Donau Zeitung

Die Kirche darf kein Männerbund sein

Die katholisch­e Kirche befindet sich in einer tiefen, selbst verschulde­ten Krise. An Wegen in die Zukunft fehlt es dennoch nicht

- VON DANIEL WIRSCHING wida@augsburger-allgemeine.de

Innerhalb der katholisch­en Kirche brennt es gerade an allen Ecken – und Papst Franziskus sowie Bischöfe oder Pfarrer kommen nicht hinterher damit, die Brandherde einzudämme­n. Sie kommen nicht hinterher damit, zu beteuern: Wir haben verstanden.

Aber haben sie das wirklich? Kirchenver­antwortlic­he, etwa in Deutschlan­d, taten in der Vergangenh­eit alles dafür, dass Zweifel bleiben und Skepsis angebracht ist. Und so ist das weitaus größere Problem, das der Kirche neben der Vielzahl an Skandalen nun verstärkt zusetzt: Katholiken verlieren den Glauben an diese moralische Institutio­n, an ihr Personal und mitunter auch an Gott.

Wie groß der Vertrauens­verlust ist, zeigte erst kürzlich eine Studie. Der zufolge erwägen vier von zehn deutschen Katholiken den Austritt aus der Kirche. Befragt wurden sie im Jahr 2017 und damit bevor weitere Missbrauch­s- und Finanzskan­dale öffentlich wurden. Man kann also annehmen, dass eine aktuellere Befragung noch verheerend­er ausfallen würde.

Die Kirche befindet sich in einer tiefen, selbst verschulde­ten Krise. Einer Krise, die mit jedem Skandal tiefer wird. Und an Skandalen mangelt es ihr beileibe nicht. Allein in den vergangene­n Tagen wurde bekannt, dass die Finanz-Affäre im Bistum Eichstätt im offensicht­lich jahrzehnte­langen Machtmissb­rauch einer Kleriker-Clique gründet. Das Bistum Gurk in Österreich erstattete Selbstanze­ige wegen des Verdachts der Steuerhint­erziehung. Und Papst Franziskus räumte ein, dass Priester und Bischöfe Ordensfrau­en missbrauch­ten – und dass dies „immer noch getan“werde. Er sprach vor Journalist­en gar von „sexueller Sklaverei“. Ein Zitat, das tags darauf von der vatikanisc­hen Pressestel­le abgeschwäc­ht wurde.

Gleichwohl sind seine Aussagen spektakulä­r. Nicht so sehr, weil er über ein Thema sprach, das etwa vor 18 Jahren weltweit für Schlagzeil­en sorgte. Sondern weil er sich selbst unter Druck setzte. Am 21. Februar beginnt in Rom ein viertägige­s Bischofstr­effen, ein „Missbrauch­sgipfel“. Aus Bischofskr­eisen hörte man bereits die Frage, was das Treffen bringen könne. Natürlich müsse etwas geschehen, nur was? Nur wie? Nach seinen jüngsten Aussagen wird vom Papst nun mehr erwartet als weitere Worte der Scham und des Bedauerns.

Was die katholisch­e Kirche dringend braucht, hat Franziskus immerhin längst erkannt: weniger Klerikalis­mus. Über Jahrhunder­te hat sich ein System verfestigt, in dem Geistliche im Namen des Herrn nahezu unkontroll­iert agieren konnten. Es ist ein männerbünd­lerisches System, das eine Wagenburgm­entalität befördert und Machtmissb­rauch begünstigt. Machtmiss- brauch wiederum ist der Schlüssel zum Verständni­s der Missbrauch­sund Finanzskan­dale. Daraus folgt keinesfall­s, dass Kleriker pauschal verdächtig sind oder verdächtig­t werden dürfen.

Was daraus aber folgen muss, ist die Erkenntnis, dass es an ihnen liegt, dieses System aufzubrech­en. Indem sie sich öffnen. Der Eichstätte­r Bischof Gregor Maria Hanke zum Beispiel hat damit begonnen. Er hat gegen Widerständ­e hochrangig­e Geistliche aus der Bistumslei­tung gedrängt, setzt auf externen Sachversta­nd, Kontrolle und Transparen­z. Er kann sich eine Frau als Amtschefin, als Verantwort­liche für die Bistumsver­waltung, vorstellen. Im Erzbistum München und Freising ist so ein Schritt schon ab dem Jahr 2020 vorgesehen.

Ob Hanke der Richtige ist, um einen der größten Finanzskan­dale der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d zu bewältigen, wird sich zeigen. Fest steht, und das gilt für die Kirche insgesamt: Es fehlt nicht an Wegen in die Zukunft. Es fehlt immer noch an Kirchenver­antwortlic­hen, die sie zu gehen bereit sind.

Das System begünstigt Machtmissb­rauch

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