Bald an der Macht?
Am Sonntag könnte der Rechtspopulist Jair Bolsonaro Präsident werden
In Brasilien sind am Sonntag knapp 150 Millionen Stimmberechtigte zur Stichwahl um die Präsidentschaft aufgerufen. Der rechtspopulistische Ex-Militär Jair Bolsonaro geht als klarer Favorit ins Rennen. Umfragen sagen Bolsonaro 56 Prozent der Stimmen voraus. Sein Mitbewerber Fernando Haddad (55) von der gemäßigt linken Arbeiterpartei PT liegt bei 44 Prozent, konnte allerdings in den vergangenen Tagen etwas aufholen.
Der 63-jährige Bolsonaro ist wegen rassistischer und frauenfeindlicher Aussagen umstritten. Er will die Sicherheitskräfte stärken. Vor allem mit dem Vorschlag, die „gute Bevölkerung“zu bewaffnen, um sie gegen die kriminelle zu stärken, sorgt er bei Menschenrechtsorganisationen für Entsetzen.
Bolsonaros Kritiker werfen ihm auch eine Verherrlichung der brasilianischen Militärdiktatur aus dem 20. Jahrhundert vor. Damals wurden Oppositionelle gefoltert und ermordet. Bolsonaro machte aus seiner Verehrung für ehemalige Folterknechte keinen Hehl. In den vergangenen Wochen ruderte er zurück, präsentierte sich als familienfreundlicher Ehemann, dem besonders seine siebenjährige Tochter Laura am Herzen liegt.
Im Gegensatz zu den tief im Korruptionssumpf rund um die Konzerne Petrobras und Odebrecht verstrickten etablierten Parteien ist Bolsonaro bislang frei von Korruptionsvorwürfen, auch wenn er selbst auf eine lange Laufbahn als Berufspolitiker mit unzähligen Parteiwechseln blicken kann. Vor allem die linke PT hat im Wahlkampf mit diesen Altlasten zu kämpfen. „PT Nein“lautet das Motto einer Kampagne. Dahinter steckt auch Berater Steve Bannon, der bereits Donald Trump in den USA beriet.
Mit Bolsonaro kommt voraussichtlich auch ein ganzer Familienclan an die Macht. Eduardo, 34, und Flavio Bolsonaro, 37, sind ebenfalls in der Politik aktiv.
Zurzeit wird ein giftiger AktienCocktail serviert. Alles Positive wird ignoriert und stattdessen jedes noch so kleine Haar in der Suppe dramatisiert. Die Baisse nährt die Baisse. Zunächst vermiest die Angst vor einer weltweiten Wirtschaftseintrübung wegen des von Trump losgetretenen US-chinesischen Handelskriegs die Anlegerlaune. Dieses Szenario träfe auf eine völlig überschuldete Weltwirtschaft, die zeitgleich mit zuletzt gestiegenen US-Leit- und Kreditzinsen selbst die USA in finanzielle Schwierigkeiten bringen könnte. Garniert wird das aktuelle Schreckensbild mit dem Super-GAU einer italienischen Schuldenkrise, die europäisch streut. Damit steckt die EZB in der Italien-Zwickmühle. Bleibt sie bei ihrem avisierten Ausstieg aus den Anleihekäufen, gießt sie Öl in das lodernde Feuer einer neuen Schuldenkrise. Lässt sie geldpolitische Gnade vor Stabilitätsrecht ergehen, gibt sie Italien einen Blankoscheck.
Der Stopp ihrer Anleiheaufkäufe von monatlich 15 Milliarden Euro zum Jahresende bleibt zwar das Basisszenario der EZB. Dennoch hat man auf der letzten Sitzung auf einen formalen Beendigungsbeschluss verzichtet. So ermöglichen wirtschaftliche Verwerfungen – etwa ein „harter“No-Deal-Brexit – ebenso einen geldpolitischen Zeitgewinn wie handelsseitige Konjunkturrisiken, die europäische Exportländer beeinträchtigen.
Insofern kommt die nachgebende Stimmung im verarbeitenden und Dienstleistungsgewerbe der EZB gerade recht. Insgesamt kann Draghi damit auch die Italien-Krise besänftigen, ohne dem Thema zu viel Aufmerksamkeit zu widmen. Denn eine offizielle Hilfe für Italien kann er nicht aussprechen.
Ohnehin hat sich die EZB festgelegt, ihre „Leitzinsen mindestens über den Sommer 2019 und in jedem Fall so lange wie erforderlich auf dem aktuellen Niveau“zu belassen. Dabei signalisieren deutlich abwärts gerichtete Inflationserwartungen, denen die tatsächlichen Inflationsdaten mit Verzögerung folgen, dass die Preissteigerung in der Eurozone ihren vorläufigen Höhepunkt im September erreicht hat. Eine nachhaltige Erholung an den Aktienmärkten ist nicht in Sicht.