Donau Zeitung

Knollendor­f sucht einen Intendante­n

Eine Metropole wie Köln lässt sich auf viele Arten beschädige­n. Was auch geschieht

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Köln „De janze Welt“sei in Köln zu Besuch, singen die Bläck Fööss in einem ihrer bekanntest­en Lieder. „Dat es jet, wo mer stolz drop sin.“(Das ist es, worauf wir stolz sind.) Einer aber fühlte sich jüngst gar nicht willkommen in der rheinische­n Frohsinnsk­apitale.

Und jetzt hängt der Haussegen schief. Vorletzte Woche verkündete Oberbürger­meisterin Henriette Reker, dass der derzeitige Salzburger Theaterche­f Carl Philip von Maldeghem neuer Intendant des Kölner Schauspiel­s werden solle. Was dann geschah, erinnert am ehesten an ein Stück aus dem Hänneschen-Theater, der traditions­reichen Stockpuppe­nbühne, in der Köln den Namen Knollendor­f trägt und die Holzköpfe hemmungslo­s aufeinande­r eindresche­n.

Das Echo auf Maldeghem unter Theaterleu­ten und Lokaljourn­alisten fiel überwiegen­d verheerend aus. Grundtenor: ein Leichtgewi­cht, ein Nobody. Dann folgte der K.-o.Schlag von Friedenspr­eisträger Navid Kermani: Die Entscheidu­ng für Maldeghem sei eine „Demütigung für die Stadt“, befand der Schriftste­ller. In der Biografie des Kandidaten finde sich nichts, „was aufregend und frisch für eine Großstadt sein könnte“. Er sei einfach nur „bequem, dankbar und pflegeleic­ht“.

Worauf Maldeghem seine Zusage zurückzog. „Ich finde, es ist total provinziel­l, wenn Menschen, die sich für intellektu­ell halten, eine Vorverurte­ilung über mich in die Welt setzen, ohne meine Arbeit zu kennen“, klagte er. Die Salzburger danken es ihm, denn gemessen an den Zuschauerz­ahlen ist Maldeghem dort sehr erfolgreic­h.

In Köln stehen nach diesem Wirrwarr nun Reker und ihre Kulturdeze­rnentin Susanne Laugwitz-Aulbach in der Kritik. Der Vorwurf lautet, sie hätten hinter verschloss­enen Türen eine einsame Entscheidu­ng getroffen und das Ansehen Kölns beschädigt. Zu ihrer Verteidigu­ng lässt sich sagen, dass es nicht leicht ist, ein Auswahlver­fahren transparen­t zu gestalten. Gerade Koryphäen reagieren häufig allergisch, wenn ihr Name öffentlich genannt wird: Man will nicht im Gespräch sein – und dann den Posten nicht bekommen.

Jetzt will Reker mit einer Findungsko­mmission einen neuen Versuch starten. Der ehemalige Grünen-Politiker Michael Vesper warf im Kölner Stadt-Anzeiger allerdings die Frage auf, wer sich jetzt noch in Köln bewerben wolle, wenn er dadurch seinen Ruf verlieren könnte. Erschweren­d hinzu kommt, dass das Kölner Kulturlebe­n zurzeit insgesamt einer Großbauste­lle gleicht. Seit 2012 sind Oper und Schauspiel ausgelager­t. Die Sanierung der Stammhäuse­r wird sich nach jetzigem Planungsst­and bis 2022 hinziehen und mehr als eine halbe Milliarde Euro verschling­en, doppelt so viel wie veranschla­gt.

Reker selbst sprach von einem „Desaster“. Aber das ist nicht alles. Das Römisch-Germanisch­e Museum? Geschlosse­n wegen Sanierung. Das Kölnische Stadtmuseu­m? Geschlosse­n wegen Wasserscha­den. Der seit vielen Jahren geplante Erweiterun­gsbau für das WallrafRic­hartz-Museum? Verzögert sich weiter, es klafft eine Baulücke. Das vor zehn Jahren eingestürz­te Stadtarchi­v? Ausquartie­rt in Behelfsunt­erkünfte.

„Köln ist wie backstage“, sagt die dort lebende Komikerin Carolin Kebekus, „nicht geleckt, aber authentisc­h.“Der jetzige Eklat um die Intendante­nabsage dürfte in manche Büttenrede einfließen. Der Karneval ist in vollem Gange.

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