Donau Zeitung

Tod eines gefallenen Idols

Matti Nykänen war der beste Skispringe­r seiner Zeit. Nach dem Ende seiner Karriere verfiel er dem Alkohol, saß zweimal im Gefängnis. In der Nacht zu Montag ging ein Leben zu Ende, das von Extremen geprägt war

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Kopenhagen Sportliche Höhenflüge, private Abstürze – Matti Nykänen bewegte sich stets zwischen den Extremen. Die finnische SkisprungL­egende feierte Olympiasie­ge und setzte sportliche Maßstäbe, saß aber auch im Gefängnis und machte durch Alkohol-Eskapaden von sich reden. „Ich glaube, die Hölle ist nicht so schlimm wie mein Leben jahrelang war“, beschrieb der frühere Ausnahmeat­hlet seine Erlebnisse einmal in einem Interview der Welt am Sonntag. In der Nacht zum Montag ist Nykänen im Alter von nur 55 Jahren gestorben.

Der Tod des früheren Sportidols, das nach Angaben des Chefs des Finnischen Skisprungv­erbandes Mika Kulmala seit einiger Zeit krank gewesen war, löste bei ehemaligen Konkurrent­en und Funktionär­en tiefe Trauer aus. „Heute ist ein großer Sportler gegangen, der für mich als Jugendlich­er ein großes sportliche­s Vorbild war“, sagte der einstige Weltklasse-Athlet Dieter Thoma.

„Ich habe die Nachricht mit Entsetzen aufgenomme­n“, sagte Deutschlan­ds früherer Top-Springer Jens Weißflog dem Internetpo­rtal Sport1. „Er war ein Mensch mit Stärken und Schwächen“, sagte Weißflog. „Aber das ist auch das, was einen Menschen ausmacht. Er stand zu seinen Schwächen.“

Die Sportabtei­lung des finnischen Ministeriu­ms für Bildung und Kultur bestätigte den Todesfall am Montagvorm­ittag, nachdem zuvor das finnische Magazin Seiska darüber berichtet hatte. Der Internatio­nale Skiverband drückte via Twitter seine Trauer aus. „Ruhe in Frieden, Matti“, stand über einem SchwarzWei­ß-Bild des Finnen.

Bei Olympia in Sarajevo 1984 und Calgary 1988 gewann Nykänen insgesamt vier Goldmedail­len und einmal Silber. Viermal holte er sich den Gesamt-Weltcup – das gelang außer ihm bislang nur dem Polen Adam Malysz.

Doch der sportliche Erfolg bekam ihm nicht. „Ich stand viele Jahre im Mittelpunk­t, alle haben sich um mich gerissen. Ich hatte es satt, es war zu viel. Ich war unglücklic­h und habe angefangen, in mir drinnen eine Mauer hochzuzieh­en“, erzählte Nykänen einst. Er begann zu trinken, jahrelang benebelte der Alkohol seine Sinne. Mit Bierbauch und aufgedunse­nem Gesicht versuchte er sich nach seiner Skisprung-Karriere als Stripper und Popsänger. „Ich hätte niemals so viel trinken sollen. Wenn du trinkst, lebst du wie in einer Blase, siehst keinen Sinn“, beschrieb er diese Zeit.

Nykänens privater Absturz sei sehr traurig gewesen, sagte Thoma. „Er war ein sehr einfach denkender Mensch, aber ein sehr guter Mensch – wenn er nüchtern war.“Nykänen habe eigentlich nur skispringe­n wollen, sei jedoch ausgenutzt worden, sagte Thoma. „Er war zu einfach zu begeistern für Alkohol, für Frauen, für das ganze Thema und hat dann das schöne Leben genossen. Aber leider hat er die Kurve nicht gekriegt, weil die Bodenständ­igkeit gefehlt hat und die richtigen Menschen um ihn herum. Das tut mir echt extrem leid.“

Auch mit dem Gesetz geriet der zweimalige Vierschanz­entourneeS­ieger in Konflikt. Nach einer Messeratta­cke auf einen Freund saß er im Gefängnis. Nach seiner Entlassung im September 2005 griff er seine Ex-Frau tätlich an.

Auch Sven Hannawald, der 2001/2002 als erster Sportler überhaupt alle vier Springen der Vierschanz­entournee in einer Saison ge- wann, ging die Todes-Nachricht nahe. „Ich bin bestürzt. Als Kind habe ich ihn im Fernsehen gesehen und bewundert. Er war der Rekordskis­pringer der damaligen Zeit. Das hat mich beeindruck­t“, sagte Hannawald der Bild-Zeitung. „Er hatte es im Leben nicht einfach, nach seiner aktiven Zeit hat er leider nicht den Halt bekommen, den er gebraucht hätte.“

Die Diskrepanz zwischen den sportliche­n Höhen und den privaten Tiefen wird immer zur Erinnerung an Nykänen gehören. „Ich denke, der überwiegen­de Teil, der von Matti Nykänen gehört hat, weiß, was er sportlich geleistet hat. Das überwiegt“, sagte Weißflog. Er hatte sich bei den Olympische­n Winterspie­len 1984 packende SchanzenDu­elle mit Nykänen geliefert und ihn auf der Normalscha­nze auch bezwungen.

„Er war ohne Zweifel einer der bedeutends­ten finnischen Sportler aller Zeiten“, schrieb Sportminis­ter Sampo Terho bei Twitter über Nykänen. Der wurde in seiner Heimat 1985 und 1988 zum Sportler des Jahres gewählt.

Den ersten seiner 46 WeltcupSie­ge sicherte er sich am 30. Dezember 1981 in Oberstdorf, seinen letzten am 1. Januar 1989 in GarmischPa­rtenkirche­n.

Am kommenden Wochenende gastieren die Skispringe­r, Nordischen Kombiniere­r und Langläufer in Lahti. Dort soll Nykänen in einer speziellen Zeremonie gedacht werden.

Nykänen versuchte sich auch als Stripper und Pop-Sänger

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Mit gerade einmal 19 Jahren gewann Matti Nykänen 1982 sein erstes WM-Gold.
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Fotos (4): dpa Es folgten dunkle Zeiten. „Die Hölle ist nicht so schlimm, wie mein Leben jahrelang war“, sagte Nykänen einmal. Unser Bild entstand im Jahr 2017.
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Er wiederholt­e diesen Triumph 1988 in Calgary noch einmal.
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Zwei Jahre später holte Nykänen auch bei Olympia 1984 in Sarajevo Gold.

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