Drogen an 14-Jährige verkauft
Eine Frau gibt Jugendlichen gegen Geld Marihuana. Jetzt muss sie dafür ins Gefängnis
Dillingen Staatsanwältin Birgit Milzarek ist mit ihrem Plädoyer zu Ende und will sich gerade wieder hinsetzen, da wird es laut im Gerichtssaal des Dillinger Amtsgerichts. Der Sohn der Angeklagten springt wutentbrannt auf, stürmt aus dem Raum und schlägt die Türe hinter sich mit einem lauten Knall zu. Die Angeklagte hält sich die Hände vors Gesicht und bricht in Tränen aus. „Ich hab das nicht gemacht“, wimmert sie. Staatsanwältin Milzarek hatte soeben eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten gefordert – ab zwei Jahren kann eine Freiheitsstrafe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. Es ist der Moment des Prozesses, an dem den Beteiligten klar wird, was auf dem Spiel steht. Es geht nicht nur um ein paar Gramm Gras, mit denen die Angeklagte gehandelt hat. Es geht darum, dass sie die Drogen an Minderjährige verkauft hat, mitunter an ein erst 14-jähriges Mädchen.
Den ganzen Prozess über hatte die 37-jährige Angeklagte aus einer Donaustadt im Landkreis die Vorwürfe vehement abgestritten. Die warf ihr unter anderem vor, 2017 einer damals 14-Jährigen in vier Fällen Marihuana verkauft zu haben – von 2,4 Gramm für 30 Euro bis zu 4,8 Gramm für 60 Euro. Des Weiteren soll sie über Wochen in mindestens einem Dutzend Fällen die Droge an zwei 17-Jährige veräußert haben. Ebenfalls in der Anklage steht der unerlaubte Besitz von 2,7 Gramm Gras.
„Das stimmt gar nicht“, sagt die Angeklagte zu Beginn. Und liefert eine Erklärung hinterher, wie es stattdessen gelaufen sei. Sie habe eine Trennung hinter sich sowie gesundheitliche Probleme gehabt. Auch der Kontakt zu ihrem Sohn sei zwischenzeitlich abgerissen. Dies alles habe auf ihre Psyche geschlagen. „Ich war komplett fertig und in psychologischer Behandlung“, sagt sie. Deshalb habe sie selbst hin und wieder einen Joint geraucht, um mit der Situation klarzukommen. „Ich habe aber nichts verkauft“, betont sie. Sie sei aufgrund ihrer angespannten finanziellen Lage selbst „auf der Suche gewesen“. Die drei jugendlichen Zeugen, allesamt aus dem Landkreis und für den Umgang mit den Drogen bereits bestraft, stellen die Situation ganz anders dar. Alle drei schildern die Umstände relativ übereinstimmend. Die Frau, die ihnen das Gras verkauft habe, hätten sie über deren Sohn kennengelernt. Im Sommer 2017 seien sie regelmäßig zu Gast bei ihr zu Hause gewesen. Dabei sei es immer wieder um Drogen gegangen. Man sei zum Teil nur aus diesem Grund zu ihr gefahren, schildert das Mädchen, das damals 14 war. In einem Schuppen hätte die 37-Jährige das Gras abgewogen und in einer Alufolie verkauft. Manchmal seien die Jugendlichen ohne Vorankündigung vorbeigekommen, manchmal habe man sich vorher über eine Whatsappgruppe verabredet. Ein solcher Chatverlauf wird während des Prozesses verlesen. Darin schreibt die 37-Jährige Sätze wie: „Wenn du was möchtest, komm vorbei.“Die Angeklagte behauptet: Dies habe nichts mit Drogen zu tun gehabt.
Auf diesem Standpunkt beharrt die Frau bis zum Plädoyer der Staatsanwältin. Diese macht deutlich, dass es keinen Anhaltspunkt gebe, den Zeugen nicht zu glauben – die Angeklagte hatte ihnen ein Rachemotiv unterstellt, unter anderem ging es um eine beendete Beziehung zu ihrem Sohn. Dazu sei es offenanklage sichtlich, dass die Abnehmer der Drogen noch keine 18 Jahre alt sind – gerade im Fall der 14-Jährigen. Die Aussagen der Zeugen in Verbindung mit den Chatverläufen ließen keine Zweifel daran, dass die Jugendlichen nicht zu normalen Treffen zur Angeklagten kamen, sondern dass es um Drogengeschäfte ging. Auch wenn die Angeklagte nicht vorbestraft sei und und es sich um nicht allzu große Mengen handelte, fordert Milzarek eine Strafe von zwei Jahren und zehn Monaten.
In diesem Moment wendet sich das Blatt. Die Angeklagte geht tränenüberströmt nach draußen und berät sich mit ihrem Anwalt. Dann gibt sie alle Vorwürfe zu. „Meine Mandantin hat sich geschämt und wollte es nicht wahrhaben“, erklärt Rechtsanwalt Georg Zengerle. Sie habe das Alter der Jugendlichen nicht ausreichend kritisch hinterfragt und stehe nun zu ihrer Verantwortung. Das Geständnis kommt allerdings zu spät und nur durch „erdrückende Beweislage“, wie es Patrick Hecken formuliert, Vorsitzender Richter des Schöffengerichts. Das noch nicht rechtskräftige Urteil: Zwei Jahre und sechs Monate – keine Bewährung also.