Emotionale Momente im Dillinger Stadtrat
Der verstorbenen Ehrenbürgerin Marlene Wetzel-Hackspacher wird gedacht, die neue Stadträtin Andrea Spengler vereidigt. Und ein Mann wird verabschiedet, der die Stadtentwicklung geprägt hat
Dillingen Ein Gedenken, eine Vereidigung und eine Verabschiedung – die jüngste Sitzung des Dillinger Stadtrats war voller außergewöhnlicher Momente. Und auch die Kulisse sprengte den üblichen Rahmen, denn die Sitzung im Sparkassensaal verfolgten nicht nur einige Zuhörer, die zum Stammpublikum zählen, sondern auch knapp 50 Achtklässler des Augsburger Peutinger-Gymnasiums, die in diesen Tagen im Schullandheim Bliensbach den Kurs „Demokratie erleben“absolvieren. „Das kann man am besten in Dillingen“, sagte Oberbürgermeister Frank Kunz und erklärte den Schülern immer wieder Abläufe der Stadtratssitzung.
Am Beginn stand das Gedenken an Ehrenbürgerin Marlene WetzelHackspacher, die in der Nacht zum Freitag im Alter von 96 Jahren gestorben ist Der Rathauschef sprach Schwiegertochter Karolina Ernst und dem Wetzel-Geschäftsführer Johann Deisenhofer sein Mitgefühl aus. Bei der Flucht aus dem Sudetenland hatte die Konditormeisterin ein Waffeleisen im Kinderwagen mitgenommen und mit ihrem zweiten Mann Hans Hackspacher das heutige Traditionsunternehmen Wetzel Karlsbader Oblaten- und Waffelfabrik aufgebaut. Die langjährige CSU-Stadt- und Kreisrätin habe sich bei der Integration neuer Mit- bürger engagiert, die nach dem Krieg aus ihrer Heimat vertrieben worden waren. Die Stadt Dillingen werde am Donnerstag, dem Tag der Beisetzung, Trauerbeflaggung am Rathaus anbringen lassen, kündigte Kunz an.
Danach vereidigte der Oberbürgermeister die neue Stadträtin Andrea Spengler. Stadtrat Peter Söhner ist am 6. Januar gestorben, auf der CSU-Liste rückt Andrea Spengler nach, die auch Mitglied der Dillinger Wirtschaftsvereinigung ist. Die Floristmeisterin übernimmt Söhners Aufgaben: Sie ist Referentin für Freizeit, Erholung und Fremdenverkehr, Mitglied im Umwelt- und Verkehrsausschuss sowie im Rechnungsprüfungsausschuss, in der Verbandsversammlung der DonauStadtwerke, im Verkehrssicherheitsbeirat und in der Baukommission.
Emotional war auch das Ende der Stadtratssitzung, denn es war die letzte, die Bernd Nicklaser als Leitender Verwaltungsdirektor begleitete. Kunz würdigte die „enormen Verdienste“, die sich der Jurist in den vergangenen 32 Jahren bei der Stadt Dillingen erworben hat. „Wir verabschieden heute mit Dir ein wahres Urgestein des Rathauses.“Ab 1987 hat Nicklaser das Rechtsamt aufgebaut und geleitet, 1990 kam die Leitung der Bauverwaltung hinzu, später der Chefposten der neu geschaffenen Abteilung für Stadtentwicklung. Kunz erin- nerte an viele Stadtbild prägende Projekte, an denen Nicklaser maßgeblich beteiligt war: den Umbau des Stadtsaals, den Bau des GeorgHogen-Rings samt Bauleitung, die Errichtung der Sebastian-KneippHalle, die Verwirklichung der Umgehung Fristingen und den Bau der B16 neu. „Ohne Dich, Deinen juristischen Ideenreichtum und Deinen Optimismus wäre der Bau unserer Ortsumfahrung nochmals um ein Vielfaches härter gewesen“, sagte Kunz und nannte weitere Aufgaben des Verwaltungsdirektors – vom Aufbau der Verwaltung in der Dillinger Partnerstadt Brand-Erbisdorf über den Vorsitz beim THW-Förderverein bis zum Engagement als FW-Fraktionschef im Dillinger Kreistag. Nicklasers Ansatz sei es nie gewesen, als Jurist recht zu haben, sondern einen Weg zu finden, „damit es weitergeht und sich unsere Stadt – Deine Heimat Dillingen – weiterhin so gut entwickelt“, sagte Kunz. Er dankte Nicklaser dafür, dass er nach der Niederlage bei der Oberbürgermeisterwahl 2008 seine immense Erfahrung weiter bei der Stadt Dillingen eingebracht habe.
Die Stadträte erhoben sich von ihren Stühlen und dankte Nicklaser mit einem lang anhaltenden Applaus, den der Leitende Verwaltungsdirektor mit den Worten „Danke, jetzt ist es auch mal wieder gut“beendete. Der 63-Jährige dankte den Rathauschefs Kunz und Hans-Jürgen Weigl für das Vertrauen – ebenso wie den Stadträten. „Es war mir in der Tat selten langweilig“, sagte Nicklaser rückblickend. Sein Nachfolger Christoph Röger sei nicht nur ein exzellenter Jurist, sondern auch „Dillinger mit Leib und Seele“.