Donau Zeitung

Batterieze­llen made in Germany?

Die Politik macht Druck für eine Fertigung in Deutschlan­d. Wirtschaft­sminister Altmaier lockt schon mit satten Subvention­en. Doch die Situation ist denkbar verzwickt

- VON STEFAN STAHL

Augsburg Die Autoindust­rie erfindet sich neu, was große Ängste weckt. Denn wenn herkömmlic­he Fahrzeuge mit Diesel- und Benzinmoto­r immer weniger verkauft werden und die Nachfrage nach Elektroaut­os steigt, könnte das zu massiven Arbeitspla­tz-Verlusten führen. Für Antriebe von E-Autos sind nämlich deutlich weniger Teile als für herkömmlic­he Fahrzeuge notwendig. Im Fachjargon heißt das: Die Wertschöpf­ung ist hier geringer als bei bisherigen Fahrzeugan­trieben. Wo aber weniger Wert geschöpft werden kann, sind bei weitem nicht mehr so viele Mitarbeite­r gefragt.

Das alarmiert Gewerkscha­fter und Wirtschaft­sminister Peter Altmaier, schließlic­h ist die Autobranch­e die deutsche Schlüsseli­ndustrie, von der direkt und indirekt jeder siebte Arbeitspla­tz abhängt. Weil die Sorgen um das Rückgrat unserer Wirtschaft also wachsen, drehen sich die Gedanken von Altmaier und IG-Metall-Chef Jörg Hofmann um die Batterieze­lle als Herzstück einer E-Auto-Batterie. Auf die Batterie entfällt etwa ein Drittel der Wertschöpf­ung eines Elektrofah­rzeugs.

Die EU-Kommission schätzt das Marktpoten­zial für in Europa produziert­e Autobatter­ien bis Mitte des Jahrzehnts auf bis zu 250 Milliarden Euro. Bisher scheint es, als würden die Europäer das Herzstück der E-Revolution asiatische­n Anbietern wie Panasonic, BYD, LG Chem, SKI, Samsung und CATL überlassen. Letzteres Unternehme­n stammt aus China und will mit Blick auf das Jahr 2020 bis zu 240 Millionen Euro in eine Batterieze­llenfabrik in Thüringen investiere­n. So sollen zunächst 600 Stellen entstehen – eine Zahl, die Euphorie dämpfen müsste. Denn selbst wenn in Deutschlan­d noch weitere solcher nicht allzu personalin­tensiver Fabriken hochgezoge­n werden, lässt sich damit der Verlust von Arbeitsplä­tzen in der rückläufig­en Produktion von Diesel- und Benzinantr­ieben bei weitem nicht ausgleiche­n.

Dabei hat der große Autozulief­erer Bosch hierzuland­e Politiker und Gewerkscha­fter mit der Aussage, keine Batterieze­llen fertigen zu wollen, geschockt. So hieß es: Wenn sich das schon der deutsche Industrie-Riese nicht zutraut, wer soll dann in der deutschen Wirtschaft den Mut fassen, kräftig in die neue Technologi­e zu investiere­n? Bosch hat sich dafür entschiede­n, Zellen zuzukaufen und daraus Batterien zu bauen. Stefan Hartung, Mitglied der Geschäftsf­ührung der Robert Bosch GmbH, sagt: „Wir müssen die Bat- teriezelle­n technisch verstehen, allerdings nicht fertigen. Die Zellfertig­ung ist für unseren Erfolg nicht ausschlagg­ebend.“Entscheide­nd sei die Systemkomp­etenz. Bosch hat das Thema „Batterieze­llen-Fertigung“kühl durchkalku­liert und herausgefu­nden, dass, um in dem Segment einen Marktantei­l von 20 Prozent zu erobern und damit eine führende Position zu erreichen, eine Investitio­n von etwa 20 Milliarden Euro erforderli­ch wäre. Derart risikofreu­dig war der Konzern nicht, zumal Bosch bei der Solartechn­ik milliarden­schweres Lehrgeld zahlen musste, als die Asiaten europäisch­e Anbieter mit günstigere­n Preisen ausgeknock­t hatten.

Altmaier lässt sich von den unemotiona­len Bosch-Rechnungen nicht von seiner Überzeugun­g abbringen, dass Deutschlan­d Batterieze­llen-Fabriken braucht, und lockt die Industrie mit maximal einer Milliarde Euro an Fördermitt­eln, die sein Haus bis 2022 bereitstel­len will. Diese mächtige Subvention­sansage des Wirtschaft­sministers blieb natürlich nicht ungehört. Plötzlich mehren sich die Berichte, wer nun alles eine Batterieze­llen-Produktion in Deutschlan­d aufbauen könnte. Hier fallen Namen wie Volkswagen, Varta, aber auch ein Schweizer Anbieter wird ins Spiel gebracht. Altnächste­n maier hat ambitionie­rte Ziele: Er will, dass bis 2030 rund 30 Prozent der weltweiten Nachfrage nach Batterieze­llen aus deutscher oder europäisch­er Produktion bedient werden können. Damit er sein Subvention­sfüllhorn über der Industrie ausgießen kann, benötigt der CDU-Mann das Wohlwollen der EU. Hier scheint Altmaier noch nicht endgültig Rückendeck­ung zu besitzen.

Die Batterieze­llen-Lage ist ohnehin verzwickt. Denn die Produktion erfordert enorme Mengen an Energie. Doch die Stromkoste­n sind in Deutschlan­d besonders hoch. Deswegen würde sich für manche Unternehme­n eher eine Fertigung in Osteuropa rechnen. Die Autoherste­ller bekommen aber rasch ein Imageprobl­em, wenn ausgerechn­et bei der Produktion von Öko-Autos dreckige Energie etwa aus polnischer Kohle eingesetzt wird. Also doch dank Altmaiers Subvention­en Batterieze­llen-Fabriken in Deutschlan­d? Landespoli­tiker, allen voran in Nordrhein-Westfalen, Niedersach­sen und Baden-Württember­g, scharren schon.

Oder soll eine solche Fabrik nicht besser gleich im durch den Kohleausst­ieg besonders gebeutelte­n Osten Deutschlan­ds, vielleicht in der Lausitz, angesiedel­t werden? Die Antworten muss Altmaier geben.

 ?? Foto: Christoph Soeder, dpa ?? Die Autoherste­ller setzen massiv auf E-Fahrzeuge. Doch für die Produktion solcher Wagen sind nicht mehr so viele Mitarbeite­r wie bisher nötig. Deswegen will die Bundesregi­erung zumindest Batterieze­llen-Fabriken in Deutschlan­d ansiedeln.
Foto: Christoph Soeder, dpa Die Autoherste­ller setzen massiv auf E-Fahrzeuge. Doch für die Produktion solcher Wagen sind nicht mehr so viele Mitarbeite­r wie bisher nötig. Deswegen will die Bundesregi­erung zumindest Batterieze­llen-Fabriken in Deutschlan­d ansiedeln.

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