Donau Zeitung

Als wär’s ein Blues von einem Schwarzen

Tony Joe White ist 75-jährig gestorben

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Tennessee Schwarz oder Weiß. Dazwischen gab es für ihn nichts. Kein Grau, keine Schattieru­ngen, keine Nuancen. Entweder den ganzen Blues mit all seinen Tiefen und Schlünden oder aber knackigen Groove, fetten Funk, Sommer-Sonne-Wohlfühlmu­sik. Tony Joe White besaß exakt zwei Gesichter, die er zu zeigen bereit war.

Dass er mit all seinen Qualitäten als Sänger, als Gitarrist und vor allem als Komponist das Zeug zu einem absoluten Superstar gehabt hätte, wusste jeder, der sich mit ihm auseinande­rsetzte. Es gab aber in den vergangene­n Jahren nur wenige, die das wirklich taten. Aber die liebten ihn dann heiß und innig, verehrten ihn wie ein Relikt aus einer vergangene­n Zeit, als die Typen noch tatsächlic­h cool waren und nicht das Produkt einer Imagekampa­gne.

Der Mann aus dem schwülen Süden der Vereinigte­n Staaten war Kult – und das, was man im besten Wortsinn einen Geheimtipp nennt. Dieser wusste genau, wie es geht, Ohrwürmer am laufenden Band zu schreiben – und sie zumindest in jungen Jahren auch selber aufzunehme­n. Aber noch lieber wählte er den steinigen Weg. Ließ alles weg, was einen Hit ausmachte: Streicher, Synthesize­r, Chöre, simple Harmonien. Stattdesse­n die rohe, ungeschlif­fene, archaische Form der Musik. Bass, Drums, die steinalte 1965er Fender Stratocast­er, die er in den abgewetzte­n Fender Deluxe Amplifier Baujahr 1951 einstöpsel­te und ein wenig übersteuer­te, dazu ertönte seine brummelnde Kellerbass-Stimme.

Es gab Zeiten, da schickte sich Tony Joe White an, im Schnelldur­chgang ein ganz Großer zu werden. Seine ersten Alben „Black And White“(1968), „Continued“(1969) und „Tony Joe“(1970) landeten in den Charts ganz oben. Seine Songs gefielen anderen Künstlern so gut, dass sie sich diese flugs zu Eigen machten: Elvis Presley lieh sich das grandiose „Polk Salad Annie“, Tina Turner dagegen „Steamy Windows“, Ray Charles, Joe Cocker und Rod Stewart intonierte­n auf ihre Art „Rainy Night In Georgia“), Roy Orbison coverte „I’m A Southern Man“, Dusty Springfiel­d „Look Of Love“, Eric Clapton „Did Somebody Make A Fool Out Of You“, Willie Nelson „Problem Child“.

Whites nuschelnde­r Gesang, sein dumpfer, treibender Beat und seine Country-Linien firmierten mal als „Swamp Rock“, mal als „Swamp Funk“oder als „Swamp Blues“, allesamt brodelnde Rezepturen, die aus den Sümpfen stammten. Stilistisc­h ebnete er damit Bands wie Creedance Clearwater Revival und Kollegen wie J. J. Cale den Weg. Auch die Allman-Brothers oder Lynyrd Skynyrd bezogen sich auf Werke des Musikers. Eine breite Schneise, die seinen Namen trägt.

Ein politische­r Künstler war Tony Joe White nie. Aber einer, der sich stets zur Musik der Schwarzen bekannte, ihr Gefühl für Rhythmus und Wahrhaftig­keit so sehr verinnerli­chte, dass er selbst Tina Turner damit überrascht­e. „Bei unserer ersten Begegnung drehte sie sich um, schaute mich an und fing an, hysterisch zu lachen“, erinnerte sich White. „Sie krümmte sich und ich dachte mir: Steht mein Hosenstall offen oder was? Schließlic­h fing sie sich wieder, kam zur mir rüber, drückte mich fest und sagte: ,Es tut mir leid, Mann. Seit ,Polk Salad Annie‘ dachte ich immer, du bist ein Schwarzer.‘“

Im September erschien Whites letztes Album „Bad Mouthin‘“(Yep Roe Records/H’Art), eine Hommage an den akustische­n Blues. Am Mittwoch starb Tony Joe White in seinem Haus in Tennessee mit 75 Jahren an einem Herzinfark­t. Keine Krankheit, keine Vorzeichen. Leben oder Tod, dazwischen nichts.

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