Mit Nonnentrompete in die Wellhalla
Wie die Wellküren im ausverkauften Stadeltheater mit Stubnmusi zur Rettung des Abendlandes antreten – und wie sich der Klang der Nonnentrompete anfühlt
Es gibt einen Ruhmestempel, in dem so ziemlich alle Mitglieder der Großfamilie Well inzwischen Aufnahme gefunden haben. Die spöttischen Götter und Göttinnen des bayerischen Musikkabaretts residieren als Wellbrüder aus’m Biermoos (ehemals BiermöslBlosn), als Geschwister Well, als Wellbappn oder als Wellküren längst in ihrer eigenen Wellhalla. Und die Wellküren, jene Todesengel, die im Wellhall angeblich Bier an gefallene Helden ausschenken, kredenzen im ausverkauften Lauinger Stadeltheater ein kabarettistisches Presto furioso: Wortwitz wird gepaart mit politischen, bayerischen und auch Dada-Weisheiten. Mit Musikwitz nutzen sie Akkordeon und Gitarre, Harfe und Hackbrett, Saxophon, Tuba und Trumscheit, jenes schräge Instrument, das auch Nonnentrompete genannt wird. Gnadenlos stimmen die WellSchwestern damit „Spiel mir das Lied vom Tod“an, Ennio Morricones Titelmelodie aus dem gleichnamigen Italowestern-Klassiker. Damit dabei keine Well-ness aufkommt, schießen sich die Damen umgehend auf Seehofer, Söder, Scheuer, überhaupt auf die gesamte bayerische Politik ein.
Natürlich dreht sich in dieser multi-musikalischen Revue alles um Stubnmusi und bayerischen Dreigesang. Doch die Stubn von Moni, Burgi und Bärbi Well ist längst eine Well-Galaxie, die irgendwo im Abendland zwischen Günzelhofen und Oberschweinbach liegt. Dort sagt man Grüaß Gott statt Allahu Akbar, praktiziert den Ramadan auf dem Nockherberg und gründet die „Stugida“, die „Stubnmusik gegen die Idiotisierung des Abendlandes“. Dabei tanzt man einen Abendlandler im Dreivierteltakt und bläst den Leitkultur-Kapos in Bayern und der Welt den WellhallaMarsch. Es scheint, als ob die Damen Well die inzwischen eher handzahmeren Herren Well (Ausnahme Hans Well und Wellbappn) mit wachsender Politisierung konterkarieren wollten. Klar, die Wells spielen auch als Well-Geschwister immer wieder zusammen. Doch beim ureigenen Ritt der Wellküren zögern diese Schildjungfern der südlichen Musik-Mythologie nicht, den Politund anderen Wotans dieser Welt Mores zu lehren. Zumindest pusten sie mit ihren Liedern, ob spöttischkritisch oder feingeistig-brachial, deren pseudodemokratischen Feigenblätter dermaßen zur Seite, dass es im Stadeltheater nur so rauscht. Eine Harfe für Putin, eine Zither für Erdogan und – it’s true – eine Triangel für Trump. Bei solch weltpolitischer Harmonielehre rückt der Well-Frieden im Well-All zwangsläufig näher. Es sei denn, Moni steigert sich mit ihrer Schwertgosch in einen Furor, in dem sie alles niedermäht, was rechts oder populistisch ist, Fremdenhass sät oder irgendwas mit AfD zu tun hat. Im nächsten Atemzug ist das Terzett bei den wirklich wichti- gen Ereignissen und Exzessen dieser Welt. Die reichen vom Thermomix über amazon-gesteuerte Paketdienste und Partnersuche im Internet bis zum Rentner-Treff in der Maratonga-Bar oder im Hasslinger Hof, wo „Überlebende auf Hinterbliebene“stoßen. Da passt die Hommage von Moni, Bärbi und Burgi, die in „mei Oida, der schaut auf mi“einer der musikalischen Ikonen der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung huldigen: Nina Simone („my baby just cares for me“). Eine Wellküren-Huldigung muss auch Mozart über sich ergehen lassen. Dessen A-Dur-Sonate für Klavier spielen sie auf Hackbrett, Harfe und Gitarre – in G-Dur.
Zu Beginn hatte Moni in ihrem „Monilog“vor der digitalen Berieselung aus den asozialen Netzen und den omnipräsenten Talkshow-Laberern gewarnt. Doch auch sie ist dem Lockruf der Illner-WillMaischberger-Sirenen erlegen und co-moderiert inzwischen den sonntäglichen Live-Stammtisch im Bayerischen Fernsehen. Zum Glück nur alle 14 Tage. Sonst könnten die Wellküren ihr Publikum draußen im Land vielleicht nicht mehr so oft so begeistern wie am Samstag im Stadeltheater.