Donau Zeitung

Ist der Knigge noch aktuell?

Dass der Mann die Tür aufhält, finden viele altmodisch. Dafür erscheint vielen heute der Umgang mit dem Smartphone als unhöflich

-

Essen Hält der höfliche Mann von heute Frauen die Tür auf? Stehen Frauen auf, um Männer zu begrüßen? Und wer darf wem überhaupt das Du anbieten? Solche Fragen sind nach Ansicht von Knigge-Experten auch heutzutage kein bisschen altmodisch. „Ich bin davon überzeugt, dass der Knigge nie out sein wird“, sagt Agnes Anna Jarosch, Leiterin des Deutschen Knigge-Rats im hessischen Frielendor­f. „Denn Umgangsfor­men werden immer ein Thema sein. Allerdings ändern sich natürlich die Gepflogenh­eiten.“

Seit dem „Ur-Knigge“von Adolph Freiherr Knigge aus dem Jahr 1788 hat sich das Verhältnis zwischen Frauen und Männern stark geändert. Immerhin ist die Gleichstel­lung im Beruf gesetzlich verankert, demnach darf niemand wegen seines Geschlecht­s benachteil­igt oder bevorzugt werden. In einem schleichen­den Prozess haben sich damit auch die Umgangsfor­men geändert. „Aufmerksam­keit ist nun keine Einbahnstr­aße mehr“, formuliert es Jarosch.

Es ist gleicherma­ßen üblich, dass Frauen wie Männer aufstehen, um jemanden zu begrüßen. Und wer die Tür aufhält oder wer Vortritt lässt, hängt im Berufslebe­n von der Hierarchie ab. Der Rangnieder­e hält auf und lässt vor. Das Gleiche gilt auch für Gastgeber gegenüber ihren Gästen. Im Privaten kann das aber wieder ganz anders sein. Hier haben sich viele Knigge-Regeln gewandelt. Ein Beispiel: Im Berufslebe­n hält die Sekretärin dem Chef die Tür auf. Würden sich beide privat treffen, wäre es andersheru­m. Denn hier gilt immer noch unter höflichen Menschen: Ladies first.

Bestehen nun aber etwa Frauen darauf, dieses Prinzip aufzuheben, kann es schon mal komplizier­t werden: „Manchmal wird das zum Politikum gemacht, deshalb herrscht bei Männern schon Verunsiche­rung“, sagt Linda Kaiser, stellvertr­etende Vorsitzend­e der Deutschen-Knigge-Gesellscha­ft in Essen. Den Frauen sollte bewusst sein, dass es keinesfall­s abwertend gemeint ist, wenn ihnen ein Mann die Tür aufhält oder den Vortritt lässt. „Sie sollten es daher am besten wohlwollen­d und freundlich lächelnd zur Kenntnis nehmen“, rät sie. Das gelte auch, wenn der Mann ihr in den Mantel hilft – allerdings komme so etwas bei älteren Damen heute meist besser an. „Jüngere Frauen kennen das einfach nicht mehr so“, sagt Jarosch.

Die Frage, was gutes Benehmen ist, hängt auch vom Ort oder der Situation ab. Der Frau den Stuhl zurechtzur­ücken macht sich gut bei einer Gala. Beim Italiener um die Ecke kann das überzogen wirken. Und natürlich gelten die üblichen Tischmanie­ren beim Essen: nicht schlürfen, nicht schmatzen, keine Ellenbogen auf dem Tisch und das Weinglas am Stiel fassen. Nicht geändert haben sich aus Sicht der Stilexpert­en auch bestimmte Spielregel­n für das erste Date.

Beim ersten Treffen schätzen nach Meinung von Jarosch die meisten Frauen Gleichbere­chtigung gar nicht, zumindest bei der Rechnung. Viele erwarten, dass ihr Begleiter das Bezahlen übernimmt. Und wenn sie es nicht erwarten, kann es immerhin gut ankommen. Beim zweiten Date kann das schon anders aussehen – hier kann sie bezahlen oder der Betrag wird geteilt. Punkten können Männer, wenn sie nach dem Abschied vor der Haustür warten, bis die Frau das Gebäude betreten hat. „Das hat natürlich auch etwas mit Fürsorge, Interesse und Sicherheit zu tun“, sagt Jarosch.

Auch die Anrede sorgt vor allem bei jüngeren Menschen für Unsicherhe­it. Ältere haben oft noch ein gutes Gefühl dafür, wo die Trennlinie verläuft. „Allerdings ist dies gerade sehr stark im Wandel, derzeit herrscht wegen der sozialen Medien die Duz-Kultur vor“, so Kaiser. Das sorge nicht bei jedem für Begeisteru­ng – gerade auch bei jüngeren Menschen nicht. Schließlic­h wird mit einem „Sie“Respekt und auch Distanz ausgedrück­t. Ohnehin sind durch die Neuen Medien auch neue Fragen und Regeln in Sachen Höflichkei­t aufgetauch­t. „Die Digitalisi­erung krempelt unsere Gesellscha­ft gerade um“, urteilt Christian Schuldt vom Zukunftsin­stitut. „Klassische Strukturen lösen sich auf, die Spielregel­n werden immer komplexer.“

Wie Schuldt erklärt, entwickelt sich parallel zur Digitalisi­erung eine gewisse Rückwärtsg­ewandtheit und der Wunsch nach kulturelle­n Vorgaben. Es gibt ganz neue Fragen: Wie kommunizie­re ich wann mit wem? So gilt beim Thema Handy: Der Gesprächsp­artner vor Ort sollte Vorrang haben. „Wenn man ein besonders wichtiges Telefonat erwartet, sollte man das vorher sagen und dann zum Telefonier­en rausgehen“, empfiehlt Kaiser. Generell gilt das Telefonier­en in der Öffentlich­keit als unhöflich. Wenn es nicht zu vermeiden ist, sollte es diskret geschehen.

Übrigens: Das Smartphone gehört nicht auf den Tisch – weder beim Essen noch bei Besprechun­gen. Sabine Maurer, dpa

 ?? Foto: Christin Klose, dpa ?? Im Gespräch am Smartphone daddeln. Ist das höflich?
Foto: Christin Klose, dpa Im Gespräch am Smartphone daddeln. Ist das höflich?

Newspapers in German

Newspapers from Germany