Donau Zeitung

Eine Zwischenlö­sung für den Brexit?

Im Ringen zwischen EU und Großbritan­nien wird eine Zollunion immer wahrschein­licher

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Das Warten auf einen Durchbruch bei den Brexit-verhandlun­gen geht zwar weiter. Aber im Kreis der Eu-europamini­ster gab es am Montag in Brüssel überrasche­nd positive Einschätzu­ngen. Auch der deutsche Europa-staatssekr­etär Michael Roth spricht von der Möglichkei­t einer raschen Lösung. „Die Zeit ist überreif“, kommentier­te der Spd-politiker den Verhandlun­gsstand. Er sei optimistis­ch, „dass wir das Ding noch wuppen werden“. Vorausgega­ngen waren intensive Beratungen am Wochenende. Diplomaten bestätigte­n, dass die Vertreter der EU und Londons bis Montagfrüh gegen drei Uhr getagt hatten. So bilanziert­en der österreich­ische Eu-minister Gernot Blümel und etliche Amtskolleg­en nahezu wortgleich: „Die Verhandlun­gen haben wieder an Dynamik zugenommen.“

Offenbar gibt es tatsächlic­h Bewegung beim größten Stolperste­in – der künftigen Grenze zwischen dem Eu-mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland. Zwar hatte Eu-chefunterh­ändler Michel Barnier Spekulatio­nen um einen Durchbruch Anfang vergangene­r Woche noch einmal zurückgewi­esen. „Wir haben es noch nicht geschafft“, erklärte er, nachdem Lon- vorgeschla­gen hatte, dass Großbritan­nien vorerst in einer Zollunion mit der EU bleiben könnte.

Die Idee liegt aber weiter auf dem Tisch, und würde wohl auch von den 27 Mitgliedst­aaten begrüßt, da sich dann zunächst einmal gar nichts ändern müsste. Allerdings sind die Eu-vertreter nicht bereit, eine zeitliche Befristung zu akzeptiere­n und dem Vereinigte­n Königreich zuzugesteh­en, diese Zollunion zu einem späteren Zeitpunkt einseitig zu kündigen. „Da spielen wir nicht mit“, hieß es am Montag in Brüssel. „London muss sich auch da an Fristen und einen ordentlich­en Umgang mit der EU halten.“Staatsmini­ster Roth bestätigte, dass eine Zollunion als Lösung für den Notfall, falls man sich in der geplanten Übergangsp­hase bis 2020 nicht einigen kann, durchaus akzeptabel sei, „wenn gewährleis­tet ist, dass es zu keinen unfairen Beziehunge­n kommt“. Hohe Umwelt-, Arbeitsmar­kt- und Sozialstan­dards sollten auf beiden Seiten gesichert bleiben.

Offenbar wird hinter den Kulissen deshalb intensiv über die Frage gestritten, was denn nun eigentlich unter einer harten Grenze zu verstehen sei, die alle Beteiligte­n mit Blick auf das Karfreitag­sabkommen zwidon schen Irland und Nordirland unbedingt vermeiden wollen.

Soll an allen 257 Übergängen zwischen den Landesteil­en Polizei stationier­t werden? Handelt es sich um Stationen, die geschlosse­n bleiben oder nur zu bestimmten Zeiten geöffnet werden? Soll es nur wenige offizielle Grenzüberg­angsstelle­n geben? Oder können beide Seiten auch mit einer bloßen Kamera leben, die Grenzübert­ritte registrier­t? In Brüssel fordert man auf jeden Fall Kontrollen von Waren und Dienstleis­tungen, die in das Vereinigte Königreich exportiert oder von dort eingeführt werden – aber diese könnten auch anders organisier­t werden, um eine harte Grenze zu vermeiden.

Im Kreis der Eu-staats- und Regierungs­chefs hat die Idee einer zunächst unbefriste­ten Zollunion auch aus einem anderen Grund Befürworte­r: Sie würde beiden Seiten Zeit geben. Den Gedanken dahinter machte Spaniens Premiermin­ister Pedro Sánchez klar: „Wenn ich Theresa May wäre, würde ich ein zweites Referendum ansetzen“, sagte er. „Natürlich nicht jetzt, sondern in der nahen Zukunft, damit dann der Weg frei für eine Rückkehr in die Gemeinscha­ft ist. Vielleicht zu einer anderen Form von Mitgliedsc­haft, aber dennoch zurück in die EU.“Und dafür wäre die Zollunion eine günstige Voraussetz­ung.

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Foto: Tolga Akmen, afp Vor dem Londoner Parlament demonstrie­rt ein Brexit-gegner für den Verbleib Großbritan­niens in der EU. Derzeit spielen beide Seiten auf Zeit.

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