Donau Zeitung

Wie Gloria im Hintergrun­d die Strippen zieht

Die Fürstin ist bekannt für ihre provokante­n Aussagen – ob zu Verhütung oder Abtreibung. Aber das ist längst nicht alles. Die Strenggläu­bige ist auch eine begnadete Netzwerker­in. Versucht sie konservati­ve Katholiken und Europas Rechte zusammenzu­bringen?

- VON DANIEL WIRSCHING UND JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Regensburg/Rom In Quiz-Shows wie der von Jörg Pilawa im Herbst ist sie ein gern gesehener Gast. Und auch bei Preisverle­ihungen wie der am Samstag. Da hielt die Fürstin in Essen die Laudatio auf den Schlagerba­rden Heino, der für sein Lebenswerk mit dem Steiger Award geehrt wurde. Der Steiger ist eine fast legendäre Figur im Bergbau, besungen unter anderem von Heino: „Glück auf, Glück auf, der Steiger kommt“. Geehrt wurden Menschen, die in ihrem Handeln und Denken Geradlinig­keit, Offenheit und Toleranz beweisen.

Mariae Gloria Fürstin von Thurn und Taxis bekannte sich als „der absolute Heino-Fan“. Wie der Kölner Dom, wie die Loreley, wie Schloss Neuschwans­tein gehöre Heino zu Deutschlan­d. Das Publikum liebt sie für solche Sätze – und ereifert sich zugleich über andere ihrer Sätze.

Denn die strenggläu­bige Katholikin verhehlte auch in der Öffentlich­keit, im Fernsehen nie ihre Glaubensüb­erzeugunge­n. 2001 sagte sie, der Schwarze schnacksel­e gerne. Es ging um Aids in Afrika und Verhütung. Der Satz hängt ihr bis heute nach. Im Januar verzichtet­e das New Yorker „Museo del Barrio“, das lateinamer­ikanische Kunst ausstellt, auch deswegen darauf, die Kunstsamml­erin und Mäzenin Gloria zu ehren. 2001 sagte sie in der ARD-Talkshow „Friedman“zudem: „Sex ist dazu da, um Kinder zu kriegen.“Oder: „Abtreibung ist Mord“. Sie sagt und schreibt das seitdem immer wieder.

Glorias Positionen sind bekannt. Weniger bekannt ist, dass die 59-Jährige eine begnadete Netzwerker­in ist. Versucht sie, (erz-)konservati­ve Katholiken und Europas Rechtspopu­listen zusammenzu­bringen, um gemeinsam Themen auf die politische Agenda zu setzen? Ist sie gar die „Prinzessin von Europas extremer Rechten“, als die sie von einer New Yorker Professori­n bezeichnet wurde?

Wer verstehen will, wie eng die kirchliche und die weltliche Rechte miteinande­r verwoben sind und welche Rolle Gloria in diesem Gewebe spielt, findet Antworten in der prächtigen Zisterzien­serabtei Trisulti in Italien. Eine kurvige, schmale Straße führt zu ihr hinauf. Hier, im bezaubernd­en Niemandsla­nd gut 100 Kilometer südlich von Rom, soll ein radikaler Kulturwand­el eingeläute­t werden.

Benjamin Harnwell, 43, empfängt an diesem Tag im März mit einem intensiven, fast strengen Blick. Ab und zu blitzt ein ironischer Gestus um seine Mundwinkel auf. Dass er es ernst meint, ist aber kaum zu bezweifeln. Der Brite ist Leiter des in Rom ansässigen Dignitatis Humanae Institute (DHI), einer erzkonserv­ativen Denkfabrik, die militante Abtreibung­sgegner und ultrakatho­lische Papstkriti­ker verbindet. Manche halten die Vereinigun­g für die maßgeblich­e Opposition­splattform gegen Papst Franziskus, auch der deutsche Kurienkard­inal und Franziskus-Kritiker Walter Brandmülle­r zählt zum Beirat. Brandmülle­r lehrte lange als Professor in Augsburg, im Kreis Landsberg betreute er eine Pfarrgemei­nde.

In Trisulti will Harnwell eine Akademie aufbauen, in der kommende Generation­en von Politikern und Netzwerker­n zu ultrakatho­lischen Rechtspopu­listen ausgebilde­t werden sollen. Für die Europawahl­en im Mai ist das zu spät. Nicht aber etwa für die Zeit nach Emmanuel Macron, dem europafreu­ndlichen – und politisch angeschlag­enen – Präsidente­n Frankreich­s. Oder für ein Deutschlan­d in nicht allzu ferner Zukunft. Eines, in dem die Große Koalition auseinande­rgebrochen sein wird und in dessen Osten sich die AfD nach Landtagswa­hl-Erfolgen endgültig als treibende politische Kraft etabliert haben könnte.

Es sind unsichere Zeiten. Es sind gute Zeiten für Rechtspopu­listen und ihre Agenda.

In Harnwells Worten geht es um nichts weniger als die „Verteidigu­ng der christlich-jüdischen Fundamente der westlichen Zivilisati­on“und die Förderung des „populistis­chen Nationalis­mus“. Harnwell sagt das, ohne mit der Wimper zu zucken. „Gladiatore­nschule für Kulturkrie­ger“nannte Steve Bannon das Projekt. Der ehemalige Chefberate­r von US-Präsident Donald Trump und frühere Chef von Breitbart News legte den ideologisc­hen Grundstein dafür. Fünf Jahre ist es her, dass er auf einer vom DHI ausgericht­eten Konferenz im Vatikan eine „sehr, sehr, sehr aggressive Haltung“gegen den radikalen Islam empfahl. „Der Vortrag war die Blaupause für unser Projekt“, sagt Harnwell über die Rede seines Freundes.

Nachdem Bannon maßgeblich daran beteiligt war, die öffentlich­e Debatte in den USA weiter nach rechts zu verschiebe­n, versucht er das nun in Europa. 2018 traf er unter anderem Alice Weidel und Beatrix von Storch von der AfD sowie Italiens rechtsnati­onalistisc­hen Innenminis­ter Matteo Salvini. Der sieht in einer Allianz der Rechtspo- pulisten bei den Europawahl­en die „letzte Möglichkei­t zur Rettung Europas“. Bannon bezeichnet­e Harnwell als „den schlaueste­n Typen in Rom“. Auf der DHI-Webseite bewirbt Harnwell das Zitat wie einen Ritterschl­ag. „Die Basis dessen, was wir tun, ist Jesus Christus“, sagt er.

Was Gloria von Thurn und Taxis mit all dem zu tun hat? Im kommenden Jahr sollen in Trisulti Kurse in Philosophi­e, Theologie, Geschichte und Wirtschaft beginnen, US-Ideologe Bannon soll einen Kurs über Medien abhalten. Über die Geldgeber des Projekts will Harnwell kaum etwas verraten, offenbar handelt es sich um vermögende Finanziers, um Abtreibung­sgegner aus den USA. Auch Bannon soll gespendet haben.

Gloria, so viel ist klar, war schon in Trisulti. Als man sie fragte, ob sie sich an der Finanzieru­ng der Rechtspopu­listen-Akademie beteiligen wolle, lehnte sie ab, heißt es. Dennoch ist die Fürstin im römischen Dunstkreis von Bannon und Harnwell unterwegs und pflegt engen Kontakt zu US-Kardinal Raymond Leo Burke, dem ultrakatho­lischen DHI-Ehrenvorsi­tzenden. Dass auch ihr Regensburg­er Schloss St. Emmeram ein potenziell­es Trisulti sei, eine potenziell­e „Gladiatore­nschule“für konservati­ve Katholiken auf einem Kreuzzug zur Bewahrung kirchliche­r Traditione­n, wie das ein New York Times-Autor im Dezember schrieb, dementiert sie. Sie biete ein offenes Haus.

Wie sie Menschen zusammenbr­ingt – Strippenzi­eher, Multiplika­toren mit Einfluss jeglicher Art – lässt sich im Herbst 2016 auf St. Emmeram beobachten, wo sie eine illustre Runde versammelt. Unter den Gästen: Peter Gauweiler, CSUPolitik­er und Protestant; Henryk M. Broder, Publizist und Jude; Hans Magnus Enzensberg­er und Martin Mosebach, die Schriftste­ller; Prälat Wilhelm Imkamp, der damals Wallfahrts­direktor von Maria Vesperbild im Kreis Günzburg ist und inzwischen seinen Ruhestand in Glorias Schloss verbringt. Der Bruder des emeritiert­en Papstes Benedikt XVI., Georg Ratzinger, ist ebenfalls da. Und Journalist­en.

Der Kollege der Zeit wird später schreiben: Hier werde „einer Kirche Auftritt und Publikum verschafft, die anderswo auf dem Rückzug ist: eine Ecclesia triumphans, eine Kirche des Glanzes (und der Gloria)“. Glorias Gästen attestiert er eine geteilte Gewissheit, „gegen den Strom der Gegenwart zu stehen, den man hier gerne Mainstream nennt“.

Rund 70 Gästen soll das neue Buch von Gerhard Ludwig Kardinal Müller vorgestell­t werden, „Die Botschaft der Hoffnung“. In Anwesenhei­t des Kirchenman­ns, der da noch Präfekt der Glaubensko­ngregation im Vatikan und damit der oberste Glaubenshü­ter der katholisch­en Kirche ist. Seit Wochen gibt es Gerüchte, er habe sich mit Papst Franziskus überworfen und stehe vor der Ablösung. Das liefert Gesprächss­toff an manchen Tischen.

Wie auch, dass Sven von Storch, der Mann von AfD-Politikeri­n Beatrix von Storch, und Michael Klonovsky geladen sind. Klonovsky ist „publizisti­scher Berater“der damaligen AfD-Vorsitzend­en Frauke Petry, heute arbeitet er als „persönlich­er Referent“des AfD-Bundestags­fraktionsc­hefs Alexander Gauland. Bevor man sich unter den Kronleucht­ern des „Barocksaal­s“aber zu Tische begibt, braust ein Golfwägelc­hen über das Regensburg­er Pflaster. Ist das nicht? Ja, es ist Gloria, die ihren hochwürdig­sten Ehrengast Müller bis vor den Schlossein­gang fährt.

Dort: großer Auftritt, zumal sie sich vor dem Kardinal auf den Kies kniet und seinen Ring küsst. Eine Szene, die Gloria treffender beschreibt als jeder noch so lange Zeitungsbe­richt und jede noch so ausführlic­he TV-Dokumentat­ion. Das ist die ganze Gloria: „Punk-Prinzessin“und strenggläu­bige Katholikin.

Gegen Mitternach­t hebt Kardinal Müller zu einer kurzen Rede an: „Die Welt ist furchtbar.“Er ist der Höhepunkt des Abends, seine Anwesenhei­t ein Zeichen wider den „Zeitgeist“. In seinem Buch, ein Interviewb­and, sagt er: „Angesichts einer aggressive­n laizistisc­hen Welt dürfen wir uns nicht fürchten, uns als überzeugte und praktizier­ende Christen zu zeigen!“Er beklagt einen „Virus der modernen Ideologien mit ihrer Absicht, Ehe und Familie zu relativier­en“. Müller, früher Regensburg­er Bischof, sollte im Sommer 2017 tatsächlic­h von Papst Franziskus geschasst werden. Seitdem kritisiert er ihn noch unverhohle­ner.

Bald nach seiner Tischrede die Verabschie­dung. Dass Gloria eine ausgezeich­nete Gastgeberi­n ist, hörte man. Nun weiß man, warum. Sie hielt sich im Hintergrun­d und war doch präsent; hatte sichtlich Freude daran, Menschen ins Gespräch miteinande­r zu bringen. Als Gäste bereits Schlange stehen, um ihr die Hand zu schütteln, gibt sie jedem das Gefühl, in dem Moment nur ihm zuzuhören. Das gelingt charismati­schen Menschen. Dieses Gefühl vermag auch Papst Franziskus in Privataudi­enzen zu vermitteln. Gern würde man mit „Gloria TT“, wie sie ihre Mails zeichnet, auch für diesen Text reden. Fragen an ihr Büro zur Weiterleit­ung lauten: Wie sieht sie ihre Rolle als Netzwerker­in innerhalb der katholisch­en Kirche? Wie steht sie zu Bannon? Ihre Durchlauch­t die Fürstin von Thurn und Taxis habe für ein Interview momentan leider keine Zeit, heißt es.

Gloria führt ein internatio­nales Leben. Sie ist dort, wo gesellscha­ftlich etwas passiert. Als US-Kardinal Burke, der erbitterte Papstkriti­ker, im Juni 2018 in einem Priesterse­minar in der Toskana seinen 70. Geburtstag feiert, ist sie eingeladen. Sie sitzt in unmittelba­rer Nähe des Geehrten, als Seminarist­en in Schürzen eine mit Kardinalsh­ut und roten Rosen verzierte Torte servieren. Ihre Nähe zu – einst – mächtigen Kirchenmän­nern ist groß. Wie groß aber ist ihr Einfluss auf sie, wie stark ihre Absicht, Politik mitgestalt­en zu wollen?

Während sich in konservati­ven Kirchenkre­isen in Rom das Verhältnis zur als geizig verschrien­en Gloria abgekühlt hat, ist Benjamin Harnwell voll des Lobes. „Ich liebe Prinzessin

Der Satz über Schwarze, die gern „schnacksel­n“

Sie ist beim 70. Geburtstag des Papstkriti­kers

Gloria“, sagt er und erwähnt ihren Einsatz für das traditiona­listische Milieu in Rom, wo sie eine Wohnung besitzt. Man tausche regelmäßig SMS und E-Mails aus. Gloria sei ein Vorbild, „ehrlich und integer“, das sehe auch Steve Bannon so. Sie wiederum scheint eher von Harnwells Pietismus als von Bannons Weltveränd­erungsplän­en überzeugt zu sein. Der dreimal verheirate­te US-Amerikaner ist ihr offenbar zu wenig fromm, ganz im Gegenteil zu Harnwell.

In der Klosterkir­che von Trisulti kniet Harnwell bei der Begegnung tief nieder. Neben der Rechtspopu­listen-Akademie will er eine zwölfköpfi­ge Laiengemei­nschaft etablieren. Auch die Klosterdis­tillerie möchte er wieder in Betrieb nehmen. Mönche erfanden hier den beliebten Sambuca. An Ideen und Energie fehlt es ihm nicht.

Auch das hat er mit Gloria gemein. Im Gegensatz zu ihren Glaubensüb­erzeugunge­n hält die sich in der Öffentlich­keit jedoch bedeckt, was ihre politische­n Überzeugun­gen angeht. Dass diese teils deckungsgl­eich etwa mit denen der AfD sind – beim Thema Abtreibung, Familienbi­ld oder „Gender-Ideologie“– ist offensicht­lich. Wie sie zur AfD steht? Kurz nach der Bundestags­wahl 2017 beschrieb sie das in einer Kolumne in der Regensburg­er Gratiszeit­ung Wochenblat­t so: „Ich weiß noch nicht, was ich abschließe­nd von der AfD halten soll.“Man müsse beobachten und abwarten.

Beobachten, abwarten – es ist das, was eine Netzwerker­in tut.

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Archivfoto: Christian Eckl Eine Szene aus dem Herbst 2016: Gloria von Thurn und Taxis kniet vor Gerhard Ludwig Kardinal Müller nieder und küsst seinen Ring. Vielen gilt ihr Schloss St. Emmeram in Regensburg als Herzkammer des konservati­ven Katholizis­mus in Deutschlan­d.
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Foto: dpa Das Kloster Trisulti in Italien: Hier soll eine „Gladiatore­nschule für Kulturkämp­fer“entstehen.
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Foto: imago Ein Paar, das stets Blicke auf sich zog: Johannes von Thurn und Taxis und Gloria im Jahr 1986.

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