In der Debatte ums Auto braucht es Vernunft statt Ideologie
Luftreinheit, Diesel, Tempolimit: Gegner und Befürworter stehen sich unversöhnlich gegenüber. Dabei gibt es zahlreiche gute Lösungsansätze
Die Diskussion um die Automobilität wird in Deutschland leidenschaftlicher als anderswo geführt. Wir sind das Autoland. Der Motor hat hierzulande immer dominiert. Er sicherte Arbeitsplätze, seine Lobby nahm mächtigen Einfluss auf die Regierenden. Und seine Dominanz provozierte die eher umweltorientierten Gegner bis zur Weißglut.
Nur so ist die zunehmend hysterischere Debatte zu erklären. Lungenärzte schlagen sich verbal die Köpfe ein, wenn sie über die Schädlichkeit von Stickoxiden streiten. Der Vorschlag, ein Tempolimit einzuführen, entzweit die Gesellschaft. Und in Stuttgart gehen Gelbwesten gegen die Aussperrung von Dieseln auf die Straße.
Auch andere EU-Länder stehen vor der Herausforderung, den Klimawandel zu verlangsamen und die Luftqualität zu verbessern. Doch überall läuft die Debatte gelassener als bei uns. Man mag glauben, Geifer sei eine deutsche Erfindung.
So gesehen war das gestrige Zukunftsforum Automobil eine ungewöhnlich sachliche Veranstaltung. Aber Autogegner waren ja auch nicht eingeladen. In jedem Fall ist es an der Zeit, weniger ideologisch und mit mehr Vernunft an die Zukunft der Mobilität heranzugehen. Und da gibt es einige Fakten, die eine gute Basis für kluge Lösungsansätze bieten.
Erstens: Die deutsche Autoindustrie hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Fehler begangen. Sie hat geschummelt, neue Technologien verschlafen und Vertrauen verspielt. Aber wir haben noch immer hervorragende Ingenieure, mit denen der technologische Rückstand aufgeholt werden kann. Mehr als eine Million Arbeitnehmer bei Herstellern, Verkäufern und Zulieferern brennen für dieses Ziel.
Zweitens: Je sauberer die heute schmutzige Luft in unseren Städten wird, desto gesünder lebt der Mensch. Grenzwerte hin oder her. Wir brauchen weniger Stickoxid und Feinstaub. Und im Sinne des Klimas muss der KohlendioxidAusstoß gesenkt werden. In der Energiewirtschaft (Kohle), im Verkehr, in der Ernährungsproduktion. Wer dem Klima helfen will, sollte weniger Auto fahren, auf grünen Strom setzen und öfter auf Fleisch verzichten. Es ist unstrittig, dass jeder selbst etwas tun kann.
Drittens: Elektroautos werden ein Baustein für die Luftreinhaltung in den Städten. Aber die Mehrheit der Autos wird nicht mit Strom fahren. So viel saubere Energie können wir gar nicht produzieren. So viel Lithium und Kobalt kann gar nicht geschürft werden.
Viertens: Der Diesel ist zwar durch den Abgasbetrug in Verruf geraten. Doch moderne Diesel sind saubere Motoren, vor allem die in Deutschland hergestellten. Auch sie werden im Zuge der Flottenerneuerung dazu beitragen, die Luft zu verbessern.
Fünftens: Ein neuer Mix wird die Monokultur des Verbrenners beenden. Dennoch wird er auch in Zukunft noch einen Anteil von etwa 50 Prozent am Individualverkehr haben – inklusive der Nutzung synthetischer, umweltfreundlicher Brennstoffe. Der Rest teilt sich auf in Elektro- (vor allem in der Stadt) und Brennstoffzellen-Antriebe.
Sechstens: Je intensiver die Politik die Attraktivität des Nahverkehrs und die Fahrradfreundlichkeit in den Städten fördert, desto umweltfreundlicher wird Mobilität.
Siebtens: Auch die TempolimitDiskussion muss weniger ideologisch geführt werden. Ein Limit wird das Klima nicht retten. Und andererseits sichert Autobahn-Raserei keine Industriearbeitsplätze. Ein Tempolimit kann aber Leben retten. Telematik kann das besser steuern als eine starre Lösung.
Eine Rückkehr zur Sachlichkeit täte der Debatte gut. Wer nur aufeinander herumhackt, sieht im Getümmel keine Lösungschancen.
Moderne Diesel sind saubere Motoren