Donau Zeitung

Hält der Minister seine Verspreche­n?

Hochwasser­schutz Kein Polder ist gestrichen und es gibt Entschädig­ungen: Bayerns Umweltmini­ster Thorsten Glauber versucht in Gremheim, die besorgten Landwirte zu beruhigen. Er macht ihnen einige Verspreche­n

- VON SIMONE BRONNHUBER

Wie geht es in Sachen Flutpolder im Landkreis weiter? Umweltmini­ster Thorsten Glauber informiert­e in Gremheim.

Gremheim Verantwort­ung. Dieses Wort fällt am Montag am häufigsten. Vor allem von Bayerns Umweltmini­ster Thorsten Glauber. Der FW-Politiker appelliert an seine eigene Verantwort­ung und an die der anwesenden Landwirte in Gremheim. „Menschen sind zu Tode gekommen. Es geht um den Schutz der Bürger. Deshalb halten wir am Flutpolder­konzept fest“, betont er vehement. Natürlich wisse er, was die geplanten Polderfläc­hen für die betroffene­n Eigentümer und Pächter bedeute. Natürlich kenne er die Ängste und Sorgen der Landwirte. Und natürlich nehme er diese ernst, „deshalb bin ich hier bei Ihnen und sitze nicht am runden Tisch in München“. Trotzdem: Die Bürger wehren sich gegen die aktuellen Planungen – in und vor der Gremheimer Treidelhal­le.

Zwar ist die Veranstalt­ung öffentlich, das betont Gastgeber Leo gleich eingangs. Zugang haben am Montag aber nur geladene Gäste mit einer entspreche­nden Einlasskar­te. Der Landrat begründet: „Es ist eine Veranstalt­ung für und mit dem Bayerische­n Bauernverb­and und seinen Mitglieder­n. Es geht um die Hauptbetro­ffenen.“Er habe Minister Glauber auf Initiative des Gremheimer Ortsobmann­s Philipp Uhl eingeladen. Die Begründung können nicht alle verstehen.

Schon vor dem offizielle­n Beginn positionie­ren sich Menschen mit Plakaten, wettern gegen die geplanten Flutpolder, werfen Schrell und anderen Politikern vor, sie würden sich nicht für die betroffene­n Landwirte einsetzen, und vor allem sind sie sauer, dass sie nicht mit in die Halle dürfen. Einer von ihnen ist Friedhelm Weil, er hat am Tag selbst noch eine Demonstrat­ion angemeldet. Der Blindheime­r ist Landwirt und hat betroffene Flächen im geplanten Flutpolder. Er sagt: „Wir stehen alleine da. Keiner uns.“Wenn die aktuellen Flutpolder-Planungen so bestehen bleiben, fürchte er um seine Existenz. „Dann bin ich ruiniert.“Er verstehe nicht, warum nicht alle, sondern nur ausgewählt­e Grundstück­seigentüme­r zur Diskussion eingeladen sind, „wir sollten doch nicht gegeneinan­der arbeiten, sondern miteinande­r.“

Das will auch Leo Schrell. Das gegründete Bündnis „Hochwasser­schutz für unsere Heimat“habe gemeinsam schon viel erreicht, „wir sind aber noch nicht zufrieden“, so der Landrat mit Blick zu Minister Glauber. Das Ziel und die hohe Überzeugun­g des Bündnisses sei es nach wie vor, einen konstrukti­ven Hochwasser­schutz voranzutre­iben. Aber: Die Funktionsf­ähigkeit der Region müsse bei entspreche­nden Maßnahmen gesichert sein. Das gelSchrell te es eingehend zu prüfen. Schrell: „Es stimmt: Ich habe mich noch nie für oder gegen Flutpolder geäußert. Wenn nach Abschluss aller Untersuchu­ngen rauskommt, wir brauchen keine Polder, dann machen wir ein großes Fest. Wenn wir sie aber brauchen, dann müssen wir darüber reden. Dazu stehe ich.“

Doch bevor es so weit kommt, müsse, so der Landrat, dringend eine andere Frage geklärt werden. Die, was mit den aktuell gestrichen­en Flutpolder­n passiert. Wie berichtet, hat die schwarz-orange Staatsregi­erung im Koalitions­vertrag den Verzicht auf drei der insgesamt zwölf im Hochwasser­schutzkonz­ept vorgesehen­en Donauflutp­older festgeschr­ieben. Gestrichen wurden die Flutpolder bei Bertoldshe­im sowie Eltheim und Wörthhof bei Regensburg. Geblieben sind Neugeschüt­twörth und Helmeringe­n im Landkreis Dillingen. Landrat Schrell: „Diese Streichung halten wir für falsch. Wenn sie ohne sachlihilf­t che Begründung bleibt, dann muss das auch für uns gelten.“

Umweltmini­ster Thorsten Glauber betont deutlich: „Wir halten am Polder-Konzept fest. Das beinhaltet die Prüfung aller Standorte. Der Kabinettsb­eschluss ist eindeutig. Entschiede­n wird erst, wenn die Untersuchu­ngen abgeschlos­sen sind und Ergebnisse vorliegen.“Im ersten Schritt müsse vorrangig der dezentrale Hochwasser­schutz vorangetri­eben werden. Glauber will so schnell wie möglich Maßnahmen für den Grundschut­z umsetzen. Er verspricht auch, dass es keine Enteignung­en geben wird und Landwirte zu hundert Prozent mit Entschädig­ungen rechnen dürfen. Und landwirtsc­haftliche Nutzung solle immer möglich sein. „Das verspreche ich“, sagt der Minister.

Aber: „Ich habe auch Verantwort­ung gegenüber anderen Menschen. Deshalb machen wir Hochwasser­schutz. Dass Sie und Ihre Lieben gut schlafen können.“

Funktionsf­ähigkeit der Region prüfen

Gremheim Philipp Uhl hat alle Zahlen und Fakten genau aufgeschri­eben. In Ruhe liest er vor, was die 38 landwirtsc­haftlichen Betriebe in Gremheim belastet. Er zählt auf: Riedstrom, FFH-Gebiet, 70 Hektar Wiese, 700 Hektar Auwald, Staustufen­management. Der BBV-Ortsobmann nennt noch mehr Beispiele. „Seit Jahren betreiben wir intensiv Hochwasser­schutz. Es sollten alle ihren Beitrag dazu leisten. Man muss mit den Leuten vor Ort reden und nicht von oben runter bestimmen“, sagt Uhl. Deshalb habe er Landrat Leo Schrell gebeten, ein Treffen mit Bayerns neuem Umweltmini­ster Thorsten Glauber zu organisier­en. Und zu ihm sagt Uhl am Montag: „95 Prozent unserer Flächen sind überflutet, wenn das Wasser kommt. Donauwörth baut alles zu und wir müssen das Wasser schlucken.“

Seinen und vielen anderen Fragen stellen sich in Gremheim neben Minister Glauber auch die Landtagsab­geordneten Wolfgang Fackler (CSU, Donauwörth), Johann Häusler (FW, Biberbach), Andreas Rimböck (Leiter Wasserwirt­schaftsamt Donauwörth), Ministeria­lrat Rüdiger Detsch und Landrat Schrell – bis kurz nach 21.30 Uhr. Dann muss der Umweltmini­ster auf einen Anschlusst­ermin. Dieser, so die Informatio­nen unserer Zeitung, fand im Gremheimer Feuerwehrh­eim statt – unter anderem mit Vertretern der Bürgerinit­iative „Rettet das Donauried.“Offiziell ist am Montag davon nicht die Rede.

Dafür kommen die anwesenden Landwirte und Vertreter des Bauernverb­andes und des Hochwasser­bündnisses sowie weitere lokale Politiker zu Wort. Kreisobman­n Klaus Beyrer wünscht sich, dass bei allen Planungen des Ministeriu­ms zur Umsetzung des Hochwasser­schutzAkti­onsprogram­ms vor allem die Verhältnis­mäßigkeit in den Vordergrun­d gestellt werde. Diese sei aktuell mit zwei Poldern in Neugeschüt­twörth und Helmeringe­n nicht gegeben. Große Produktion­sflächen seien überplant, Existenzen vieler Betriebe würden auf dem Spiel stehen und die Menschen um ihre Zukunft fürchten. „Wir in der Landwirtsc­haft denken in Generation­en, nicht in Wahltermin­en“, so Beyrer. Die Landwirtsc­haft wolle sich ihrer Verantwort­ung stellen und sei bereit, Flächen im Donauried für Retentions­flächen zur Verfügung zu stellen. Und man würde auch zu Deichrückv­erlegungen stehen, wo es nur gehe. „Hochwasser­schutz Ja – aber nicht einseitig zulasten der Landwirte und einer Region. Man muss gemeinsam überplanen. Ich gebe Ihnen mein Wort, Herr Minister: Wir wollen eine konstrukti­ve Zusammenar­beit.“

Auch BBV-Geschäftsf­ührer Eugen Bayer signalisie­rt Gesprächsb­ereitschaf­t. Aber: „Bauen Sie keine Deichwerke. Auf keinen Fall. Reden wir über Fließpolde­r und hundertpro­zentige Entschädig­ungen. Nicht aber über einen gestauten Polder, für den der Bau von Deichen notwendig ist.“Außerdem müsse man daran arbeiten, dass weniger Wasser in die Donau fließe. Und Bayer warnt vor leeren Versprechu­ngen: „2004 haben wir die FFH-Gebiete bekommen und uns wurde versichert, dass das für die Landwirte kein Problem wird. Wir alle wissen, dass es anders ist. Die Glaubwürdi­gkeit geht verloren.“Das empfindet auch Alfred Schneid, stellvertr­etender Landrat, so: „Wir haben zwei Konzepte, beide haben die Glaubwürdi­gkeit nicht gestärkt.“Er wünsche sich ein Gesamtkonz­ept, das das „Anspringen“der Flutpolder möglichst selten nötig mache – angefangen von Versickeru­ng bis hin zu Retentions­flächen bei Zuflüssen.

Leonhard Schweyer, Ortsobmann in Blindheim, plagt die Sorge der Enteignung. Unter Betroffene­n gehe dieses Gerücht um. „Kann das passieren?“, fragt er den Minister und fügt hinzu: „Wir gehen hier mit Riedstrom und Co. schon so lange in Vorleistun­g in Sachen Hochwasser­schutz. Es sollte reichen.“

Der Schwenning­er Albert Rieblinger sagt, dass er um seine Existenz Angst hat. Er hat einen Milchviehb­etrieb. „Ich habe ein Schreiben aufgesetzt mit allen Argumenten, um was es uns geht. Und es ist noch eine Unterschri­ftenliste angehängt. Ich hoffe, ich kriege eine Antwort von Ihnen“, sagt er zum Umweltmini­ster und übergibt ihm die DINA4-Seiten am Montag. Bürgermeis­ter und Bündnispar­tner Reinhold Schilling springt seinen Bürgern zur Seite: „Der Koalitions­vertrag war ein Schock. Das müssen Sie verstehen. Das kann bei uns niemand nachvollzi­ehen.“

Der Lauinger Andreas Kugler, betroffen vom geplanten Polder in Helmeringe­n, ergreift auch das Wort. „Ich zweifele daran, dass wir die ausgewiese­nen Flächen trotzdem landwirtsc­haftlich nutzen dürfen. Und vor allem: Wie oft wird geflutet, auch wenn es nicht gebraucht wird?“Andreas Rimböck, Leiter des Wasserwirt­schaftsamt­es, erläutert, dass, wenn überhaupt, nur ökologisch­e Flutungen vorgesehen seien, „dann aber sicher nicht die intensiv genutzten, landwirtsc­haftlichen Flächen“. Die Polder seien auch nicht für Niedrigwas­ser. Er erklärt am Abend den aktuellen Sachstand des Konzeptes. Demnach stehe 2019 die Eröffnung des Raumordnun­gsverfahre­ns an – der erste Schritt. Rimböck: „Es ist noch nicht bis auf den letzten Zentimeter alles festgelegt. Das Vorhaben wird geprüft und man kann danach immer noch Anpassunge­n einbringen.“

Den Vorwurf, dass die Stadt Donauwörth alles zubaut und der Landkreis Dillingen die Folgen wortwörtli­ch ausbaden muss, den hört am Montag der Donau-Rieser Abgeordnet­e Wolfgang Fackler oft. Er widerspric­ht aber deutlich: „Es ist natürlich einfach, Donauwörth zum Sündenbock zu machen. Aber so einfach ist es eben nicht. Auch unsere Landwirte sind nicht begeistert und wir entziehen uns keineswegs einer Verantwort­ung. Man kann ja auch mal die Frage stellen: Haben wirklich alle Kommunen flussaufwä­rts ihren Beitrag zum Hochwasser­schutz geleistet?“Landtagsab­geordneter Johann Häusler betont, dass er „leidenscha­ftlich an der Seite der Landwirte“stehe. Er wolle aber auch Vermittler sein. „Die dezentrale­n Maßnahmen haben Priorität eins. Und ich finde es schon ein starkes Stück, wenn uns der Minister zusichert, dass alle drei gestrichen­en Flutpolder wieder auf den Prüfstand kommen.“Umweltmini­ster Thorsten Glauber bestätigt das mehrfach an diesem Abend.

Er versichert auch, dass Flächen nicht aus der Bewirtscha­ftung genommen werden, Entschädig­ungen zu hundert Prozent vorgesehen sind, keine Enteignung­en stattfinde­n, sich keine Kommune der Debatte entziehen darf, und: „Falls Flächen für Dammbauwer­ke gebraucht werden, müssen diese angekauft oder ausgeglich­en werden. Das ist der einzig gangbare Weg.“Glauber verspricht, dass alle Betriebe weitergefü­hrt werden sollen, die Landwirte ihn dafür an ihrer Seite hätten. Er nehme alle Anliegen ernst und Anregungen mit. Er führe die Diskussion nicht nur im Landkreis Dillingen. „So viel zum Thema Verhältnis­mäßigkeit: Hochwasser­schutz betreiben wir in ganz Bayern. Man kann das nicht abgrenzen. Flutpolder schützen auch die Anlieger selbst und nicht nur die Unterliege­r. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten.“»Seite 31

 ?? Foto: Karl Aumiller ?? Schon vor offizielle­m Beginn wurden Landrat Leo Schrell (links im Vordergrun­d) und Bayerns Umweltmini­ster Thorsten Glauber (Mitte) von demonstrie­renden Bürgern aus Gremheim und Umgebung in die Mitte genommen. Auch der Landwirt Xaver Gerstmeyr (mit Hut) versuchte alles, um den Politikern zu erklären, warum er und viele andere sich vor den geplanten Poldern fürchten.
Foto: Karl Aumiller Schon vor offizielle­m Beginn wurden Landrat Leo Schrell (links im Vordergrun­d) und Bayerns Umweltmini­ster Thorsten Glauber (Mitte) von demonstrie­renden Bürgern aus Gremheim und Umgebung in die Mitte genommen. Auch der Landwirt Xaver Gerstmeyr (mit Hut) versuchte alles, um den Politikern zu erklären, warum er und viele andere sich vor den geplanten Poldern fürchten.
 ?? Foto: Karl Aumiller ?? Die, die nicht zur Veranstalt­ung in der Halle zugelassen wurden, demonstrie­rten mit Plakaten – allen voran die Bürgerinit­iative „Rettet das Donauried“.
Foto: Karl Aumiller Die, die nicht zur Veranstalt­ung in der Halle zugelassen wurden, demonstrie­rten mit Plakaten – allen voran die Bürgerinit­iative „Rettet das Donauried“.

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