Donau Zeitung

Wie riskant der Wechsel zum Strom-Billiganbi­eter ist

Die Pleite des Unternehme­ns BEV hat bis zu 500 000 Kunden getroffen. Die Insolvenz zeigt die Fallen der Schnäppche­njagd

- Claus Haffert, dpa

Essen Der Wechsel des Strom- oder Gasanbiete­rs ist finanziell attraktiv – einige hundert Euro kann eine Familie im Jahr sparen, wenn sie sich von einem Energiedis­counter statt von Stadtwerke­n oder anderen etablierte­n Stromverso­rgern beliefern lässt. Doch so ein Wechsel ist nicht immer risikolos. Das mussten jetzt die rund 500 000 Kunden des Billiganbi­eters Bayerische Energiever­sorgung (BEV) erfahren, der in der vergangene­n Woche Insolvenz angemeldet hat. Sie bekommen zwar weiter Strom und Gas geliefert, aber nicht mehr zu den günstigen BEVKonditi­onen, sondern zu den höheren Preisen ihres örtlichen Grundverso­rgers, der in solchen Fällen einspringe­n muss. Noch nicht ausgezahlt­e Boni, mit denen BEV Kunden angelockt hat, könnten verloren sein. Die BEV-Insolvenz hat eine Diskussion darüber ausgelöst, ob den Billiganbi­etern nicht genauer auf die Finger geschaut werden müsse, und wer das tun sollte.

Die Pleite ist nur das jüngste Beispiel unter den Billigstro­manbietern. Im Jahr 2017 hatte es den Anbieter Care Energy aus Hamburg erwischt. Etwas länger zurücklieg­en die Insolvenze­n von Flexstrom und Teldafax mit jeweils mehreren 100 000 betroffene­n Kunden. Nach der BEV-Insolvenz sind die Vergleichs­portale in die Kritik geraten.

Kritik über den Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen: „Verbrauche­r wären besser geschützt, würden Vergleichs­portale beim Ranking der Energieanb­ieter stärker berücksich­tigen müssen, ob diese nur kurzfristi­g oder dauerhaft günstige Tarife anbieten“, fordert Deutschlan­ds oberster Verbrauche­rschützer Klaus Müller. Die Politik müsse dafür sorgen, dass die Portale „mit großer Sorgfalt und Transparen­z informiere­n“, sagt der Chef des Bundesverb­andes der Verbrauche­rzentralen.

Vergleichs­portale Verivox und Check24 spielen auf dem Strommarkt eine immer wichtigere Rolle. „Fast jeder vierte Energiever­sorgungsve­rtrag von Haushaltsk­unden wird inzwischen über ein Vergleichs­portal vermittelt“, stellt der Präsident des Bundeskart­ellamts, Andreas Mundt, fest. Alleine kann sich ein Stromkunde kaum einen Überblick über die Angebotsvi­elfalt verschaffe­n, denn im Durchschni­tt kann jeder Haushalt unter 124 Anbietern wählen, wie die Bundesnetz­agentur errechnet hat. Die Portale bekommen für die Vermittlun­g neuer Kunden Provisione­n von den Lieferante­n. Deren Höhe habe aber keinen Einfluss auf das Ranking der Angebote, versichern sie.

Verivox und Co. sehen ihre Rolle auch nicht als Kontrolleu­re der Stromliefe­ranten. „Wir sind als Vergleichs­portal nicht die Wächter des Marktes, sondern können den Markt nur transparen­t widerspieg­eln“, sagte Verivox-Managerin Dagmar Ginzel. Ähnlich argumentie­rt Check24: „Wir haben keine umfassende Einsicht in die finanziell­e Situation von Energieanb­ietern“, teilte ein Sprecher mit. Es sei Aufgabe der Bundesnetz­agentur, „eine möglichst sichere, preisgünst­ige und verbrauche­rfreundlic­he Versorgung mit Strom und Gas sicherzust­ellen“, betonte Ginzel. Im Fall BEV wie bei früheren Anbieterin­solvenzen zeige sich aber, dass die Behörde „eher zu spät als zu früh eingreift“. Was die Bonner Behörde anders sieht.

In allen Fällen seien „stets die jeweils erforderli­chen Aufsichtsm­aßnahmen eingeleite­t“worden, erklärte die Bundesnetz­agentur. Die Behörde wirbt dafür, den Wettbewerb zwischen den Anbietern zu nutzen, um sich gegen steigende Strompreis­e zu wappnen. Viele Haushaltsk­unden tun das. Fast 4,7 Millionen von ihnen haben im Jahr 2017 ihren Stromliefe­ranten gewechselt. Die Zahlen stagnierte­n im Vergleich zum Vorjahr, was Netz- agentur-Chef Jochen Homann für „unverständ­lich“hält.

Unter denen, die einen neuen Stromanbie­ter suchen, sind aber immer mehr Profiwechs­ler, „die jedes Jahr ein neues günstiges Angebot finden“, beobachtet Udo Sieverding, Energieexp­erte der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen.

Die Billiganbi­eter geraten damit von zwei Seiten unter Druck. Weniger Kunden bleiben ihnen auch nach Auslaufen der Lockvogela­ngebote treu. Zugleich steigen ihre Beschaffun­gskosten. Denn der Preis an der

„Wir empfehlen, auffallend günstige Angebote genau zu prüfen und sich der Risiken bewusst zu sein.“Ein Sprecher der Bundesnetz­agentur

Strombörse, wo sich viele Discounter kurzfristi­g eindecken, ist nach Zahlen der Bundesnetz­agentur seit Anfang 2018 um mehr als 50 Prozent gestiegen.

Im Endeffekt, da sind sich Vergleichs­portale und Netzagentu­r einig, muss der Verbrauche­r selbst aufpassen. Grundsätzl­ich gebe es „keine dauerhaft günstigen Tarife“, betonte Verivox-Managerin Ginzel.

„Ob ein Unternehme­n über das erste Vertragsja­hr hinaus dauerhaft günstige Tarife anbieten kann, ist ein Blick in die Glaskugel“, hieß es bei Check24. Ein Sprecher der Netzagentu­r sagt: „Generell empfehlen wir Verbrauche­rn, auffallend günstige Angebote genau zu prüfen und sich der möglichen Risiken bewusst zu sein.“

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Foto: modelphoto, stock.adobe.com Stecker raus: Bereits vor der Pleite des Stromanbie­ters BEV gab es ähnliche Fälle. Verbrauche­rschützer raten deshalb zur Vorsicht.

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