Im Zusamtal fanden sie endlich Frieden
In Buttenwiesen schildern Geflüchtete und der Helferkreis eindrucksvoll, was sich die vergangenen fünf Jahre ereignet hat
Buttenwiesen „Stellen Sie sich vor, Sie kommen aus Afghanistan in eine völlig andere Kultur. Sie sind Analphabet. Und trotzdem lernen Sie Deutsch und machen jetzt den Führerschein.“Es gibt sie, die guten Geschichten, hoffnungsvolle Beispiele von Integration. Sabine Miller erzählt an diesem Abend davon. Es gibt sie, die guten Stunden und Momente, in denen nicht Vorbehalte und Misstrauen, Missverständnisse und Verzweiflung, sondern Offenheit, Zuversicht und Freude auf beiden Seiten vorherrschen. Veranstalter und Gäste erleben diese Momente im Zehentstadel im Buttenwiesener Ortsteil Pfaffenhofen. Der Helferkreis Asyl hat eingeladen, fünf Jahre nach den gewaltigen Flüchtlingsströmen Bilanz zu ziehen. „Wie geht es Buttenwiesens Asylbewerbern?“ist das Thema, mit dem der Helferkreis und die in Buttenwiesen lebenden Geflüchteten auf ihre Situation aufmerksam machen.
Emam Ali ist der jüngste Sproß der in Lauterbach lebenden Familie Ali. Er ist zum kräftigen jungen Mann herangewachsen in den fünf Jahren, und er berichtet von der derzeitigen Lage in seinem Heimatland Syrien. Von den Splittergruppen, die sich dort immer noch bekriegen, von den vielen Ethnien, die dort leben und – wie hierzulande – noch nicht zusammengewachsen sind. Er berichtet von den Kriegen rund um Syrien, die zur Folge hatten, dass Syrien selbst viel Migration erlebte, bis auch dort der Krieg die Menschen vertrieb. „Wir suchen den Frieden, deshalb sind wir hier“, erklärt Emam die Flucht seiner Familie. Er erzählt auch vom Islam und vom Ramadan. Emam, der die Fachoberschule bei Montessori in Wertingen besucht, drückt sich überlegt aus, zeigt keine Scheu. Wie auch seine Schwester Maryam, die in fast fliesendem Deutsch anhand der Kochrezepte ihrer Mutter Einblick in die Gepflogenheiten ihres Landes gibt. Die Mutter, Geschwister und andere ausländische Familien hören interessiert zu, sitzen in Reih und Glied mit dem Helferteam, mit Bürgermeister Hans Kaltner, der die Runde begrüßt, mit den Pfarrern Mathias Kotonski und Klaus Ammich, der am Beispiel der Fastenzeit vom Christentum erzählt, und mit den Buttenwiesenern, die gekommen sind. Viele Kinder wuseln zwischen den Tischen und Bankreihen.
Sabine Miller, Maria Hagl, Martina Hahn und Katharina Hillenbrand schildern, was sich in fünf Jahren ereignet hat. 113 Personen sind nach Buttenwiesen gekommen, 47 Afghanen, 14 Türken, 41 Syrer, fünf Tschetschenen, drei Serben, zwei Menschen aus Eritrea, einer aus dem Kosovo.
Im Jahr 2019 leben noch 36 der Geflüchteten in der Gemeinde. Deren Kinder besuchen die Kitas ringsum, die Schulen, junge Männer, die ohne Familie gekommen sind, die Berufsschule. Ein guter Teil der Erwachsenen hat Beschäftigung, Jugendliche haben den Mittelschulabschluss gemacht, den Führerschein bestanden, machen Ausbildungen. Ein junger Mann studiert jetzt in Berlin. „Höchstleistungen sind das, was die Flüchtlinge geschafft haben“, sagt eine Asylhelferin.
Auch Frauen, die nicht berufstätig sind, bringen sich ein: Eine Gruppe nähte die Kostüme für die Sternsingergruppen in der Pfarrgemeinde. Die Asylbewerber – viele sind inzwischen anerkannt – machen auch mit in den Vereinen oder beteiligen sich an Märkten wie dem Adventsmarkt in Buttenwiesen. „Wir sehen deutlich, dass Integration stattfindet“, betont eine Helferin. In Buttenwiesen gehe dies gut, weil es eine hauptamtliche Koordinationsstelle im Rathaus gibt, die einzige Gemeinde im Landkreis, die sich dies leiste.
Das Helferteam berichtet aber auch, dass es nicht immer gut geht, dass die Zeit im Auf und Ab eines Asylverfahrens ein wichtiger Faktor ist. Asylbewerber werden abgelehnt, dann wieder geduldet, dann wieder abgelehnt. Wochen, Monate, Jahre vergehen, ehe einige arbeiten dürfen, obwohl sie wollen, ehe sie anerkannt werden, obwohl sie schon Teil der Gesellschaft sind. Andere, auch junge Leute, verzweifeln, weil nichts vorangeht, weil es viel Personalwechsel in den Anerkennungsbehörden gibt, und es scheint, als herrsche dort immer wieder Willkür. Undurchschaubar sei es, erzählt eine Helferin, warum mancher, der sich gut integriere, abgelehnt werde oder wieder zurücksoll in das europäische Land, wo er zufällig angekommen ist, obwohl er dort nur kurz war und sich jetzt hier die Sprache angeeignet hat und hier seine Familie lebt. Vieles verstehen die Helfer nicht, vieles lässt auch sie verzweifeln und an ihrem ehrenamtlichen Einsatz zweifeln.
An diesem Abend jedoch macht sich Hoffnung breit, dass die Arbeit nicht umsonst ist, dass die Menschen lernen, sich gegenseitig zu verstehen und zu tolerieren. „Good news“, der Chor der evangelischen Bethlehemgemeinde Wertingen unter Leitung von Annette Brändle, verbreitet mit seinen Liedern „good news“. Und der Unterthürheimer Kinderchor mit Pamela Putz gibt die Richtung vor: „Wir, wir sind anders als Ihr. Und Ihr, Ihr seid anders als wir. Na und, das macht das Leben eben bunt.“Wie bunt das Leben sein kann, zeigt sich zum Abschluss auch beim schwäbisch-arabisch-fernöstlichen Büfett, das Helfer und Asylsuchende für die Gäste zusammengestellt haben. Und es schmeckt auf allen Seiten.
Hauptamtliche Koordination