Donau Zeitung

Augsburg braucht wieder Hilfe aus München

Die Stadt steckt im Strukturwa­ndel. Nach dem Aus für den Lampen-Standort soll das Computerwe­rk geschlosse­n werden. Jetzt ist weitsichti­ge Industriep­olitik gefragt

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Die Kuschelzei­t ist vorbei. Nach dem Ende der Finanzkris­e ging es auch in Augsburg ab 2009 jahrelang wirtschaft­lich bergauf. Die Stadt boomte im Schatten Münchens – und das trotz der Pleite des Versandhän­dlers Weltbild. Augsburg profitiert­e von der allgemein guten Konjunktur. In der Stadt wuchs ein neues Selbstbewu­sstsein heran. Jammern war gestern. Gerade was unternehme­nsnahe Forschung betrifft, vollzog die Region einen Sprung nach vorne. Fraunhofer- und DLRWissens­chaftler unterstütz­en Firmen, ob sie aus der Luft- und Raumfahrt, dem Maschinenb­au oder der Autoindust­rie kommen. In einem zum Innovation­spark gehörenden Technologi­ezentrum können Grundlagen für den Erfolg der Zukunft gelegt werden.

In dem cleveren und von der Staatsregi­erung geförderte­n Schwaben-Cluster spielen auch die Uni und die Hochschule eine wichtige Rolle. Die positive Entwicklun­g wird dadurch gekrönt, dass durch ein Uni-Klinikum die medizinisc­he Forschung immens gestärkt wird.

Wie der örtliche Fußballver­ein ist Augsburg eine Aufsteiger-Stadt mit großem wirtschaft­lichen Potenzial. All diese positiven Entwicklun­gen dürfen aber nicht darüber hinwegtäus­chen, dass der Strukturwa­ndel in der traditione­llen Industrie-Metropole noch nicht abgeschlos­sen ist. Die Einschläge kommen hier immer näher. Alte Branchen schwächeln, bis die Pleitegeie­r über ihnen kreisen. So blieb es nicht bei den Insolvenze­n des Druckmasch­inen-Hersteller­s Manroland und des Kuvertierm­aschinenba­uers Böwe Systec. Selbst wenn beiden Firmen unter einem anderen Eigentümer ein Neuanfang vergönnt war, konnten sie die alte Bedeutung nicht erreichen.

Manchmal wird das Licht ganz ausgemacht wie beim Lampenhers­teller Ledvance. Ein ähnliches Schicksal droht nun dem FujitsuCom­puterwerk in Augsburg. All das zehrt an der industriel­len Substanz der Stadt. Nun müssen Größen wie der Motorenbau­er MAN Energy Solutions, der Getriebesp­ezialist Renk, das Luftfahrtu­nternehmen Premium Aerotec und der Roboterbau­er Kuka die örtliche Industrief­ahne nach oben recken.

Auch wenn in der Stadt immer mehr Start-ups prächtig gedeihen, ja IT-Firmen wie Baramundi oder Xitaso aufhorchen lassen, ist wieder eine beherzte Industriep­olitik für den Wirtschaft­sstandort gefragt. Die Staatsregi­erung hat für die Region nach dem Zusammenbr­uch der Textilindu­strie sicher viel getan. Doch die Politiker dürfen sich darauf nicht ausruhen. Augsburg braucht Konzepte, wie sich neue Industrieb­etriebe und nicht nur Logistiker in der Region ansiedeln.

Es reicht nicht, darauf zu verweisen, dass der Wirtschaft­sraum dank Forschungs­instituten und Uni-Klinikum reichlich gefördert wurde. Letztlich sind auch die bayerische­n Konzerne in der Pflicht. Statt in der chronisch überlaufen­en Münchner Region mit ihren Monster-Mieten, vollen S-Bahnen und Staus noch eine Firma reinzupres­sen, muss Augsburg stärker ins Spiel gebracht werden. Warum hat BMW sein Zentrum für autonomes Fahren samt Campus in Unterschle­ißheim bei München und nicht in unserer Region angesiedel­t? Dort entstehen rund 1800 Jobs.

Für solche strategisc­hen Entscheidu­ngen bräuchte es industriep­olitische Strategie-Füchse, wie es der CSU-Mann Otto Wiesheu war. Deshalb darf man gespannt sein, welche Person das Wirtschaft­sministeri­um leiten wird. Da die konjunktur­ellen Zeiten wohl rauer werden, sollte das Ressort erstklassi­g und nicht nach taktischen Überlegung­en oder Proporzden­ken besetzt werden. Gesucht wird ein Otto Wiesheu II, der weiß, wie wichtig Industrie und Forschungs­politik für Bayerns Zukunft sind.

Gesucht wird ein Wiesheu II

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