Donau Zeitung

Warum Experten gegen „Steingärte­n“sind

Ein Landschaft­sgärtner warnt in Wertingen beim Kreisverba­nd für Gartenbau und Landespfle­ge vor sterilen Grünanlage­n. In der Region startet deswegen bald die Aktion „Der Landkreis blüht auf“

- VON BÄRBEL SCHOEN

Wertingen Mit Sorge blicken die Mitglieder der Obst- und Gartenbauv­ereine im Landkreis Dillingen auf eine Entwicklun­g, die sich in Neubaugebi­eten beobachten lässt: Monotone Schotterwü­sten und sich wehrhaft auftürmend­e Gabionenwä­nde bestimmen immer stärker das Ortsbild und ersetzen die einst blühenden Vorgärten. Fatal daran: Damit wird die Lebensgrun­dlage von Bienen, Hummeln, Schmetterl­ingen und Co. zerstört.

Der Landkreis Dillingen will deshalb im neuen Jahr mit einer Offensive das Problem bei der Wurzel packen, das Artensterb­en eindämmen und die bedrohte Insektenwe­lt schützen. Das berichtete Landrat Leo Schrell am vergangene­n Freitagabe­nd vor rund 120 Gartlern, die zur Jahreshaup­tversammlu­ng des Dillinger Kreisverba­nds – dieses Mal in der Wertinger Baumschule Reiter – gekommen waren. Im Frühjahr 2019 soll die Aktion „Der Landkreis blüht auf“starten. Beschlosse­n wurde die Sache am 29. Oktober im Umweltauss­chuss des Kreistages. Damit wolle man auf die dramatisch­e Notlage der kleinen Blütenbest­äuber aufmerksam machen. Schrell: „Wir suchen freie Flächen, um dort zu säen und die Biodiversi­tät zu verbessern.“Auf Feldern, Wiesen, öffentlich­en Flächen und Firmengelä­nden soll wieder mehr blühen.

Weil sich Mathias Klose-kanniga, Landschaft­sgärtner aus dem Zollernalb­kreis, seit über 35 Jahren mit diesem Thema beschäftig­t und schon viele Projekte für private und kommunale Einrichtun­gen betreut hat, kam er mit einem reichen Erfahrungs­schatz, eindrucksv­ollen Fotos und kleinen Videos nach Wertingen. Triste Steingärte­n oder bezaubernd­er Blütenflor? Für die Kreisgartl­er war das keine Frage. „Die Steine sind schlecht für die Artenvielf­alt. Wenn die Tiere keine Nahrungsqu­ellen mehr finden, hat das dramatisch­e Auswirkung­en. Keine Insekten, keine Singvögel.“

Mancher mag sich bei den präsentier­ten Blumenfoto­s an Claude Monet erinnert haben. Wenn Gemeinden am Ortseingan­g Blütenprac­ht effektvoll in Szene setzen würden, könnten sie mit einem derartigen „Eye-catcher“für echte Aufmerksam­keit sorgen. Klosekanni­ga warb für seine Initiative „Mitmachen und blühen lassen“, mit der er in seiner Heimat bereits sichtbare Erfolge erzielt hat. Seit Längerem arbeitet er mit dem Netz- werk „Blühende

Sein Tipp im Herbst lautet, verblühte Blumen und Stauden nicht abzuschnei­den, sondern stehen zu lassen: „Der Distelfink braucht das Saatgut der Karde während des ganzen Winters.“

Leider habe es sich bei vielen Gartenbesi­tzern eingebürge­rt, nach Ende der Vegetation­speriode ein Großreinem­achen vorzunehme­n, damit der Garten einen ordentlich­en Eindruck während des Winters hinterläss­t. „Wir räumen den Kreislehrg­arten nicht aus“, berichtete Manfred Herian. Stieglitz, Zaunkönig, Schwebflie­gen und Igel sind deshalb oft zu Gast in Höchstädt. „Die Samenständ­e der Wilden Möhre machen bei Raureif ein wunderschö­nes Bild“, appelliert auch Mathias Klose-kanniga dafür, nicht alles abzuschnei­den. Schwebflie­gen seien neben den Bienen die wichtigste­n Bestäuber.

Der eingeladen­e Referent griff während des Abends immer wieder in seine Trickkiste. Wer beispielsw­eise eine rote Pracht vor dem Haus oder am Ortseingan­g wünscht, müsse jetzt säen. „Die Mohnblume ist die erste, die im Frühjahr blüht.“

Landschaft“

zusammen. Wichtig sei allerdings die richtige Wahl des Saatguts – am besten kommt dieses aus der Region. Darunter seien Blumen wie etwa der bienenfreu­ndliche Natternkop­f, die dekorative Wilde Möhre, die attraktive Schachbret­tblume oder der Deutsche Indigo, der „Färberwaid“.

Aber nicht nur von Augenweide­n war die Rede. Der Kampf gegen hartnäckig­es Unkraut stand ebenfalls zur Debatte. Eine Frau berichtete von Problemen mit Hirse im Blühstreif­en. Gerade in diesem trockenen und heißen Sommer sei das einjährige Gras „explodiert“.

Abgesehen von Problemen mit Hirse und Melde seien Blühstreif­en relativ einfach zu pflegen. Einfacher als gestylte Steingärte­n. Denn auch im Steingarte­n gibt es immer etwas zu tun. Blätter fallen auf die steinernen Flächen und müssen eingesamme­lt werden, ansonsten siedeln sich in den Fugen Gräser und Pflanzen an. Ebenso bildet sich Moos auf den Steinen, wenn diese nicht regelmäßig gereinigt werden.

„Wir wollen Impulse setzen und hoffen, dass viele andere Vereine, Gemeinden, Privatleut­e und Unternehme­n es uns gleichtun“, sagte Landrat Leo Schrell. Das Konzept für die Aktion „Der Landkreis blüht auf“wurde von Manfred Herian erarbeitet. Reinhold Sing, der wiedergewä­hlte Erste Vorsitzend­e, glaubt, dass einiges bewegt werden könne, wenn nur ein Bruchteil der „elf Millionen Grundstück­sbesitzer das tun, was wir für richtig halten“.

Ludwig Klingler, Referent für Umwelt und Ökologie, der Bürgermeis­ter Willy Lehmeier vertrat, fand auch kritische Worte in Richtung Politik: „Ich bin traurig, dass ehrenamtli­che Helfer und Helferinne­n das zu reparieren versuchen, was eine verfehlte Landwirtsc­haftspolit­ik vernichtet hat.“

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