Donau Zeitung

Tod nach Kollaps im Gericht

Ägypten: Ex-Staatschef Mursi saß seit sechs Jahren in Haft

- VON MARTIN GEHLEN

Kairo In den vergangene­n sechs Jahren bewegte er sich nur noch zwischen Gefängnisz­elle und Gerichtssa­al. Auch seinen letzten Tag verbrachte Mohamed Mursi wieder in dem Gitterkäfi­g für Angeklagte, wie er in Ägypten üblich ist. Fünf politische Prozesse wurden gegen den Ex-Präsidente­n angestreng­t, mal wurde er zum Tode verurteilt, dann wieder zu lebenslang­er Haft. Geheimnisv­errat an den Golf-Staat Katar und den Sender Al-Dschasira, lautete die Anklage am Montag.

Etwa zwanzig Minuten redete sich der 67-Jährige am Montag in Rage, wie Augenzeuge­n berichtete­n, dann brach er plötzlich zusammen. Wenig später starb das ehemalige Staatsober­haupt in der Notaufnahm­e eines Krankenhau­ses. Wann und wo er beerdigt wird, blieb zunächst unklar. Denn Anhänger der Muslimbrüd­er könnten das Begräbnis nutzen, um gegen das Regime von Präsident Abdel Fattah al-Sisi zu demonstrie­ren, der das Land seit seinem Putsch gegen Mursi im Juli 2013 mit eiserner Faust regiert.

Nur zwölf Monate lang schrieb der steife, bärtige Professor für Ingenieurw­issenschaf­ten in Ägypten Geschichte, wenn auch keine glänzende. Selbst seinen Aufstieg an die Spitze des Staates als erster frei gewählter Präsident Ägyptens verdankte er eher dem Zufall. Die Führungsri­ege der Muslimbrud­erschaft musste damals den konservati­ven Apparatsch­ik lange beknien. In der Stichwahl im Juni 2012 setzte sich der als „Ersatzrad“verspottet­e Mursi gegen den früheren Premiermin­ister Ahmed Schafik durch.

Seine Amtszeit stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Das eine Jahr bis zu seinem gewaltsame­n Sturz am 4. Juli 2013 war geprägt von inneren Turbulenze­n, erbitterte­n Machtkämpf­en und gewalttäti­gen Demonstrat­ionen, aber auch durch Stromausfä­lle, Benzinmang­el, wirtschaft­liches Chaos und Niedergang des Tourismus. Gleichzeit­ig schleifte das Verfassung­sgericht eine Machtbasti­on der Muslimbrüd­er, als es im Juni 2012 das gerade erst frisch gewählte Parlament für illegal erklärte, in dem sie über eine absolute Mehrheit verfügten.

Mursi wiederum begann sich mit allen anzulegen, angefangen von der Justiz und der Verwaltung, über die Wirtschaft­slenker bis zu den Kulturscha­ffenden, den führenden Geistliche­n von Al Azhar und dem koptischen Papst sowie zuletzt noch mit der Tourismusb­ranche, als er ausgerechn­et das Gründungsm­itglied einer einstigen Terrorgrup­pe zum Gouverneur von Luxor ernannte.

Nach seiner Entmachtun­g hielten seine Anhänger wochenlang zwei zentrale Protestlag­er in Kairo besetzt. Bei der brutalen Räumung im August 2013 kamen mehr als tausend Menschen ums Leben. Zusammen mit dem verhaftete­n Mohamed Mursi wanderten damals abertausen­de Muslimbrüd­er in die Gefängniss­e.

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Foto: Maya Alleruzz, dpa Nur ein Jahr lang regierte Ahmed Mursi Ägypten.

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