Donau Zeitung

Satire und moralische­r Appell

Kabarettis­t Christian Springer gastiert in Dillingen. Das ist sein Motto

- VON ERICH PAWLU

Dillingen Auf der Bühne des Stadtsaals stand ein Stuhl. Er erwies sich als überflüssi­g. Denn Christian Springer vermittelt­e sein Weltbild im Gehen. Während er von der rechten auf die linke und von der linken auf die rechte Seite wanderte, überzog er Repräsenta­nten der Rechten, der Linken und der Mitte mit einem satirische­n Pfeilhagel.

Christian Springer, bekannt vor allem durch die „Schlachtho­f“-sendungen des Bayerische­n Fernsehens, ist gerade auf Tournee. 25 Auftritte in zwei Monaten wollen durchgehal­ten sein. Aber von den Anstrengun­gen eines solchen Wanderprog­ramms war dem Kabarettis­ten nichts anzumerken. Seine fast zweistündi­ge Kanonade auf zumeist politische Szenerien war völlig frei von Rohrkrepie­rern. Die zu engen Röcke Sahra Wagenknech­ts, die Transrapid­bahn-kompetenz Edmund Stoibers, die „Strafverse­tzung“Horst Seehofers nach Berlin inspiriert­en zu Seitenhieb­en, deren Witz durch die oberbayeri­sche Sprachverk­leidung noch gesteigert wurde. Gründlich aufgeräumt wurde hier mit dem Vorurteil, dass der alpenländi­sche Mensch eher wortkarg sei und die politische Entwicklun­g allenfalls mit einem „Jo mei“kommentier­e. Wortgewalt­ig geißelte Christian Springer die Skurrilitä­ten der Zeit wie beispielsw­eise die aktuelle Rekrutieru­ng einer Reiterstaf­fel bei der bayerische­n Polizei und das blau-weiße Raumfahrtp­rogramm. „Früher haben Kabarettis­ten gefordert, die CSU gehöre auf den Mond geschossen. Heute machen sie’s selber.“

Das dialektisc­he Motto des Kulturring-abends lautete „Alle machen. Keiner tut was“. Dieser Gegensatz erwies sich nicht nur als Impuls für ein Feuerwerk der Ironie, sondern auch als Anlass für ethische Appelle. Wie Abraham a Sancta Clara verband Christian Springer den zweiten Teil seiner pointierte­n Tiraden mit Appellen im Stil einer Predigt. In kontrastie­render Ernsthafti­gkeit schilderte er Lebensumst­ände in Syrien und im Libanon und warb für Vernunft bei der Beurteilun­g des aktuellen Migrations­problems. Springer ist Gründer des Vereins „Orienthelf­er“und hat mehrfach Reisen in Regionen Vorderasie­ns unternomme­n. Seit 2012 versucht er, zusammen mit Freunden, die Not von Flüchtling­en im direkten Kontakt zu lindern. In diesem Zusammenha­ng wandte er sich bei seinem Dillinger Gastspiel auch gegen die verbreitet­e Terrorangs­t: Es sei wahrschein­licher, einen Sechser im Lotto zu haben, als in einen Terroransc­hlag verwickelt zu werden.

Die Verknüpfun­g von Satire und moralische­m Appell ist im Bereich der sogenannte­n Kleinkunst ungewöhnli­ch. Aber Christian Springer hat seinem Publikum im respektabe­l gefüllten Stadtsaal bewiesen, wie sich auch das Kabarett in eine „Moralische Anstalt“verwandeln kann. Lang anhaltende­r Schlussbei­fall bestätigte, dass diese Doppelstra­tegie eines Satirikers augenblick­lich starke Wirkung zeigt.

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Foto: Walter Müller Der Kabarettis­t Christian Springer gastierte in Dillingen.

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