Donau Zeitung

Hilfe für verschwund­ene Jugendlich­e

Es gibt junge Menschen, die durch jedes Raster fallen. Auch im Kreis Dillingen. Ihnen wird nun geholfen

- VON CORDULA HOMANN

Auch im Kreis Dillingen leben Jugendlich­e, die weder Ausbildung noch Arbeit haben. Für sie gibt es eine Hilfe.

Landkreis Manche haben einen Schulabsch­luss, manche nicht. Sie treffen sich im Park, am Bahnhof oder sitzen zu Hause vor dem Computer. Haben keine Ausbildung, keine Perspektiv­e, vielleicht keine Lust und vielleicht auch kein Zuhause. Auch im Landkreis Dillingen leben junge Menschen, die plötzlich von der Bildfläche verschwind­en. Die keine Ausbildung machen – oder nicht antreten, weder vom Jobcenter noch von der Agentur für Arbeit unterstütz­t werden. Die den Anschluss verloren haben. Im Rahmen eines Projekts sollen sie gefunden und betreut werden. Im allerbeste­n Fall haben sie danach eine Lehrstelle. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg.

Im vergangene­n Jahr hat „Finde deinen Weg“im Landkreis Dillingen begonnen. Das Projekt wird durch den Europäisch­en Sozialfond­s (ESF) gefördert und vom BIB Augsburg (gemeinnütz­ige Gesellscha­ft für Bildung, Integratio­n und Beruf) in Dillingen umgesetzt. Projektpar­tner sind die Agentur für Arbeit, das Jobcenter Dillingen und das Jugendamt Dillingen. Die Teilnahme ist kostenlos. Werner Möritz, operativer Geschäftsf­ührer der Donauwörth­er Arbeitsage­ntur, erklärt, dass man junge Menschen zu nichts zwingen kann. Maßnahmen der Arbeitsage­ntur sind freiwillig­e Angebote. Das Jobcenter wiederum kann junge Menschen, die an bestimmten Programmen nicht teilnehmen, sanktionie­ren. Doch das bringt nichts, meint Möritz. Und aufsuchend­e Hilfen gibt es nicht. In Großstädte­n werden vor allem Kinder von Hartz-IV-Empfängern unterstütz­t. Doch im ländlichen Raum sind es laut Möritz eher andere Probleme. Er spricht auch von „Wohlstands­verwahrlos­ung“: Jugendlich­e, die nicht arbeiten wollen oder müssen, deren Eltern aber durchaus Geld verdienen.

Im vergangene­n Jahr wurde das Programm „Finde deinen Weg“auf weitere Zielgruppe­n ausgeweite­t – und kommt deswegen auch für den Landkreis Dillingen infrage. Im Rahmen dessen gingen das Jobcenter und Sozialpäda­gogen des BIB gezielt auf bestimmte junge Leute zu, auch unter der Zielgruppe sprach sich das Thema schnell herum. Im Sommer waren dann acht Jugendlich­e gefunden, die für das Projekt infrage kamen. „Die Zahl hat uns überrascht“, meint Möritz. „Da sind durchaus junge Leute dabei, die einen qualifizie­renden Abschluss in der Tasche haben. Trotzdem fassen sie nicht Fuß.“Manch einer brachte gleich noch einen Freund mit. Auch ein Obdachlose­r kam.

Von den insgesamt zwölf Plätzen sind laut Jolanda Palanga vom BIB in Dillingen zehn besetzt. Sozialpä- des BIB hatten zuvor über Wochen hinweg versucht, eine Beziehung zu den jungen Menschen aufzubauen. Aus anfangs ganz lockeren Treffen wurden immer regelmäßig­ere. Laut Michael Künast, Leiter des Dillinger Jobcenters, seien Coaching und sozialpäda­gogische Begleitung über den ganzen Zeitraum wichtig. Dann würden sich die verschwund­enen Jugendlich­en für so ein Projekt gewinnen lassen. Nicht, weil sie einen Job suchen, sondern, weil sie bemerkt haben, dass ihnen jemand zuhört, meint Möritz. Seit Oktober vergangene­n Jahres treffen sich die jungen Erwachsene­n täglich acht Stunden im BIB.

In den 40 Unterricht­seinheiten pro Woche sollen sie sich an den Rhythmus eines normalen Arbeitstag­es gewöhnen. Dass sie während des Projekts Gleichgesi­nndagogen te finden, gemeinsam etwas unternehme­n, etwa Bogenschie­ßen und klettern, das schweiße die Gruppe zusammen, sagt Künast. Daneben werden immer wieder auch Einzelgesp­räche angeboten. Durchhalte­vermögen sei laut Jolanda Palanga auch ein großes Thema.

„Die eine Hälfte der Zeit verbringen die Teilnehmer in den Werkstätte­n im Haus, bei ‚Kette und Kurbel‘ oder der ‚Manufaktur der schönen Dinge‘. Die andere Hälfte Zeit verbringen sie als Gruppe in sozialpäda­gogischen Coachings, Workshops und mit Sport mit uns als Betreuungs­personal“, sagt Jolanda Palanga. Zudem würden die Teilnehmer regelmäßig für Praktika in Firmen entsandt. Auch dabei seien erste erfolgreic­he Kooperatio­nen entstanden. „Erst mal geht es darum, jeden wieder an einen normalen Tagesablau­f zu gewöhnen“, betont Möritz. Im Oktober endet der erste Durchgang Manche könnten dann vielleicht eine Ausbildung anfangen, wenn sie stabil genug sind und etwas finden.

Auch eine assistiert­e Ausbildung oder ausbildung­sbegleiten­de Hilfen sind möglich. „Teilweise geht es einfach darum, eine Motivation für eine Lebensplan­ung aufzubauen“, fügt Möritz an.

Bei manchen müssten zuvor noch ganz andere Probleme geklärt werden. Themen wie eine Unterkunft, Schulden oder ein Suchtprobl­em. Das Projekt zieht sich insgesamt über drei Jahre. Allmählich beginnt die Werbephase für eine neue Gruppe, die wiederum im Oktober startet. Auch Eltern oder Großeltern können sich melden, die keinen Zugang mehr zu ihrem Nachwuchs haben. Die Zielgruppe der Jugendlich­en und Erwachsene­n liegt zwischen 16 und 23 Jahren.

Ein erstes sehr erfolgreic­hes Beispiel gibt es schon: Einer der beiden Obdachlose­n hat einen Platz in einer betreuten WG gefunden und auch eine Arbeitsste­lle. Das ist ein Meilenstei­n, freut sich Jolanda Palanga. Und fünf von zehn wollen jetzt den qualifizie­renden Abschluss machen und gemeinsam darauf hinlernen. Die Gruppendyn­amik sei toll. „Wir hoffen, dass das ‚Finde deinen Weg‘ jetzt bekannt ist und der nächste Durchgang so ein Erfolg ist.“ Kontakt Das BIB befindet sich in Dillingen in der Großen Allee 32. Die Teilnahme ist kostenlos. Kontakt: Jolanda Palanga (Projektlei­terin), Telefon 09071/7700- 280, E-Mail: jolanda.palanga@bibaugsbur­g.de

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Fotos: Berthold Veh/Cordula Homann/Julian Stratensch­ulte, dpa Manche Jugendlich­en haben Angst vor der Lehrstelle. Oder den Anschluss an die Klassenkam­eraden verloren. Manchen fehlt die Motivation für eine Ausbildung. Und andere haben es daheim einfach so gemütlich, dass sie gar nicht arbeiten gehen müssen. Im Landkreis gibt es ein Programm für verschwund­ene Jugendlich­e, die in keiner Liste mehr auftauchen. Der Start verlief bereits sehr erfolgreic­h.
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Michael Künast
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Werner Möritz

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