„Da steckt viel Herzblut drin“
Tatort-Kommissarin Ulrike Folkerts, 57, war Schirmherrin des Landsberger Independent Film Festivals. Sie erzählt von der Freundschaft zu Festivalchef Tom Bohn und den besten Filmen. Auch die #MeToo-Debatte ist Thema
Wie kamen Sie von Berlin nach Landsberg zum Snowdance Independent Film Festival?
Ulrike Folkerts: Über meine Bekanntschaft mit dem Regisseur Tom Bohn. Wir haben vor vielen Jahren einige Tatorte gedreht. In diesem Jahr den Tatort „Vom Himmel hoch“. Und es war sofort wieder vertraut zwischen uns. Bohn ist einer der Regisseure, der mich auch in anderen Produktionen und nicht nur im Tatort besetzt. Das schätze ich an ihm. Er ist ein Regisseur, der für gute Stimmung am Set sorgt. Und ich bin stolz, was er in Landsberg in Sachen Film in den vergangenen neun Tagen auf die Beine gestellt hat. Da steckt viel Herzblut drin.
Wie lange waren Sie in Landsberg beim Festival, hat es Ihnen gefallen? Folkerts: Mir hat es sehr gefallen, ich war jetzt über eine Woche in Landsberg und habe die Stadt, ihre Atmosphäre, die tolle Natur genossen. Ich war viel am Lech spazieren, beim Lechwehr und in der sogenannten Teufelsküche. Ich habe Kässpätzle gegessen und die Cafés kennengelernt. Natürlich hatte ich wenig Zeit, ich musste ja Filme gucken. Aber es war schon schön, mit meinen Kollegen entspannt essen gehen zu können. Es waren viele Schauspieler da, unter anderem meine Kollegin Lisa Bitter, die auch im Tatort mitgespielt hat. Wir hatten viel Zeit, uns auszutauschen.
Was sagen Sie zu Tom Bohns Filmauswahl beim Festival?
Folkerts: Ich hatte interessante Erlebnisse mit den Filmen. Mich hat sehr die einfühlsam erzählte Doku- über psychisch kranke Menschen in Westafrika beeindruckt. Ich wusste davon nichts, dass Menschen dort – ausgegrenzt aus der Familie – an Bäume gekettet werden. „The Demon Disease“heißt der Film, er hat mich sehr berührt.
Welcher Film hat Sie noch fasziniert? Folkerts: Eine japanische Liebesgeschichte, die den Titel „The Reverse Diaries“trägt. Sehr schöne Aufnahmen und eine wahnsinnige Geschichte. Wenn man bedenkt, dass diese unabhängigen Filmemacher nicht gefördert werden und mit wie wenig Geld sie drehen, ist es umso erstaunlicher, welch gute Leistung dabei herauskommt. Das hat mich sofort in den Bann gezogen.
Die Kurzfilme sind der Geheimtipp im Festival. Haben Sie auch diese Filmreihe besucht?
Folkerts: Ja, da waren gute Filme dabei. Allerdings hätte ich statt der reinen Themenabende – dort gab es dann einen Abend lang nur Filme mit schwarzem, schrägem Humor und viel Blut – lieber eine Mischung an allen Abenden gehabt. Ich hatte am ersten Abend dann keine Lust mehr auf so viel Blut. Das war mir zu viel.
Sie waren beim Eröffnungsfilm von Dimitri de Clercq, „You Go To My Head“, und kritisierten die Rollenverteilung im Film?
Folkerts: Ja, hier wird eine Frau mit Gedächtnisverlust von einem Mann manipuliert. Diese Geschichte war für mich nicht stimmig, nicht glaubhaft, dass sich die Frau in den wementation sentlich älteren Mann verliebt. Ich fand Kathy Bates damals in „Misery“viel besser. Deshalb habe ich angesprochen, weg vom Klischee zu gehen. Bei de Clercq wird die Frau sehr als Objekt dargestellt und man merkt sehr deutlich, wie verliebt der Regisseur auch in diese Frau war. Der Film ist eine Hommage an diese Liebe, aber vielleicht auch eine Art von Machtmissbrauch. Die Frau wird sehr oft nackt und eher schutzbedürftig gezeigt.
Machtmissbrauch beim Film, das war das Thema des Manifests beim Independent Film Festival. Hier wurden auch sexuelle Übergriffe geschildert. Was sagen Sie zu diesem Thema? Folkerts: Wichtig ist vor allem, dass darüber geredet wird, da wurde etwas in Gang gesetzt, man darf nicht wegschauen. Beim Film ist es sehr hierarchisch und viele haben Angst, ihren Job zu verlieren. Ich habe zu Beginn meiner Karriere auch eine Situation erlebt, wo mir der Produzent gleich die Hand auf den Oberschenkel gelegt hat und blöde Sprüche losgelassen hat. Man ist immer im Zwist – man will den Film machen oder braucht das Geld. Das ist wahnsinnig schwierig. Aber ich bin gegangen. Ich konnte das nicht aushalten. Man muss die Menschen stärker machen, damit alle respektvoll miteinander umgehen. Ein Nein ist ein Nein. Da würde ich jedem raten, lieber kellnern zu gehen, als sich dem auszusetzen.
Sind Sie in Landsberg oft erkannt worden?
Folkerts: Ja, und es war immer nett, egal, ob ich mir ’nen Kaffee geholt habe oder in Landsberg eine Mütze gekauft habe. Ich hatte meine nämlich vergessen.
Wie geht es denn nun weiter in Sachen Tatort? Gibt es einen neuen Dreh? Folkerts: Ja, im März, einen ganz besonderen. Eine Erinnerung an eine Produktion vor 28 Jahren in der Pampa von Ludwigshafen. Damals spielte ich mit Ben Becker, der Tatort hieß „Tod im Häcksler“. Er war der Dorfpolizist und wir waren ein wenig verliebt im Film. Jetzt sehen wir uns nach all dieser Zeit wieder.
30 Jahre Tatort, was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Folkerts: Mir macht Spaß, was ich mache. Das merkt man, denke ich. Und ich bin mit meinem Publikum älter geworden.
Außerhalb des Tatorts, welche Rolle hat Sie geprägt?
Folkerts: Ich war als erste Frau in Salzburg im „Jedermann“als Tod zu sehen. Das war ein Meilenstein in meiner Karriere.
Was kommt als Nächstes?
Folkerts: Ich habe einen Rosamunde-Pilcher-Film in Cornwall gedreht. Meinen ersten. Ich bin sehr gespannt, wie das ankommt. Danach kommen zwei Tatorte.
Interview: Alexandra Lutzenberger
● Ulrike Folkerts ist seit 30 Jahren Hauptkommissarin Lena Odenthal beim SWR-Tatort. Schauspielerisch setzt sie sich für Rollen mit Frauentypen jenseits des Klischees ein.