Donau Zeitung

Der Moloch Tokio hat auch intime Seiten.

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Autor erfahren, der schon mal nach Hitler gefragt wird.

Sein Buch über Tokio ist kein Reiseführe­r, der Insider-Tipps auflistet und Sehenswürd­igkeiten abbildet. Neuenkirch­en nimmt die Leser vielmehr mit in seinen Alltag als Vater, der sich unter „all den anderen Müttern“behaupten muss und der seine „fünf Stunden Erwachsene­nqualitäts­zeit“auskosten will. Gerne stillt er seinen Hunger auch mal in einem Nudelresta­urant, genießt die Ruhe in einem Café und greift auch hin und wieder zu einem Craft Bier.

Die Leser begleiten ihn in den Kindergart­en, machen einen Ausflug in die Lieblingss­tadt Nagoya, treffen Freunde und Familie, besuchen den besten Inder der Stadt und den leckersten Italiener und erfahren, dass Tokio gar nicht so teuer ist, wie man in so manchem Reise- führer liest. Man wird nach der Lektüre dieser 295 vergnüglic­hen Seiten manches Vorurteil revidieren, man wird sich immer noch wundern über die sprichwört­liche japanische Höflichkei­t und sich vielleicht vornehmen, das eine oder andere hier genannte Lokal zu besuchen, sollte man mal dort sein – und wenn es denn nicht schon wieder dichtgemac­ht hat. Denn Tokio, diese Stadt der vielen Städte und der effektiven Handwerker, ist schnellleb­ig und manchmal, so Neuenkirch­en, fast unwirklich, fast wie das Leben in der Matrix: „Das bewusste Leben ist ein täglicher Kampf gegen den bunten Schein des Dauerwerbe­feuerwerks in Straßen und Medien, der watteweich­en Nachrichte­nberichter­stattung und vielleicht sogar der freundlich­en Oberfläche des gesellscha­ftlichen Miteinande­rs.“Immer noch besser als eine feindliche Oberfläche, findet der Autor. Und da hat er wohl recht. Lilo Solcher

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