Hält der Minister seine Versprechen?
Hochwasserschutz Kein Polder ist gestrichen und es gibt Entschädigungen: Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber versucht in Gremheim, die besorgten Landwirte zu beruhigen. Er macht ihnen einige Versprechen
Wie geht es in Sachen Flutpolder im Landkreis weiter? Umweltminister Thorsten Glauber informierte in Gremheim.
Gremheim Verantwortung. Dieses Wort fällt am Montag am häufigsten. Vor allem von Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber. Der FW-Politiker appelliert an seine eigene Verantwortung und an die der anwesenden Landwirte in Gremheim. „Menschen sind zu Tode gekommen. Es geht um den Schutz der Bürger. Deshalb halten wir am Flutpolderkonzept fest“, betont er vehement. Natürlich wisse er, was die geplanten Polderflächen für die betroffenen Eigentümer und Pächter bedeute. Natürlich kenne er die Ängste und Sorgen der Landwirte. Und natürlich nehme er diese ernst, „deshalb bin ich hier bei Ihnen und sitze nicht am runden Tisch in München“. Trotzdem: Die Bürger wehren sich gegen die aktuellen Planungen – in und vor der Gremheimer Treidelhalle.
Zwar ist die Veranstaltung öffentlich, das betont Gastgeber Leo gleich eingangs. Zugang haben am Montag aber nur geladene Gäste mit einer entsprechenden Einlasskarte. Der Landrat begründet: „Es ist eine Veranstaltung für und mit dem Bayerischen Bauernverband und seinen Mitgliedern. Es geht um die Hauptbetroffenen.“Er habe Minister Glauber auf Initiative des Gremheimer Ortsobmanns Philipp Uhl eingeladen. Die Begründung können nicht alle verstehen.
Schon vor dem offiziellen Beginn positionieren sich Menschen mit Plakaten, wettern gegen die geplanten Flutpolder, werfen Schrell und anderen Politikern vor, sie würden sich nicht für die betroffenen Landwirte einsetzen, und vor allem sind sie sauer, dass sie nicht mit in die Halle dürfen. Einer von ihnen ist Friedhelm Weil, er hat am Tag selbst noch eine Demonstration angemeldet. Der Blindheimer ist Landwirt und hat betroffene Flächen im geplanten Flutpolder. Er sagt: „Wir stehen alleine da. Keiner uns.“Wenn die aktuellen Flutpolder-Planungen so bestehen bleiben, fürchte er um seine Existenz. „Dann bin ich ruiniert.“Er verstehe nicht, warum nicht alle, sondern nur ausgewählte Grundstückseigentümer zur Diskussion eingeladen sind, „wir sollten doch nicht gegeneinander arbeiten, sondern miteinander.“
Das will auch Leo Schrell. Das gegründete Bündnis „Hochwasserschutz für unsere Heimat“habe gemeinsam schon viel erreicht, „wir sind aber noch nicht zufrieden“, so der Landrat mit Blick zu Minister Glauber. Das Ziel und die hohe Überzeugung des Bündnisses sei es nach wie vor, einen konstruktiven Hochwasserschutz voranzutreiben. Aber: Die Funktionsfähigkeit der Region müsse bei entsprechenden Maßnahmen gesichert sein. Das gelSchrell te es eingehend zu prüfen. Schrell: „Es stimmt: Ich habe mich noch nie für oder gegen Flutpolder geäußert. Wenn nach Abschluss aller Untersuchungen rauskommt, wir brauchen keine Polder, dann machen wir ein großes Fest. Wenn wir sie aber brauchen, dann müssen wir darüber reden. Dazu stehe ich.“
Doch bevor es so weit kommt, müsse, so der Landrat, dringend eine andere Frage geklärt werden. Die, was mit den aktuell gestrichenen Flutpoldern passiert. Wie berichtet, hat die schwarz-orange Staatsregierung im Koalitionsvertrag den Verzicht auf drei der insgesamt zwölf im Hochwasserschutzkonzept vorgesehenen Donauflutpolder festgeschrieben. Gestrichen wurden die Flutpolder bei Bertoldsheim sowie Eltheim und Wörthhof bei Regensburg. Geblieben sind Neugeschüttwörth und Helmeringen im Landkreis Dillingen. Landrat Schrell: „Diese Streichung halten wir für falsch. Wenn sie ohne sachlihilft che Begründung bleibt, dann muss das auch für uns gelten.“
Umweltminister Thorsten Glauber betont deutlich: „Wir halten am Polder-Konzept fest. Das beinhaltet die Prüfung aller Standorte. Der Kabinettsbeschluss ist eindeutig. Entschieden wird erst, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind und Ergebnisse vorliegen.“Im ersten Schritt müsse vorrangig der dezentrale Hochwasserschutz vorangetrieben werden. Glauber will so schnell wie möglich Maßnahmen für den Grundschutz umsetzen. Er verspricht auch, dass es keine Enteignungen geben wird und Landwirte zu hundert Prozent mit Entschädigungen rechnen dürfen. Und landwirtschaftliche Nutzung solle immer möglich sein. „Das verspreche ich“, sagt der Minister.
Aber: „Ich habe auch Verantwortung gegenüber anderen Menschen. Deshalb machen wir Hochwasserschutz. Dass Sie und Ihre Lieben gut schlafen können.“
Funktionsfähigkeit der Region prüfen
Gremheim Philipp Uhl hat alle Zahlen und Fakten genau aufgeschrieben. In Ruhe liest er vor, was die 38 landwirtschaftlichen Betriebe in Gremheim belastet. Er zählt auf: Riedstrom, FFH-Gebiet, 70 Hektar Wiese, 700 Hektar Auwald, Staustufenmanagement. Der BBV-Ortsobmann nennt noch mehr Beispiele. „Seit Jahren betreiben wir intensiv Hochwasserschutz. Es sollten alle ihren Beitrag dazu leisten. Man muss mit den Leuten vor Ort reden und nicht von oben runter bestimmen“, sagt Uhl. Deshalb habe er Landrat Leo Schrell gebeten, ein Treffen mit Bayerns neuem Umweltminister Thorsten Glauber zu organisieren. Und zu ihm sagt Uhl am Montag: „95 Prozent unserer Flächen sind überflutet, wenn das Wasser kommt. Donauwörth baut alles zu und wir müssen das Wasser schlucken.“
Seinen und vielen anderen Fragen stellen sich in Gremheim neben Minister Glauber auch die Landtagsabgeordneten Wolfgang Fackler (CSU, Donauwörth), Johann Häusler (FW, Biberbach), Andreas Rimböck (Leiter Wasserwirtschaftsamt Donauwörth), Ministerialrat Rüdiger Detsch und Landrat Schrell – bis kurz nach 21.30 Uhr. Dann muss der Umweltminister auf einen Anschlusstermin. Dieser, so die Informationen unserer Zeitung, fand im Gremheimer Feuerwehrheim statt – unter anderem mit Vertretern der Bürgerinitiative „Rettet das Donauried.“Offiziell ist am Montag davon nicht die Rede.
Dafür kommen die anwesenden Landwirte und Vertreter des Bauernverbandes und des Hochwasserbündnisses sowie weitere lokale Politiker zu Wort. Kreisobmann Klaus Beyrer wünscht sich, dass bei allen Planungen des Ministeriums zur Umsetzung des HochwasserschutzAktionsprogramms vor allem die Verhältnismäßigkeit in den Vordergrund gestellt werde. Diese sei aktuell mit zwei Poldern in Neugeschüttwörth und Helmeringen nicht gegeben. Große Produktionsflächen seien überplant, Existenzen vieler Betriebe würden auf dem Spiel stehen und die Menschen um ihre Zukunft fürchten. „Wir in der Landwirtschaft denken in Generationen, nicht in Wahlterminen“, so Beyrer. Die Landwirtschaft wolle sich ihrer Verantwortung stellen und sei bereit, Flächen im Donauried für Retentionsflächen zur Verfügung zu stellen. Und man würde auch zu Deichrückverlegungen stehen, wo es nur gehe. „Hochwasserschutz Ja – aber nicht einseitig zulasten der Landwirte und einer Region. Man muss gemeinsam überplanen. Ich gebe Ihnen mein Wort, Herr Minister: Wir wollen eine konstruktive Zusammenarbeit.“
Auch BBV-Geschäftsführer Eugen Bayer signalisiert Gesprächsbereitschaft. Aber: „Bauen Sie keine Deichwerke. Auf keinen Fall. Reden wir über Fließpolder und hundertprozentige Entschädigungen. Nicht aber über einen gestauten Polder, für den der Bau von Deichen notwendig ist.“Außerdem müsse man daran arbeiten, dass weniger Wasser in die Donau fließe. Und Bayer warnt vor leeren Versprechungen: „2004 haben wir die FFH-Gebiete bekommen und uns wurde versichert, dass das für die Landwirte kein Problem wird. Wir alle wissen, dass es anders ist. Die Glaubwürdigkeit geht verloren.“Das empfindet auch Alfred Schneid, stellvertretender Landrat, so: „Wir haben zwei Konzepte, beide haben die Glaubwürdigkeit nicht gestärkt.“Er wünsche sich ein Gesamtkonzept, das das „Anspringen“der Flutpolder möglichst selten nötig mache – angefangen von Versickerung bis hin zu Retentionsflächen bei Zuflüssen.
Leonhard Schweyer, Ortsobmann in Blindheim, plagt die Sorge der Enteignung. Unter Betroffenen gehe dieses Gerücht um. „Kann das passieren?“, fragt er den Minister und fügt hinzu: „Wir gehen hier mit Riedstrom und Co. schon so lange in Vorleistung in Sachen Hochwasserschutz. Es sollte reichen.“
Der Schwenninger Albert Rieblinger sagt, dass er um seine Existenz Angst hat. Er hat einen Milchviehbetrieb. „Ich habe ein Schreiben aufgesetzt mit allen Argumenten, um was es uns geht. Und es ist noch eine Unterschriftenliste angehängt. Ich hoffe, ich kriege eine Antwort von Ihnen“, sagt er zum Umweltminister und übergibt ihm die DINA4-Seiten am Montag. Bürgermeister und Bündnispartner Reinhold Schilling springt seinen Bürgern zur Seite: „Der Koalitionsvertrag war ein Schock. Das müssen Sie verstehen. Das kann bei uns niemand nachvollziehen.“
Der Lauinger Andreas Kugler, betroffen vom geplanten Polder in Helmeringen, ergreift auch das Wort. „Ich zweifele daran, dass wir die ausgewiesenen Flächen trotzdem landwirtschaftlich nutzen dürfen. Und vor allem: Wie oft wird geflutet, auch wenn es nicht gebraucht wird?“Andreas Rimböck, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes, erläutert, dass, wenn überhaupt, nur ökologische Flutungen vorgesehen seien, „dann aber sicher nicht die intensiv genutzten, landwirtschaftlichen Flächen“. Die Polder seien auch nicht für Niedrigwasser. Er erklärt am Abend den aktuellen Sachstand des Konzeptes. Demnach stehe 2019 die Eröffnung des Raumordnungsverfahrens an – der erste Schritt. Rimböck: „Es ist noch nicht bis auf den letzten Zentimeter alles festgelegt. Das Vorhaben wird geprüft und man kann danach immer noch Anpassungen einbringen.“
Den Vorwurf, dass die Stadt Donauwörth alles zubaut und der Landkreis Dillingen die Folgen wortwörtlich ausbaden muss, den hört am Montag der Donau-Rieser Abgeordnete Wolfgang Fackler oft. Er widerspricht aber deutlich: „Es ist natürlich einfach, Donauwörth zum Sündenbock zu machen. Aber so einfach ist es eben nicht. Auch unsere Landwirte sind nicht begeistert und wir entziehen uns keineswegs einer Verantwortung. Man kann ja auch mal die Frage stellen: Haben wirklich alle Kommunen flussaufwärts ihren Beitrag zum Hochwasserschutz geleistet?“Landtagsabgeordneter Johann Häusler betont, dass er „leidenschaftlich an der Seite der Landwirte“stehe. Er wolle aber auch Vermittler sein. „Die dezentralen Maßnahmen haben Priorität eins. Und ich finde es schon ein starkes Stück, wenn uns der Minister zusichert, dass alle drei gestrichenen Flutpolder wieder auf den Prüfstand kommen.“Umweltminister Thorsten Glauber bestätigt das mehrfach an diesem Abend.
Er versichert auch, dass Flächen nicht aus der Bewirtschaftung genommen werden, Entschädigungen zu hundert Prozent vorgesehen sind, keine Enteignungen stattfinden, sich keine Kommune der Debatte entziehen darf, und: „Falls Flächen für Dammbauwerke gebraucht werden, müssen diese angekauft oder ausgeglichen werden. Das ist der einzig gangbare Weg.“Glauber verspricht, dass alle Betriebe weitergeführt werden sollen, die Landwirte ihn dafür an ihrer Seite hätten. Er nehme alle Anliegen ernst und Anregungen mit. Er führe die Diskussion nicht nur im Landkreis Dillingen. „So viel zum Thema Verhältnismäßigkeit: Hochwasserschutz betreiben wir in ganz Bayern. Man kann das nicht abgrenzen. Flutpolder schützen auch die Anlieger selbst und nicht nur die Unterlieger. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten.“»Seite 31