Der Iran freut sich zu früh
Der mutmaßliche Mord an einem saudischen Journalisten wird in Teheran als Chance gesehen, seine Position im Machtkampf mit dem Golfstaat zu verbessern. Doch es gibt gute Gründe dafür, dass diese Rechnung nicht aufgehen wird
stehen. Doch die Probleme bleiben. Im Syrien-Konflikt hat die partielle Zusammenarbeit mit Russland einen erheblichen Knacks erhalten, seitdem sich Moskau in letzter Minute dazu entschieden hat, Verhandlungen einem Angriff auf die eingeschlossene Region Idlib vorzuziehen. Bitter für Teheran: Der Iran saß gar nicht erst mit am Tisch, als das Abzugsprogramm für islamistische Kämpfer beschlossen wurde. Gleichzeitig wird die wirtschaftliche Lage im Iran immer prekärer. Die gegen den Willen der Europäer von Trump betriebene Aufkündigung des Atomabkommens zeigt – flankiert von neuen Sanktionen – Wirkung. Allerdings besteht die Gefahr, dass sie den politischen Hardlinern im Iran zugutekommt und die Gefahr für Israel eher noch erhöht.
Der unverstellte Blick auf den Charakter des saudischen Königreiches muss Konsequenzen haben. Zeigt er doch, dass auch die Saudis für den Westen kein verlässlicher strategischer Partner sein können. Das bedeutet nicht, dass man mit Riad nicht mehr reden und verhandeln sollte. Es war und ist ja auch richtig, dass Europa die Kontakte zum Iran nicht kappt. Die Wirtschaftsbeziehungen mit den reichen Saudis werden die Krise überdauern. Deutsche Waffenlieferungen sollten hingegen bis auf Weiteres eingestellt werden. Sie widersprechen ganz klar den Richtlinien für derartige Rüstungsexporte. Spätestens seit Beginn des Jemen-Krieges sind sie nichts anderes als ein politischer Tabubruch.
Der Druck auf den Iran muss selbstverständlich aufrechterhalten werden. Der Westen ist sich einig, dass Teheran nicht über Nuklearwaffen verfügen darf. Dieser Grundsatz führte letztlich zum Atomabkommen. Wer das Land durch immer schärfere Sanktionen destabilisieren will, geht ein unkontrollierbares Risiko ein.
Seit US-Präsident Donald Trump angekündigt hat, das wichtigste nukleare Abrüstungsabkommen zu beenden, wächst die Sorge vor einem atomaren Wettrüsten. Der Flirt mit der Eskalation weht einen Hauch des Kalten Krieges über die Welt. Am Donnerstag informierten die USA die Nato-Partner offiziell über ihre Pläne. Aus Bündniskreisen hieß es, die Atmosphäre sei angespannt gewesen. Hochrangige Politiker und angesehene frühere Parteichefs warnen inzwischen davor, Errungenschaften der vergangenen Jahre leichtsinnig aufs Spiel zu setzen.
„Es wird keinen Sieger in einem ,Krieg jeder gegen jeden‘ geben – besonders wenn es in einem Atomkrieg endet“, schrieb der ehemalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow in einem Gastbeitrag für die Ein unritterliches Wettrüsten und allgemeines Misstrauen würden das Risiko erhöhen. Es gebe immer noch zu viele Atomwaffen auf dieser Welt, so Gorbatschow, der 1987 den sogenannten INF-Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten und der damaligen Sowjetunion mit unterzeichnet hatte. Dieser verbietet beiden den Bau und den Besitz landgestützter atomar bewaffneter Marschflugkörper und Raketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern.
Auch aus Deutschland kommen mahnende Worte – gebündelt in einer ungewöhnlichen Initiative. Von Hans-Jochen Vogel über Gerhard Schröder bis Martin Schulz: Neun ehemalige SPD-Vorsitzende warnen wegen des Kurses von Trump gemeinsam vor einer akuten atomaren Gefahr für Europa. Eine Eskalation werde damit wahrscheinlicher, fürchten sie.