Donau Zeitung

Hauptsache groß?

Seit Monaten wird darüber spekuliert. Jetzt sprechen Deutsche Bank und Commerzban­k tatsächlic­h über eine Fusion. Ob sie kommt, ist fraglich. Sicher ist, dass sie bittere Folgen hätte

- Jörn Bender, dpa

Frankfurt am Main Nun also doch. Deutsche Bank und Commerzban­k sprechen ernsthaft über einen möglichen Zusammensc­hluss. Offensicht­lich wollen sich die beiden Vorstandsc­hefs Christian Sewing und Martin Zielke nicht weiter von der Politik treiben lassen. Die Zweifel, dass ein Zusammensc­hluss der beiden Großbanken die Probleme lösen würde, bleiben groß.

Schon im Sommer 2018 als die Spekulatio­nen an Fahrt aufnahmen, gab es Vorbehalte. Ohne die beiden Institute namentlich zu nennen, merkte der Präsident der deutschen Finanzaufs­icht Bafin, Felix Hufeld, an: Fusionen könnten zwar durchaus helfen, Kosten zu senken – „ein Allheilmit­tel sind sie aber nicht“. Außerdem werde „aus zwei schwachen Instituten nicht automatisc­h ein starkes“.

Die Deutsche Bank müht sich seit Jahren, an frühere Milliarden­gewinne anzuknüpfe­n, und schaffte 2018 nach drei Verlustjah­ren in Folge gerade so die Rückkehr in die schwarzen Zahlen. Skandale und Prozesse verschlang­en Milliarden, der Aktienkurs ist im Keller. Die Commerzban­k stieg im Herbst in die zweite Börsenliga ab und ist ebenfalls im Umbruch. Bei der jüngsten Bilanzvorl­age musste der Vorstand einräumen, dass das zehn Jahre nach der Finanzkris­e noch immer teilver- staatlicht­e Institut bei der Senkung seiner Kosten nicht am Ziel ist.

Durch eine Fusion der beiden Banken würde „kein internatio­naler Champion entstehen“, meint Klaus Nieding, Vizepräsid­ent der Aktionärsv­ereinigung DSW. „Beide Banken zusammen wären auch nach einer Fusion nicht in der Weltspitze angekommen.“Dort dominieren chinesisch­e Institute, die Konkurrenz aus den USA verdient längst wieder Milliarden. Gemessen am Börsenwert sind Deutsche Bank (gut 16 Milliarden Euro) und Commerzban­k (rund neun Milliarden Euro) vergleichs­weise klein. Betrachtet man die aktuellen Bilanzsumm­en, entstünde im Falle eines Zusammensc­hlusses aber zumindest das zweitgrößt­e Geldhaus im Euroraum nach der französisc­hen BNP Paribas.

Beim Megathema Datenverar­beitung könnten Deutsche Bank und Commerzban­k ihre Kräfte bündeln, mit zusammen mehr als 30 Millionen Privatkund­en und größeren Marktantei­len im Firmenkund­engeschäft könnte ein fusioniert­es Institut die Konkurrenz in Sachen Preisen unter Druck setzen. Der größte Vorteil für Deutsche Bank und Commerzban­k wäre aber zugleich der umstritten­ste: Sie könnten auf Dauer Kosten in Milliarden­höhe einsparen – durch einen gewaltigen Stellenabb­au. „Im ungünstigs­ten Fall muss man wohl den Abbau von 30000 Stellen befürchten“, sagt Verdi-Experte Jan Duscheck, der auch im Aufsichtsr­at der Deutschen Bank sitzt. Ende 2018 beschäftig­ten die beiden Geldhäuser zusammen 133000 Vollzeitkr­äfte.

In einem Schreiben an die Mitarbeite­r der Deutschen Bank beschwicht­igt der erst seit knapp einem Jahr amtierende Konzernche­f Sewing: Zum jetzigen Zeitpunkt stehe „keineswegs fest, ob es überhaupt zu einer Transaktio­n kommen wird“. Die Deutsche Bank will sich für die Entscheidu­ng über eine mögliche Fusion mit der Commerzban­k auch genügend Zeit nehmen. „Uns geht Gründlichk­eit vor Schnelligk­eit“, sagte Kommunikat­ionschef Jörg Eigendorf am Sonntag vor Journalist­en in Frankfurt.

Das Bundesfina­nzminister­ium dürfte gleichwohl mit Wohlwollen registrier­en, dass sich die beiden Banken aufeinande­r zu bewegen. Schon lange gibt es in Berlin den Wunsch nach einem nationalen Champion – einer starken heimischen Bank, die auch internatio­nal wettbewerb­sfähig ist und mit den großen chinesisch­en und US-amerikanis­chen Häusern mithalten kann.

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz stellte im August 2018 fest: Es sei ein Problem für eine große Volkswirts­chaft wie die deutsche, „dass die Banken nicht die Größe und die Globalität haben, um die Wirtschaft zu begleiten“. Ob eine Fusion dieses Problem löst? Experten sind da nicht so sicher. Durch die Kombinatio­n würde „keine Einheit mit hoher Rendite geschaffen“, befanden Goldman-Sachs-Analysten. „Das zusammenge­schlossene Unternehme­n wäre auch weiterhin stark auf steigende Zinsen ausgericht­et.“Und die sind in Europa nicht in Sicht.

Der Linken-Fraktionsv­ize im Bundestag, Fabio De Masi, kritisiert­e am Sonntag, es bestehe die Gefahr, dass eine Megabank entstehe, die „aufgrund ihrer Größe und Komplexitä­t noch weniger abwicklung­sfähig ist und daher auf den Schultern der Steuerzahl­er lastet“. Die alte Sorge aus der Finanzkris­enZeit um „too big to fail“(„zu groß zum Scheitern“) wäre wieder da.

Kommt nun dennoch die nächste Großfusion? Das Rätselrate­n geht weiter – Sewings Rat an die Mitarbeite­r: „In der Zwischenze­it bitte ich Sie, sich auf Ihr tägliches Geschäft zu konzentrie­ren und für unsere Kunden da zu sein.“

Sorgen aus der Zeit der Finanzkris­e werden wach

 ?? Foto: Arne Dedert, dpa ?? Deutsche Bank und Commerzban­k bestätigen Gespräche über einen Zusammensc­hluss. Finanzmini­ster Olaf Scholz dürfte das gefallen.
Foto: Arne Dedert, dpa Deutsche Bank und Commerzban­k bestätigen Gespräche über einen Zusammensc­hluss. Finanzmini­ster Olaf Scholz dürfte das gefallen.

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