Wertinger Schüler demonstrieren für ihre Zukunft
Engagement Die „Fridays-for-Future“-Bewegung hat die Zusamstadt erreicht
Wertingen Ein Mitschüler hat Andrea Baumann kürzlich aus der Fassung gebracht. Der sagte in der Mittagspause unbekümmert, dass er für einen Snack ins McDonalds fahren werde. Das ist vom Wertinger Gymnasium ungefähr 25 Kilometer entfernt. Und Felix Gollmitzer erzählt von seiner Großtante, die ihn bei einem Gespräch über den Klimawandel verständnislos angesehen und gefragt habe, was ihn dieses Thema eigentlich angeht.
Es sind Geschichten wie diese, die bei den rund 350 Schülern vor der Wertinger Stadthalle Kopfschütteln auslösen. Trotz eklig kalten Regenwetters haben sich an diesem Freitagvormittag Schüler aus verschiedenen Wertinger Schulen eingefunden, um die erste „Fridays-for-Future“-Demonstration in Wertingen abzuhalten. Die jüngsten sind elf oder zwölf Jahre alt, viele haben Schilder dabei. Die meisten davon sind eindringlich beschriftet, auf ihnen steht „Es gibt keine zweite Erde“oder „Wenn wir sterben, sterbt ihr auch“neben dem Bild einer Biene.
Die Menge hat sich vor der Wertinger Stadthalle versammelt, neben den Schülern sind auch einige Lehrer zu sehen. Alle stehen um eine kleine Bühne herum, auf der sich mehrere jugendliche Redner das Mikrofon in die Hand geben.
Die herablassenden Kommentare des FDP-Chefs Christian Lindner vergangene Woche scheinen die Art von Behandlung zu sein, welche die versammelten Jugendlichen nie mehr hören wollen. Der hatte zu den Protesten gesagt, dass die Jugendlichen in der Schule bleiben und lernen sollten, die Arbeit sollten die „Profis“übernehmen.
Es ist das einzige Mal während der gut anderthalbstündigen Veranstaltung, dass echte Wut aus den Wortmeldungen herausklingt. „Man braucht kein Physikprofessor zu sein, um die Zusammenhänge zu verstehen “, ruft Andrea Baumann. Und diese Zusammenhänge sind: Der Mensch sorgt für eine rasante Aufheizung des Weltklimas. Und die Auswirkungen dieses Wandels werden nicht erst Generationen in ferner Zukunft gefährden, sondern diejenige, deren Mitglieder sich in Wertingen versammelt haben. Die Jugendlichen sprechen über ihr Anliegen eindringlich, aber nicht anklagend.
Felix Gollmitzer ist auf der Insel La Palma groß geworden. „Wenn das Wasser steigt, wird sich niemand davor verstecken können“, sagt er. Die Deutschen befänden sich in dem Glauben, Vorkämpfer gegen die Klimakrise zu sein. Doch das sei höchstens im Vergleich mit Ländern wie den USA der Fall. Man könne hierzulande noch viel mehr tun als bisher. Gemeinsam mit der Menge skandiert er „Kohlestopp, hopp hopp hopp!“Die Jugendlichen äußern sich offensiv gegenüber den Vorwürfen, die der Bewegung „Fridays for Future“gemacht werden.
Die Schüler wollen auch ihr eigenes Konsumverhalten stärker hinterfragen
Andrea Baumann sagt: „Es geht uns um unsere Zukunft und nicht um einen Personenkult für Greta Thunberg.“Die junge Schwedin gilt als das Gesicht der jungen Klimabewegung.
Der 18-jährige Niklas Zöschinger aus Höchstädt reflektiert über die Versammlung. „Es ist nicht damit getan, hier protestiert zu haben. Jeder wird in seinem Leben etwas ändern müssen.“Bewussterer Konsum etwa und die fortwährende Bereitschaft, im Bekanntenkreis über die Klimakrise zu sprechen. Zöschinger warnt die Schüler davor, pauschal auf die Politiker zu schimpfen. „Die machen schon auch ihre Arbeit“, so der Montessori-Schüler. Nach den Reden der „älteren“Schüler betreten auch jüngere die Bühne. Etwa der 14-jährige Baris Güley. Noch vor zwei Tagen habe er gezweifelt und sich gedacht: „Das Demonstrieren bringt doch alles nichts.“Doch nach dieser Zusammenkunft wirkt er froh und entschlossen.
Auch Initiator Niklas Zöschinger hegt nach der Demonstration keine Zweifel an der Motivation seiner Mitstreiter. „Jedem von uns ist seine Aufgabe bewusst“, sagt er, ohne zu zögern. Es solle auf keinen Fall bei einer einmaligen Veranstaltung bleiben, weitere Demonstrationen sollen folgen. Wahrscheinlich nicht mehr während der Schulzeit, sondern nachmittags – auch, um dem Vorwurf zuvorzukommen, dass die Jugendlichen sich nur engagierten, um die Schule zu schwänzen. Felix Gollmitzer kontert diesen Vorwurf mit den Worten: „Wenn wir nur hätten schwänzen wollen und uns der Klimaschutz egal wäre, wären wir mit dem Auto ins McDonalds gefahren, statt uns in den Regen zu stellen.“