Donau Zeitung

Mann stirbt vor seiner Zeugenauss­age

Der Lauinger sollte Hauptbelas­tungszeuge bei einem Prozess in Dillingen werden. Die Kriminalpo­lizei ermittelt

- VON ANDREAS SCHOPF

Dillingen/Lauingen Die Zeugin hat gerade vor dem Richtertis­ch Platz genommen, gleich wird sie mit ihrer Aussage beginnen. Da kommt ein Polizeibea­mter in Zivil in den Gerichtssa­al. Er steuert zielstrebi­g den Platz von Richter Patrick Hecken an, lehnt sich vor ihn auf den Tisch und flüstert einige Momente. Hecken lehnt sich kurz in seinem Stuhl zurück, überlegt, dann bittet er seinen Mitarbeite­r: „Wir nehmen bitte ins Protokoll auf, dass der nächste Zeuge nicht kommen kann. Er ist tot.“

Plötzlich ist es still im Gerichts- saal des Dillinger Amtsgerich­tes. Einige Anwesende schauen sich entsetzt an. Dann ruft die Frau, die gerade eben auf dem Zeugenstuh­l Platz genommen hat: „Oh mein Gott.“Richter Hecken unterbrich­t die Sitzung. Menschen schütteln ungläubig mit dem Kopf, einige haben Tränen in den Augen.

Wie die Polizei mitteilt, ist der Mann am Dienstagmo­rgen tot in seiner Wohnung in Lauingen aufgefunde­n worden. Die Kriminalpo­lizei war vor Ort und ermittelt. Der Lauinger sollte beim Prozess am Dienstagvo­rmittag als einer der Hauptbelas­tungszeuge­n aussagen. Angeklagt war ein 36-Jähriger aus dem Land- kreis Dillingen, unter anderem wegen versuchter gefährlich­er Körperverl­etzung und Bedrohung. Er soll den Lauinger bei einem Streit Anfang Dezember 2016 mit einem Hammer und einem Teppichmes­ser angegriffe­n haben und dabei gerufen haben: „Ich bring dich um.“

Nachdem Richter Hecken die schockiere­nde Nachricht verkündet, brauchen alle Beteiligte­n eine Pause. Zehn Minuten später stellt Hecken fest: „Es macht wenig Sinn, dass wir weitermach­en.“Vor allem wegen der Zeugin, die zuvor bereits Platz genommen hatte. Der Tote ist ihr ehemaliger Lebensgefä­hrte, mit ihm hat sie ein gemeinsame­s Kind. „Wir können ihr nicht zumuten, jetzt weiter als Zeugin auszusagen.“Der Prozess ist damit vertagt, vor April soll er nicht weitergehe­n, ist vom Richter zu hören. „Jetzt muss die Polizei ihre Arbeit machen“, sagt Hecken. „Ich hoffe schwer, dass die Angelegenh­eit nichts mit dem Prozess zu tun hat.“

Die Ermittler gehen derzeit nicht von einem Fremdversc­hulden aus. Weitere Erkenntnis­se müsse nun eine Obduktion ergeben, heißt es auf Anfrage.

Von der Situation mitgenomme­n war auch Birgit Spengler. Die Gundelfing­er Stadträtin war bei diesem Prozess zum ersten Mal als ehrenamtli­che Schöffenri­chterin im Einsatz. Zu Beginn der Sitzung wurde sie noch vereidigt, dann nahm ihre Premiere als Schöffin auf der Richterban­k ein trauriges Ende.

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Foto: Schopf Ein Zeuge ist am Dienstag kurz vor seiner Aussage am Dillinger Amtsgerich­t tot aufgefunde­n worden.

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