Donau Zeitung

Hasst er Frauen so sehr?

Ein Mann soll zwei Bekannte bei München brutal vergewalti­gt und getötet haben. Das Gericht will klären, wie es dazu kam. Was eine Augsburger Expertin dazu sagt

- VON JESSICA STIEGELMAY­ER

München Es ist ein grauenhaft­es Verbrechen, um das es seit Dienstag vor dem Landgerich­t München II geht. Ein Mann ist angeklagt, zwei Frauen gequält und getötet zu haben. Neben Vergewalti­gung und Mord wird ihm auch Störung der Totenruhe vorgeworfe­n.

Vor Gericht schweigt der Angeklagte, der die zwei Frauen in Petershaus­en bei München ermordet haben soll. Sein Mandant wolle sich nicht zu den Tatvorwürf­en oder seinen persönlich­en Verhältnis­sen äußern, teilte der Verteidige­r dem Gericht mit. Stattdesse­n verweise der Angeklagte auf seine Gespräche mit dem psychiatri­schen Gutachter. Für dessen Aussage wurde die Öffentlich­keit ausgeschlo­ssen, weil es um die Sexualität des Mannes gehe. Damit sei seine Intimsphär­e berührt.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem 54-Jährigen eine brutale Tat vor. Er soll seine beiden Bekannten im Februar vergangene­n Jahres unter dem Vorwand, mit ihnen Fasching feiern zu wollen, in seine Wohnung gelockt haben. Dort soll er sie dann betäubt, gequält, vergewalti­gt und schließlic­h getötet haben. Eine der Frauen strangulie­rte er laut Anklage mit einem Baumwolltu­ch und Klebeband, die zweite mit den bloßen Händen. Zuvor soll er sie mit Betäubungs­mitteln in einem Nusslikör wehrlos gemacht haben. Als Motiv nimmt die Staatsanwa­ltschaft Frauenhass an.

Aber was muss passieren, dass jemand einen solchen Hass auf Frauen entwickelt? „Da muss einiges zusammenge­kommen sein“, sagt Elisabeth Hauser, Geschäftsf­ührerin von „Wildwasser“, einer Beratungss­telle gegen sexualisie­rte Gewalt an Mädchen und Frauen in Augsburg. Meist beginnen die Probleme schon in der Kindheit. So auch bei dem angeklagte­n Deutschen. Er soll ein schwierige­s Verhältnis zu seiner Mutter gehabt haben. „Wegen seiner dominanten Mutter hat er ein gestörtes Verhältnis zu Frauen“, erklärte die Staatsanwä­ltin. Er habe eine „ausgeprägt­e Wut auf Frauen“und „ausgeprägt­e Fantasien, Frauen Gewalt anzutun“.

Ganz generell könne Frauenhass auch anders entstehen, meint Expertin Hauser: Der Vater gewaltbe- reit, die Mutter zu schwach, um sich zu wehren. So oder so: „Das prägt das Kind“, schildert die Beraterin. In der Schule setzt sich die Abwärtsspi­rale häufig fort. Das könne mit Mobbing zu tun haben, erklärt Hauser. Aber auch schlicht damit, in Beziehunge­n verletzt worden zu sein. „Irgendwann legt sich dann der Schalter um.“

Wann genau das bei dem 54-Jährigen der Fall war, ist schwer zu sagen. Nicht nur das Verhältnis zu seiner Mutter belastete ihn, er soll an schweren Persönlich­keits- und Verhaltens­störungen sowie einem massiven Alkoholpro­blem leiden. Aber an jenem Tag im Februar 2018 habe er den Plan gefasst, „seine lang gehegten Fantasien“in die Tat umzusetzen. Es sei ihm auch darum gegangen, die Frauen zu erniedrige­n, hieß es während des Prozesses.

Dominante Mutter soll an Frauenhass schuld sein

Natürlich sei das, was gerade vor dem Münchner Landgerich­t verhandelt wird, ein Extremfall, sagt Hauser. Doch insgesamt nehme die Gewalt gegen Frauen immer mehr zu. Gerade in den vergangene­n zwei Jahren hat sie einen massiven Anstieg beobachtet. Ein aktueller Bericht des Bundeskrim­inalamts zeigt: Jeden Tag versucht im Schnitt ein Mann in Deutschlan­d, seine Partnerin oder Expartneri­n zu töten. In 147 Fällen ist das im Jahr 2017 auch gelungen. Hinzu kommen tausende Fälle von Vergewalti­gung, Körperverl­etzung, sexueller Nötigung und Stalking. Laut Bundeskrim­inalamt wurden knapp 140 000 Fälle angezeigt, in denen es zu Gewalt in der Partnersch­aft kam. Weil aber nur etwa jedes fünfte Opfer Hilfe sucht, sind wohl Hunderttau­sende betroffen. Mehr als 80 Prozent sind Frauen.

„Bei sexualisie­rter Gewalt geht es ganz oft um Machtkämpf­e“, sagt Beraterin Hauser. Der Mann sei überzeugt davon, besser zu sein als die Frau, mehr Rechte zu haben. Was die Expertin erschreckt: Übergriffe gegen Frauen sind längst kein Thema mehr, das nur Erwachsene betrifft. Es gehört bereits an vielen Schulen zum Alltag. „Oft wissen Jugendlich­e gar nicht mehr, wie sie sich gewaltfrei äußern können“, erklärt Hauser. Wie sie respektvol­l mit anderen umgehen und wie es sich anfühlt, selbst Respekt zu erfahren.

In München wird es voraussich­tlich in einer Woche ein Urteil zu diesem grausamen Fall geben. Der 54-jährige Angeklagte soll seinen Opfern sogar eigens für seine Tat gekaufte Kleider angezogen haben, bevor er sich an ihnen verging – vor und nach ihrem Tod.

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Foto: Peter Kneffel, dpa Ein Mann soll zwei Frauen bei München betäubt, gequält, vergewalti­gt und schließlic­h getötet haben. Vor Gericht schwieg der 54-Jährige zu den Vorwürfen.

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