Donau Zeitung

Ein sensibler Klotz

Till Lindemann ist mit Rammstein im Ausland wahrschein­lich bekannter als der Bundespräs­ident. Dafür hat er mit der Skandal-band aber auch einiges getan

-

Dreieinhal­b Stunden. So lange hat es gedauert, bis Rammstein mehrere hunderttau­send Karten für die anstehende Stadiontou­rnee in Europa verkauft haben. Es wäre vermutlich noch schneller gegangen, wären die Vorverkauf­sstellen im Internet nicht überlastet gewesen. Rammstein ist zurück – und noch immer eine Nummer. Wahrschein­lich sogar noch größer als Helene Fischer. Und wer Rammstein sagt, sagt auch Till Lindemann. Der gebürtige Leipziger ist nicht nur Frontman und Gesicht der extrem polarisier­enden Band. Er schreibt auch die Texte zu ihren Liedern – voll von Gewalt, Sex und Todessehns­ucht. Nebenbei hat er bislang zudem zwei Gedichtbän­de veröffentl­icht, in denen es auch um Liebe geht – oder um das, was manche eben darunter verstehen.

1963 in Leipzig geboren, wuchs Lindemann in Rostock auf. Sein Vater war Werner Lindemann, der in den 70er Jahren in der DDR als Kinderbuch­autor bekannt wurde. Angeblich hat auch Sohn Lindemann bereits früh Gedichte geschriebe­n. Besser belegt ist aber seine sportliche Ader: Als Leistungss­chwimmer durfte er als Jugendlich­er sogar zu Wettkämpfe­n ins westeuropä­ische Ausland. Dort zeigte er sich aber nicht systemkonf­orm und als noch eine Verletzung dazukam, war es das mit der Sportkarri­ere.

Was blieb, ist die Figur: breites Kreuz, gut 1,90 m groß und knapp unter 100 Kilo schwer – mit Lin- demann, Vater von drei Kindern, will man lieber nicht aneinander­geraten. Das passt zu der martialisc­hen Musik, mit der Rammstein als Aushängesc­hild der „Neuen deutschen Härte“internatio­nal Karriere gemacht haben. Von Japan bis Amerika – Lindemann ist in vielen Ländern wohl bekannter als der Bundespräs­ident.

Dafür haben die Musiker, die alle aus dem Osten Deutschlan­ds stammen, aber auch einiges getan. Ständige Provokatio­n und das Austesten von Grenzen gehören seit Anfang an zu ihrem Markenkern: Sadomasoch­ismus, Inzest, Nekrophili­e, Kannibalis­mus – welches Thema auch immer gut für einen Skandal ist, Rammstein haben den Song dazu. Und eine gigantisch­e Bühnenshow. Wo sich andere Stars ganz auf die Macht von Licht und Video verlassen, lieben es Lindemann und Co. gefährlich. Um die große Feuerschau bei jedem Konzert auch unverletzt zu überstehen, ließ er sich sogar zum Pyrotechni­ker ausbilden.

Nach fast zehn Jahren Pause erscheint nun Ende des Monats das neue Album der Band. Im Frühjahr will Lindemann noch seine zweite Soloplatte drauflegen. Bis dahin hat sich wohl auch der Ärger um das Café Niesen im Prenzlauer Berg gelegt: Die Wirtin klagt, sie müsse schließen, weil Lindemann die Miete so erhöht hat. Denn das ist Lindemann auch: ein guter Geschäftsm­ann. Welche Band hat denn schon ihren eigenen Fanshop in Berlin?

Matthias Zimmermann

 ?? Foto: dpa ??
Foto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany