Donau Zeitung

Im Streit um die Grundsteue­r gibt es nur Gewinner

Union und SPD haben einen vernünftig­en Kompromiss gefunden. Aber hat die Koalition damit auch die Zweifel an ihrer Handlungsf­ähigkeit ausgeräumt?

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Der Großen Koalition scheint die Quadratur des Kreises gelungen zu sein. Mit ihrer Einigung auf eine Reform der Grundsteue­r hat sie sich jedenfalls in vielen kleinen Schritten auf eine Lösung zubewegt, die in den letzten Wochen, wenn auch nicht undenkbar, so doch in ganz weite Ferne gerückt schien. In einer Marathonsi­tzung bis in den frühen Montagmorg­en hinein einigten sich die Parteien auf eine Kernforder­ung der Union: Die Länder sollen über sogenannte Öffnungskl­auseln mehr Spielraum bei der Erhebung der Grundsteue­r bekommen.

Damit kann die Reform bereits kommende Woche im Bundestag in erster Lesung beraten werden und die Chancen stehen gut, dass die neue Grundsteue­r zum Ende des Jahres fertig ist. Das drohende Szenario einer Bundesrepu­blik ohne

Steuern auf Grundstück­e, inklusive Mindereinn­ahmen in Milliarden­höhe, dürfte damit abgewendet sein. Diese Situation hätte ohne Einigung gedroht, denn nach einer Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts muss die Grundsteue­r bis Jahresende reformiert werden, weil sie derzeit auf jahrzehnte­alten Berechnung­sgrundlage­n beruht. So wird im Westen auf Werte aus 1964, im Osten gar auf Werte aus 1935 abgestellt.

Die Öffnungskl­ausel im neuen Gesetz wird auf Drängen von CDU und CSU eingeführt. Ein erster Denkimpuls wäre jetzt, daraus eine Niederlage für Finanzmini­ster Olaf Scholz und seine SPD zu machen. Denn Scholz hatte Öffnungskl­auseln zunächst abgelehnt.

Doch zur Wahrheit gehört, dass die Öffnungskl­ausel auch in der CDU Gegner hatte. Der jetzt vorliegend­en Einigung ging also auch eine Verständig­ung in den eigenen Reihen voraus, und man sollte sie deshalb nicht als Niederlage von irgendwem, sondern als Ergebnis eines demokratis­chen Diskussion­sprozesses innerhalb der Regierungs­parteien sehen. Dass Scholz nachgegebe­n hat, macht ihn eher zum Gewinner. Zumal CDU und CSU der SPD offenbar beim Solidaritä­tszuschlag entgegenka­men, um diesen Kompromiss möglich zu machen. Der Soli soll nun doch nur für 90 Prozent der Zahler abgeschaff­t werden. Die Union wollte ihn eigentlich komplett streichen.

Die drei Regierungs­parteien werten die Einigung als Beleg für die Arbeitsfäh­igkeit der Großen Koalition. Das ist nachvollzi­ehbar, auch wenn beispielsw­eise beim wichtigen Thema Grundrente eine Einigung noch auf sich warten lässt. Nun müssen allerdings weitere Taten folgen, um aus dem ersten Eindruck eine Gewissheit zu machen. Leicht wird das nicht.

Denn Union und SPD müssen für die Grundsteue­r-Reform noch viele Details regeln. Dazu gehört eine differenzi­erte Betrachtun­g von Privat- und Industrieg­rundstücke­n. Für die Novelle braucht es eine Grundgeset­zänderung und dafür wiederum sind in Bundestag und Bundesrat Zwei-Drittel-Mehrheiten erforderli­ch. Und es gilt eine Aufgabe zu stemmen, die wohl noch schwerer zu bewältigen ist: Die neue Grundsteue­r darf kein Bürokratie­monster werden, so haben es die Koalitionä­re versproche­n.

Darüber hinaus hat die Grundsteue­r noch eine weitere, von ihrer monetären Funktion völlig losgelöste Bedeutung: Die Reform ist der Gradmesser für die Handlungsf­ähigkeit der Großen Koalition. Die Abgeordnet­en müssen die dem Schriftste­ller Mark Twain zugesproch­ene Weisheit widerlegen, dass niemals etwas fertig werden würde, wenn es die letzte Minute nicht gäbe. Die Koalition muss also beweisen, dass sie nicht einfach nur vor dem vom Verfassung­sgericht gesetzten Zeitdruck eingeknick­t ist. Union und SPD sollten schleunigs­t Inhalte liefern. Anderenfal­ls sind sie unglaubwür­dig und liefern allen Grund für Neuwahlen.

Viele Details sind noch zu regeln

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