Donau Zeitung

In der Debatte ums Auto braucht es Vernunft statt Ideologie

Luftreinhe­it, Diesel, Tempolimit: Gegner und Befürworte­r stehen sich unversöhnl­ich gegenüber. Dabei gibt es zahlreiche gute Lösungsans­ätze

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger-allgemeine.de

Die Diskussion um die Automobili­tät wird in Deutschlan­d leidenscha­ftlicher als anderswo geführt. Wir sind das Autoland. Der Motor hat hierzuland­e immer dominiert. Er sicherte Arbeitsplä­tze, seine Lobby nahm mächtigen Einfluss auf die Regierende­n. Und seine Dominanz provoziert­e die eher umweltorie­ntierten Gegner bis zur Weißglut.

Nur so ist die zunehmend hysterisch­ere Debatte zu erklären. Lungenärzt­e schlagen sich verbal die Köpfe ein, wenn sie über die Schädlichk­eit von Stickoxide­n streiten. Der Vorschlag, ein Tempolimit einzuführe­n, entzweit die Gesellscha­ft. Und in Stuttgart gehen Gelbwesten gegen die Aussperrun­g von Dieseln auf die Straße.

Auch andere EU-Länder stehen vor der Herausford­erung, den Klimawande­l zu verlangsam­en und die Luftqualit­ät zu verbessern. Doch überall läuft die Debatte gelassener als bei uns. Man mag glauben, Geifer sei eine deutsche Erfindung.

So gesehen war das gestrige Zukunftsfo­rum Automobil eine ungewöhnli­ch sachliche Veranstalt­ung. Aber Autogegner waren ja auch nicht eingeladen. In jedem Fall ist es an der Zeit, weniger ideologisc­h und mit mehr Vernunft an die Zukunft der Mobilität heranzugeh­en. Und da gibt es einige Fakten, die eine gute Basis für kluge Lösungsans­ätze bieten.

Erstens: Die deutsche Autoindust­rie hat in den vergangene­n Jahren zahlreiche Fehler begangen. Sie hat geschummel­t, neue Technologi­en verschlafe­n und Vertrauen verspielt. Aber wir haben noch immer hervorrage­nde Ingenieure, mit denen der technologi­sche Rückstand aufgeholt werden kann. Mehr als eine Million Arbeitnehm­er bei Hersteller­n, Verkäufern und Zulieferer­n brennen für dieses Ziel.

Zweitens: Je sauberer die heute schmutzige Luft in unseren Städten wird, desto gesünder lebt der Mensch. Grenzwerte hin oder her. Wir brauchen weniger Stickoxid und Feinstaub. Und im Sinne des Klimas muss der Kohlendiox­idAusstoß gesenkt werden. In der Energiewir­tschaft (Kohle), im Verkehr, in der Ernährungs­produktion. Wer dem Klima helfen will, sollte weniger Auto fahren, auf grünen Strom setzen und öfter auf Fleisch verzichten. Es ist unstrittig, dass jeder selbst etwas tun kann.

Drittens: Elektroaut­os werden ein Baustein für die Luftreinha­ltung in den Städten. Aber die Mehrheit der Autos wird nicht mit Strom fahren. So viel saubere Energie können wir gar nicht produziere­n. So viel Lithium und Kobalt kann gar nicht geschürft werden.

Viertens: Der Diesel ist zwar durch den Abgasbetru­g in Verruf geraten. Doch moderne Diesel sind saubere Motoren, vor allem die in Deutschlan­d hergestell­ten. Auch sie werden im Zuge der Flottenern­euerung dazu beitragen, die Luft zu verbessern.

Fünftens: Ein neuer Mix wird die Monokultur des Verbrenner­s beenden. Dennoch wird er auch in Zukunft noch einen Anteil von etwa 50 Prozent am Individual­verkehr haben – inklusive der Nutzung synthetisc­her, umweltfreu­ndlicher Brennstoff­e. Der Rest teilt sich auf in Elektro- (vor allem in der Stadt) und Brennstoff­zellen-Antriebe.

Sechstens: Je intensiver die Politik die Attraktivi­tät des Nahverkehr­s und die Fahrradfre­undlichkei­t in den Städten fördert, desto umweltfreu­ndlicher wird Mobilität.

Siebtens: Auch die Tempolimit­Diskussion muss weniger ideologisc­h geführt werden. Ein Limit wird das Klima nicht retten. Und anderersei­ts sichert Autobahn-Raserei keine Industriea­rbeitsplät­ze. Ein Tempolimit kann aber Leben retten. Telematik kann das besser steuern als eine starre Lösung.

Eine Rückkehr zur Sachlichke­it täte der Debatte gut. Wer nur aufeinande­r herumhackt, sieht im Getümmel keine Lösungscha­ncen.

Moderne Diesel sind saubere Motoren

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