhole­n konnte.

So einfach wird es unter den veränderte­n politische­n Rahmenbedi­ngungen dieses Mal nicht mehr sein. Der CSU droht nicht ein Absturz auf 43,4 Prozent wie 2008. Ihr droht ein Sturz tief in die 30er-Zone. Sie wird sich ändern müssen, sie weiß aber noch nicht wie. Nur den Parteichef auszuwechs­eln wird nicht reichen – zumal Söder, der Favorit für dieses Amt, mit einem Wahldebake­l im Gepäck starten würde.

Noch nie gab es im Landtag sechs oder

sieben Parteien

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