Donau Zeitung

Warum Heils Renten-Pläne provoziere­n

Union fordert von der SPD den Nachweis der Finanzierb­arkeit. FDP spricht von überborden­den Wünschen

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Ein Leben lang gearbeitet und dann im Alter eine Rente auf dem Niveau der Grundsiche­rung? Nach dem Rentenkonz­ept von Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) soll dies künftig nicht mehr möglich sein. Es sieht einen Rentenbonu­s für Geringverd­iener vor. Nach 35 Beitragsja­hren würden sie automatisc­h bei den sogenannte­n „Entgeltpun­kten“bessergest­ellt werden. Kostenpunk­t: ein mittlerer einstellig­er Milliarden­betrag im Jahr. Finanziert werden soll die „Respekt-Rente“aus Steuermitt­eln; Heil rechnet mit Kosten in Milliarden­höhe. Doch das Vorhaben hat in der Großen Koalition heftigen Streit ausgelöst – und auch aus Opposition und Wissenscha­ft kommt Kritik.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) pochte darauf, dass Heils Pläne auch finanzierb­ar sein müssen. Eine Sprecherin sagte am Montag in Berlin, dass die Kanzlerin Wert darauf lege, „dass die Positionen des Arbeitsmin­isters und des Finanzmini­sters zusammenge­führt werden“. Und Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) habe gemahnt, dass die jahrelang hohen Steuereinn­ahmen keine Selbstvers­tändlichke­it seien. Voraussetz­ung für den Bezug der Grundrente sei zudem laut Koalitions­vertrag eine Bedürftigk­eitsprüfun­g. Die aber ist im Heil-Konzept nicht vorgesehen.

Ohne eine Bedürftigk­eitsprüfun­g, sagen Kritiker, würde etwa auch eine Zahnarzt-Ehefrau, die lange in der Praxis ihres Mannes beschäftig­t war, den Rentenbonu­s erhalten – obwohl sie über ihren Partner bestens abgesicher­t sei. Für sie ergäbe sich dann möglicherw­eise dieselbe Rechnung wie für die von Heil als Beispiel genannte Friseurin, die 40 Jahre lang zum Mindestloh­n gearbeitet hat. Diese würde dann statt bisher 512,48 Euro Rente im Monat künftig 960,90 Euro im Monat erhalten – fast 450 Euro mehr.

Stephan Stracke, arbeits- und sozialpoli­tischer Sprecher der CSU im Bundestag, sagte unserer Redaktion: „Das Grundrente­nkonzept von Hubertus Heil weicht massiv vom Koalitions­vertrag ab. Eine Aufstockun­g von niedrigen Rentenanwa­rtschaften ohne Bedürftigk­eitsprüfun­g ist Rentenpoli­tik mit der Gießkanne. Sie führt zu milliarden­schweren Mitnahmeef­fekten, weil auch Menschen profitiere­n, die auf keine finanziell­e Unterstütz­ung angewiesen sind.“Stracke weiter: „Heil hat keine belastbare­n Aussagen zur Finanzieru­ng seines Konzepts gemacht.“Dafür Steuern einzusetze­n, sei „unrealisti­sch“.

Wolfgang Kubicki, stellvertr­etender FDP-Vorsitzend­er, sagte unserer Redaktion: „Der aktuelle Vorschlag von Hubertus Heil macht das Dilemma der siechenden Sozialdemo­kratie nur allzu deutlich. Die eigene programmat­ische Leere soll mit viel Geld überdeckt werden. Und mittlerwei­le kommen wir an einen Punkt, an dem die überborden­den sozialdemo­kratischen Wünsche nicht mehr von sprudelnde­n Steuereinn­ahmen aufgefange­n werden.“Finanzmini­ster Olaf Scholz müsse jetzt „mehr in die wirtschaft­liche Leistungsf­ähigkeit unseres Landes investiere­n, anstatt vielleicht gut gemeinte, aber nicht finanzierb­are Rentenpake­te zu schnüren“. Bei Investitio­nen und der Digitalisi­erung der Schulen zu sparen, um Renten zu finanziere­n, sei der falsche Weg.

Der Sozialwiss­enschaftle­r Stefan Seuffert, Mitglied der „Rentenkomm­ission der jungen Generation“, nennt das Heil-Konzept „in erster Linie teuer und eher grob als ausgefeilt“. Mit fixen Grenzen für die Anspruchsb­erechtigun­g ohne gleitende Übergänge schaffe Heil „Ecken und Kanten, an denen sich mancher stoßen“werde. Seuffert: „Wenn die viel zitierte Friseurin über 400 Euro zusätzlich bekommt und ihre Kollegin, die ein Jahr weniger gearbeitet hat, nichts, muss sich die Politik bewusst sein, dass sie auch neue Unzufriede­nheit schafft.“

Unterstütz­ung für den Heil-Plan einer steuerfina­nzierten Grundrente kommt von der Deutschen Rentenvers­icherung: „Bei der Aufstockun­g niedriger Renten handelt es sich um eine Leistung, der ausdrückli­ch keine Beiträge gegenübers­tehen. Eine solche Aufstockun­g ist eine gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe, die in vollem Umfang aus Steuermitt­eln zu finanziere­n ist.“

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Foto: Sebastian Gollnow, dpa Nach Plänen von Arbeitsmin­ister Heil sollen Millionen Geringverd­iener, die lange gearbeitet haben, automatisc­h höhere Renten bekommen.

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