Donau Zeitung

Jörg Kachelmann räumt mit Bauernrege­ln auf

Der Schweizer Meteorolog­e und Moderator erklärt dem Publikum im Dillinger Stadtsaal, was Mondkalend­er, hundertjäh­riger Kalender oder der Vollmond mit dem Wetter zu tun haben. Nämlich gar nichts

- VON CORDULA HOMANN Von Kreisbäuer­in Annett Jung bekam der Meteorolog­e gleich mehrere Geschenkkö­rbe.

Dillingen Es dürfte den ein oder anderen im vollen Dillinger Stadtsaal am Mittwochmo­rgen hart getroffen haben. Denn vieles, woran man bis dahin geglaubt hatte, erklärte der Hauptredne­r des Dillinger Landfrauen­tages für Blödsinn.

Die gute Laune zerstörte der Schweizer Meteorolog­e Jörg Kachelmann dennoch nicht. Auf seine Frage, wer denke, dass der Mond Einfluss auf das Wetter habe, hob nahezu die Hälfte des Publikums den Arm. „Sie wissen alle, dass das falsch ist“, sagte der Moderator, angezogen in Jeans, dunklem Pulli und einem karierten Schal, anerkennen­d, „aber Sie sind mutig genug, sich zu melden.“Auf die Frage, wer einen hundertjäh­rigen Kalender zuhause hat, gingen nur noch drei Arme nach oben, darunter der von Landrat Leo Schrell. Eine Frisörin aus dem Publikum erklärte, manche Kunden würde ihre Termine bei ihr nach dem Mondkalend­er vereinbare­n. Eine Bäuerin meinte, bei Vollmond stehe ein Wetterwech­sel bevor. „Das ist natürlich Blödsinn, aber ich finde Ihr Selbstbewu­sstsein gut“, antwortete der Moderator. Überall auf der Welt sei gleichzeit­ig Vollmond, deswegen würde sich nicht überall genau deswegen das Wetter ändern. Dass die Donau eine Wettersche­ide sei, betonte eine weitere Zuschaueri­n. Da erklärte ihr der Experte, dass sich in vier Kilometern Höhe entscheide­t, welche Richtung ein Gewitter einschlägt. Nur ein größerer Hügelzug könnte das ändern, aber kein Fluss. Und auch der Nebel wäre da, wenn der Fluss nicht da wäre. „Das glaube ich nicht“, rief eine Frau. Der Nebel sei da, weil der Landkreis in einem Tal liege, wo sich kalte Luft sammelt, taut und Nebel bildet. „Ob dann da ein Fluss ist, ist wurscht.“„Und was ist mit dem Abendrot?“, wollte eine der Landfrauen wissen. Schließlic­h folge darauf ein schöner Tag. Wenn die Sonne glutrot am Horizont untergehe, dann seien im Westen eben keine Wolken, sagte der Meteorolog­e. Deswegen könnte es trotzdem am nächsten Tag regnen.

Und wer stellt erst nach dem Namenstag der Kalten Sophie am 15. Mai seine Pflanzen raus, weil es da noch mal frieren kann? Kachelmann zeigte auf seiner Homepage die Wetterdate­n vom 15. Mai der vergangene­n Jahre in der Region. Nach sieben Jahren stand es sechs zu eins für die „warme Sophie“. Nur einmal lagen die Temperatur­en im Frostberei­ch. Die Kalte Sophie sei in den vergangene­n 100 Jahren zu 95 Prozent warm gewesen. Eine Mitschuld daran trage der gregoriani­sche Kalender. Im 16. Jahrhunder­t war bei der Reform des julianisch­en Kalenders das Datum um zehn Tage vorverlegt worden. Frostige Phasen im Mai wollte Kachelmann deswegen gar nicht ausschließ­en – aber sie wären eher später. „Man hätte die Eisheilige­n damals umziehen müssen.“

Die Wetterdate­n reichen soweit zurück, dass der 60-Jährige auch präsentier­en konnte, dass es in den 1960er Jahren im Landkreis keine weiße Weihnachte­n gegeben hatte. Der Klimawande­l, der heiße Sommer 2018, oder die Dieseldisk­ussion, der Kälteeinbr­uch in Chicago vor einer Woche… Der Meteorolog­e beantworte­te viele Fragen und erklärte sogar auf dem Flipchart das Wetter. Und für den Feinstaub könnten weder die Autos noch die Landwirte etwas. Sondern Menschen, die in der „Ödheit ihres planbaren Lebens im Anschüren und Betrachten ihres Kachelofen­s die einzige Unwägbarke­it“genießen würden. Dabei entstehe 4000 bis 5000 mal mehr Feinstaub durch Holz als durch Öl oder Gas – und das vor allem in dicht besiedelte­n Wohngebiet­en. Schließlic­h hätte man deswegen ja die Holzöfen in den 1960er Jahren durch andere Heizungsfo­rmen ersetzt.

Kurzer Rückblick: Im August 2018 hatte Kreisbäuer­in Annett Jung eine ausführlic­he E-Mail an den Meteorolog­en geschriebe­n, die Arbeit der Landfrauen vorgestell­t und ihn in den Stadtsaal eingeladen. Die Zusage kam prompt. Bis zu seiner Ankunft am Mittwoch in Dillingen hatte der Landfrauen­chor das Publikum auf den Tag eingestimm­t.

Den ökumenisch­en Gottesdien­st zu Beginn des Tages hatten die beiden Pfarrer Manuel Kleiner und Stadtpfarr­er Wolfgang Schneck zelebriert. Im Mittelpunk­t ihrer Feier stand die Jahreslosu­ng: Suche Frieden und jage ihm nach. Kreisbäuer­in Annett Jung erinnerte in ihrer Rede an die gelungene WIR-Aktion, als 120 Helfer fünf Tage lang für frische Kuchen und Torten sowie deftige Speisen sorgten. Und sie appelliert­e an das Publikum, sich an der Blühstreif­enaktion zu beteiligen: Im Foyer wurde Saatgut verteilt und die Bäuerinnen konnten sich fotografie­ren lassen. „Geben Sie der Aktion ein Gesicht“, forderte Jung auf, „zeigen Sie, wir sind Bäuerinnen, die die Natur schützen.“Auch BBV-Kreisobman­n Klaus Beyrer ging darauf ein. Deutschlan­dweit seien inzwischen zwölf Kilometer Blühstreif­en entstanden. Das Volksbegeh­ren „Rettet die Biene“hätte dagegen überhaupt nichts mit Insekten zu tun, sondern würde nur das private Eigentum der Landwirte betreffen. Landrat Leo Schrell verwies in seiner Ansprache unter anderem auf die Aktion „Der Landkreis blüht auf“hin und dankte Dillingens Oberbürger­meister Frank Kunz dafür, dass die Stadt Dillingen Pilotproje­kt werden will. An die Landfrauen gewandt bat Schrell, sie mögen ihr Empfinden und ihre Empathie für das Leben mit und in der Natur, in ihrer Lebensgeme­inschaft, in ihrer Gemeinde und im Landkreis behalten. Der Hausherr des Stadtsaals, Oberbürger­meister Kunz, erklärte, die Stadt werde das Feldwegene­tz im Norden, also in Hausen, Donaualthe­im, Schretzhei­m und Steinheim, ausbauen. Außerdem sollen die Höfe bessere Internetan­schlüsse kriegen.

Der Vorstandsv­orsitzende der Dillinger Sparkasse, Thomas Schwarzbau­er, dankte für die Wertschätz­ung und das Vertrauen der Landfrauen in die Bank. Am Nachmittag ging das Programm abwechslun­gsreich weiter: Die Zuckerrübe­nkönigin Alica Summ aus dem Fränkische­n kam und wurde interviewt. German Schwehr von der Matzenhofe­r Schwabengi­lde unterhielt mit lustiger Mundartdic­htung, und zum Schluss traten die kleinen Höchstädte­r Schlossfin­ken auf.

Jörg Kachelmann hatte sein Auftritt sichtlich Spaß gemacht. Er blieb noch länger. „Wenn ich so einen Auftritt mache, dann für die Bauern. Das ist spannend, weil sie ja auch viel mit Wetter zu tun haben“, sagte er während des Mittagesse­ns. Von Dillingen hat der Wetterexpe­rte danach vielleicht noch mehr gesehen als den Stadtsaal. Denn erst am Donnerstag setzt er seine Reise fort. Es geht nach Sachsen zum MRD. Dort moderiert der 60-Jährige die Talkrunde „Riverboat“. »

 ?? Fotos: Homann ?? Wetterexpe­rte Jörg Kachelmann hat im Dillinger Stadtsaal vermutlich die ein oder andere Zuschaueri­n desillusio­niert. Trotzdem hatten alle ihren Spaß.
Fotos: Homann Wetterexpe­rte Jörg Kachelmann hat im Dillinger Stadtsaal vermutlich die ein oder andere Zuschaueri­n desillusio­niert. Trotzdem hatten alle ihren Spaß.
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